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Die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat der Bundesregierung vorgeworfen, sich auf Kosten der USA und seiner Euro-Partner mit Hilfe eines deutlich unterbewerteten Euro unfaire Handelsvorteile zu erschleichen. Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro sagte der Financial Times, der Euro sei so etwas wie eine „implizite Deutsche Mark“, dessen niedriger Wert Deutschland einen Vorteil gegenüber seinen wichtigsten Handelspartnern gebe.
Deutschland benutze einen „in grober Weise unterbewerteten“ Euro, um die USA und seine Partner in der EU „auszunutzen“, sagte Navarro. Die FT vermutet, dass die Kritik Navarros am Kurs des Euro ein Hinweis darauf sein könnte, dass den Währungen im Zuge der Neuausrichtung der amerikanischen Handels- und Wirtschaftspolitik unter Donald Trump viel mehr Bedeutung als früher zukommen könnte.
Deutschland sei zudem eines der Haupthindernisse für einen US-Handelsvertrag mit der EU und habe die Gespräche über das TTIP-Abkommen für tot erklärt, lautete ein weiterer Vorwurf Navarros. Dieser Vorwurf erscheint vorgeschoben, weil es gerade die neue US-Administration ist, die multilaterale Handelsabkommen ablehnt und sich auf bilaterale Vereinbarungen stützen möchte. Eine der ersten Amtshandlungen Trumps stellte immerhin der Rückzug aus den Verhandlungen zum Pazifik-Freihandelsabkommen TPP dar.
Auch der deutsche Handelsüberschuss erregte die Kritik Navarros. „Das strukturelle deutsche Ungleichgewicht beim Handel mit dem Rest der EU und den USA untergräbt die ökonomische Diversität in der EU – also ist dies (das TTIP-Abkommen – Red.) ein multilaterales Abkommen in einem bilateralen Kleid.“
Der deutsche Überschuss im Warenhandel und Kapitalverkehr mit dem Ausland ist nach Berechnungen des Ifo-Instituts 2016 auf ein neues Rekordniveau gestiegen. „Die Leistungsbilanz weist voraussichtlich ein Plus von 297 Milliarden Dollar auf“, sagte Ifo-Experte Christian der Nachrichtenagentur Reuters. Damit ist Deutschland weltweit führend, gefolgt von China mit einem Überschuss von 245 Milliarden Dollar. 2015 war die Reihenfolge noch umgekehrt. Das Bundeswirtschaftsministerium wertete das Ungleichgewicht als hoch, aber nicht übermäßig. Es sei nicht das Ergebnis einer politischen Steuerung, sondern von Marktprozessen. Der Überschuss liegt mit einem Anteil von 8,6 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung weit über der von der EU vorgegebenen Grenze von sechs Prozent.
Der FT zufolge verdiene der Ton Navarros Beachtung, mit der er seinen Standpunkt vortrage. Dieser deute auf eine Strategie hin, welche darauf abzielen könnte, die Bundesregierung gegen andere EU-Staaten auszuspielen und Europa so zu spalten: „Trotz der unterschiedlichen Ansichten wurde die Debatte über die deutsche Wirtschaftspolitik während der Zeit Obamas in eine diplomatische Sprache eingekleidet. Herr Navarros Kommentare deuten eine wachsende Bereitschaft der Trump-Administration an, die EU-Regierungschefs gegeneinander und speziell gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel auszuspielen.“ Trump selbst hatte die EU kürzlich als „Werkzeug für Deutschland“ bezeichnet.
Die FT weist darauf hin, dass der Vorwurf, die Bundesregierung strebe einen schwachen Euro für die deutsche Exportindustrie an, nicht zutreffend sei. Gerade die Bundesregierung habe mehrfach das Anleihe-Kaufprogramm der EZB kritisiert, welchem nachgesagt wird, dass es den Kurs der Gemeinschaftswährung schwäche.
Das Problem: Die Bundesregierung und die Bundesbank haben den Kurs zwar in der Tat verbal kritisiert, doch faktisch nichts dagegen unternommen. Der Grund liegt auf der Hand: Auch der deutsche Staatshaushalt hat von den EZB-Maßnahmen profitiert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble konnte seine Zinszahlungen reduzieren. Die Sparer dagegen haben immer mehr verloren – sie hatten zu Zeiten der Bundesbank einen Anwalt auf ihrer Seite, der auch ihre Interessen im Hinblick auf Preisstabilität und Zinsniveau im Blick hatte.
