Der US-Geheimdienst NSA hat sich möglicherweise Zugang zum internationalen Zahlungsverkehrssystem SWIFT verschafft und eine Reihe von Banken im Nahen Osten überwacht. Das geht aus Dokumenten hervor, welche die mysteriöse Hackergruppe Shadow Brokers am Freitag veröffentlichte. Experten gehen davon aus, dass die Dokumente tatsächlich von der NSA stammen und bei einer geheimen Hacker-Einheit namens "Equation Group" innerhalb der NSA gestohlen wurden. Das meldet die AFP.
Den Dokumenten zufolge verschaffte sich der US-Geheimdienst offenbar Zugang zu zwei SWIFT-Servicebüros, darunter EastNets, das für Swift und andere Finanzinstitutionen technische Dienste im Nahen Osten leistet. Über diesen Zugang soll die NSA Transaktionen mehrerer Banken und Finanzinstitutionen in Kuwait, Dubai, Bahrain, Jordanien, Jemen und Katar überwacht haben.
EastNets wies die Angaben in einer Erklärung auf seiner Internetseite zurück. Die Berichte seien "komplett falsch". EastNets-Kundendaten seien "in keiner Weise" betroffen gewesen. Swift verwies darauf, dass die Angaben nur die Servicebüros und nicht das eigene Netzwerk beträfen.
Für den früheren Chef des Österreichischen Verfassungsschutzes, Gert Polli, sind die Enthüllungen keine Überraschung. Polli schreibt in seinem neuen Buch über die Aktivitäten der US-Dienste im Hinblick auf SWIFT:
SWIFT ist eine in Belgien ansässige Organisation, die 1973 gegründet wurde. Sie standardisiert den Nachrichten- und Transaktionsverkehr von weltweit mehr als 10.000 Banken über, eigenen Angaben zufolge, sicheren Kommunikationsverkehr. Alle Auslandsüberweisungen werden über dieses Regime abgewickelt. Als eine in Belgien ansässige Organisation, unterliegt SWIFT der belgischen Gesetzgebung. Im Jahre 2006 wurde von einer amerikanischen Zeitung aufgedeckt, dass die amerikanische Regierung schon seit einigen Jahren ein geheimes Überwachungsprogramm betrieb, welches die internationalen SWIFT-Transaktionen ausspähte.
Nach belgischen Protesten 2006 konnte ein Vertrag zwischen der EU und den US-Behörden ausgehandelt werden, der es ermöglichte, die Überwachung und Kontrolle des SWIFT-Systems bis heute fortzusetzen. Im Jahre 2009 wurde ein erster Entwurf des SWIFT-Abkommens zwischen der EU und dem amerikanischen Finanzministerium vorgelegt, der erst 2010 durch das Europäische Parlament gebilligt wurde.
Dieses Abkommen hinderte die USA jedoch nicht daran, den Bankendienstleister SWIFT trotzdem auszuspionieren. Das geht aus den Dokumenten Snowden’s hervor. Die dadurch ausgelösten Irritationen zwischen dem Europäischen Parlament und den USA führten im Oktober 2013 zu einer Resolution des Europäischen Parlamentes, in der die Aussetzung des SWIFT-Abkommens gefordert wurde.
Konfrontiert mit dem Spionagevorwurf rechtfertigte sich der Geheimdienstkoordinator der US-Regierung, James Clapper damit, dass die Spionage gegen das SWIFT-Unternehmen in Belgien deshalb notwendig sei, „um die Vereinigten Staaten und alle unsere Verbündeten früh vor finanziellen Krisen warnen zu können, die sich negativ auf die weltweite Wirtschaft auswirken könnten“. Die Daten würden außerdem Einblick in die Wirtschaftspolitik anderer Länder möglich machen, die Einfluss auf die Märkte haben könnten. Es geht den USA neben personenbezogenen finanztechnischen Informationen auch um makroökonomische Informationen in Echtzeit.
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Dr. Gert R. Polli ist der ehemalige Leiter des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Als langjähriger Leiter des österreichischen zivilen Nachrichtendienstes war er Vorsitzender der »Middle European Conference« ebenso wie im Club of Bern, beides hochkarätige, europaweite, informelle nachrichtendienstliche Plattformen.
Im Münchner Finanzbuchverlag ist soeben sein ausgesprochen lesenswertes Buch erscheinen: „Deutschland zwischen den Fronten. Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird“. Polli gibt darin als Insider einen exklusiven Einblick, wie Politik und Wirtschaft von den Geheimdiensten dominiert werden und warum diese Entwicklung besonders für Deutschland zu einem großen Problem werden könnte.
FinanzBuch Verlag München, 304 Seiten, 19,99 Euro
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