Navarro bekräftigte einmal mehr die Absicht der Trump-Regierung, global aufgestellte Wertschöpfungsketten zu sprengen und in den USA anzusiedeln. „Es bringt der amerikanischen Wirtschaft auf Dauer nichts, nur die großen Fabriken zu unterhalten, wo ‚amerikanische‘ Produkte aus lauter Teilen zusammengebaut werden, die aus dem Ausland stammen. Wir müssen diese Teile in einer robusten Wertschöpfungskette zu Hause bauen, welche zu mehr Arbeitsplätzen und Wachstum führen wird.“
Bundeskanzlerin Merkel widersprach den Vorwürfen aus den USA, dass Deutschland einen schwachen Euro anstrebe. „Deutschland ist ein Land, das immer dafür geworben hat, dass die Europäische Zentralbank eine unabhängige Politik macht, so wie das auch die Bundesbank gemacht hat, als es noch keinen Euro gab“, sagte Merkel bei einem Besuch in Stockholm. „Deshalb werden wir auf das Verhalten der EZB auch keinen Einfluss nehmen. Deshalb kann ich auch an der Situation, wie sie ist, und will ich auch gar nichts ändern“, betonte die Kanzlerin. Merkel sagte, dass sich deutsche Unternehmen vielmehr bemühten, mit wettbewerbsfähigen Produkten und fairem Wettbewerb auf dem Weltmarkt zu bestehen.
Mit dieser Aussage bekundete Merkel, dass sie auch in einem aufziehenden Handelskrieg eine Politik der ruhigen Hand verfolgen will. Tatsächlich hat Merkel allerdings auch gar keine Wahl: Sie kann die Währungspolitik nicht beeinflussen und muss hoffen, dass der Weichwährungseffekt des Euro so lange wie möglich hält. Auch in Handels- und Steuerfragen kann Merkel wenig machen, weil der Freihandel bei der EU liegt, die Steuergesetzgebung jedoch nach wie vor nationale Kompetenz ist.
Das Hauptproblem: In der Bundesregierung dominieren die Juristen, die Beamten und die Ideologen. Wirtschaftlicher Sachverstand ist nicht die herausragende Tugend der Regierung. Die Bundesregierung hat faktisch keine hochkarätigen Finanzpolitiker, die in einem Währungs- und Handelskrieg in der Lage wären, finanztechnische Instrumente einzusetzen. In der US-Regierung dagegen sitzt eine ganze Armada von Goldman-Bankern, die das Geschäft des spekulativen Attacke und des Hedgings perfekt beherrschen.
Merkel kann dagegen nur auf der politischen Klaviatur spielen. Doch diese hat in den vergangenen Monaten seit der Trump-Wahl eine radikale Neudefinition erfahren. Merkel aber setzt weiter auf die alten Formeln, die schon während der Eurokrise 2011 nur funktioniert haben, weil die EZB die Politik vor dem Crash bewahrt hat. Zur Ehrenrettung der EZB muss man sagen: Mario Draghi hat immer betont, dass die EZB der Politik nur Zeit kaufen könne. Die Zeit ist ungenutzt verstrichen und daher klingen die politischen Durchhalteparolen heute noch schaler als schon vor sechs Jahren.
Merkel betonte nach einem Gespräch mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven, dass es den 27 EU-Staaten ohne Großbritannien bisher sehr gut gelungen sei, zusammenzuhalten. Es sei wichtig, dass dies während der Brexit-Verhandlungen so bleibe. Im März werde die EU zudem anlässlich des 60. Jahrestages der Römischen Verträge eine Perspektive vorlegen, wohin sich die Union entwickeln solle.
Dieser Ansatz scheint jedoch relativ unerheblich für die aktuellen Probleme. Die europäische Wirtschaft ist zwar in einem guten Zustand, doch die EU steckt tief in der Krise. Dies kann man auch an der Hilflosigkeit der EU-Aussagen zu Donald Trump erkennen: Die Äußerungen aus Washington seien „Besorgnis erregend“, schrieb EU-Präsident Donald Tusk in einem veröffentlichten Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs. Der Regierungswechsel in den USA bringe die EU „in eine schwierige Lage“, weil die neue Führung „die letzten 70 Jahre amerikanischer Außenpolitik in Frage zu stellen scheint“. Zusammen mit einer „neuen Weltlage“ in vielen Bereichen mache der neue US-Kurs „unsere Zukunft zutiefst unvorhersehbar“, schrieb Tusk. Er verwies dabei auch auf ein zunehmend „selbstbewusster“ auftretendes China, Russlands „aggressive Politik gegenüber der Ukraine“ sowie „Krieg, Terror und Anarchie in Nahost und Afrika“ und den radikalen Islam.