Politik

Deutsche Autoindustrie warnt vor Kreuzzug gegen den Diesel

Die deutsche Autoindustrie fürchtet schwere Nachteile, wenn Diesel-Motoren verboten werden sollten.
09.05.2017 00:29
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Ilona Wissenbach von Reuters liefert eine interessante Analyse über die weitreichenden Folgen eines Verbots von Dieselmotoren für die deutsche Automobilindustrie: 

"Diesel? Nein danke!" - Immer mehr Kunden, die sich ein neues Auto kaufen wollen, entscheiden sich gegen ein Diesel-Fahrzeug. Die Diskussionen über manipulierte Motoren und Fahrverbote in Großstädten haben die Zahl der neu zugelassenen Diesel-Pkw im April um fast ein Fünftel einbrechen lassen. In der Autoindustrie herrscht Alarmstufe Rot. Immer lauter warnt sie vor den Folgen für Klimaschutz und die Beschäftigung im wichtigsten deutschen Wirtschaftszweig. "Wir müssen die Diesel-Diskussion auf eine technische und nicht auf eine emotionale Diskussion zurückführen, die zum Teil mit den Fakten fahrlässig spielt", sagte Rolf Bulander, Chef der Autosparte bei Bosch. Bei dem weltgrößten Autozulieferer hängen in Deutschland 15.000 Jobs vom Diesel ab. Erste Effekte auf die Beschäftigung sind zu spüren: Ein Großteil der befristeten Stellen lief im vergangenen Jahr in diesem Bereich aus.

Vor allem zwei Initiativen in der Politik erhöhten noch den Druck auf den Diesel, der sich seit Ausbruch des Abgasskandals von Volkswagen im September 2015 aufbaute: Baden-Württembergs grün-schwarze Landesregierung entschloss sich dazu, ab 2018 an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge zu verhängen. Hintergrund ist eine Klage der Umweltlobby Deutsche Umwelthilfe und das Verfahren der EU gegen Deutschland wegen des Verstoßes gegen die Luftreinhaltevorschriften. Denn in rund 80 deutschen Städten werden die Grenzwerte an vielbefahrenen Straßen überschritten. Außerdem veröffentlichte das Umweltbundesamt (UBA) - eine staatliche Einrichtung - Messergebnisse, die die Vorwürfe von Umweltschützern stützt: Auch moderne Diesel-Motoren der Norm Euro-6 stoßen auf der Straße viel mehr Stickoxid aus als erlaubt und auf dem Prüfstand gemessen.

Das sei nichts Neues, tat der Verband der Automobilindustrie das ab. Mit dem neuen Prüfverfahren auf der Straße (Real Drive Emissions, RDE) soll diese, laut Autoindustrie technisch unvermeidliche Lücke, verkleinert werden. Nur: Die saubereren Dieselwagen kommen erst ab 2019, dann darf der Grenzwert nur noch um das doppelte übertroffen werden, zwei Jahre später um das anderthalbfache. Die Käufer werden sich unterdessen weiter vom Diesel abwenden, davon sind Experten wie Peter Fuß von der Unternehmensberatung EY überzeugt: "Der Diesel-Antrieb hat derzeit ein erhebliches Image-Problem, die unklare Lage führt zu Verunsicherung bei potenziellen Dieselkäufern."

Und auch das zentrale Argument der Autoindustrie, nur mit den im Vergleich zum Benzinmotor spritsparsameren Diesel seien die EU-Klimaziele zu Kohlendioxid (CO2) zu erreichen, zieht das UBA in Zweifel. "Der Vorteil besteht nur auf dem Papier", erklärte das Amt. Nach Messungen 2015 sei der CO2-Ausstoß beim Diesel mit 129 Gramm pro Kilometer genauso hoch gewesen wie beim Benziner. "Vom Diesel als Klimaretter kann also keine Rede sein", so das UBA. Grund ist der Trend zu SUVs, großen schweren Wagen mit höherem Spritverbrauch.

Die Autoindustrie will im Kampf um die Gunst der Kunden jetzt Gas geben. "Natürlich ist klar, dass die Autoindustrie an Glaubwürdigkeit verloren hat und wir uns bemühen müssen, sie zurückzugewinnen", sagte Bosch-Chef Volkmar Denner. VW-Chef Matthias Müller schwebt eine Kampagne für den Diesel vor, wie er kürzlich der "Automobilwoche" erklärte. Mit der Manipulation der Dieselabgase von elf Millionen Autos brachte der Wolfsburger Konzern den Selbstzünder in Verruf. "Die Kunden lieben den Diesel, er ist aus Europa nicht mehr wegzudenken", erklärte VW-Markenchef Herbert Diess. Der Marktanteil sank in Deutschland allerdings auf rund 40 Prozent nach weit über 50 Prozent in Spitzenzeiten. "Wir stehen zum Diesel", betonte Diess. Für Fahrverbote gebe es mit neuen Modellen keinen Grund mehr.

Doch die überwiegende Mehrheit der Autos auf den Straßen fährt noch nicht mit Euro-6. Baden-Württemberg pocht deshalb darauf, dass die Autobauer Wagen mit Euro-5 nachbessern. Umweltminister Winfried Hermann nannte als Kosten dafür nach Medienberichten zwischen 1000 und 3000 Euro pro Fahrzeug. Wie Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist er der Meinung, die Autoindustrie solle dies zahlen. Die Branche sträubt sich jedoch noch. Eine Nachrüstung auf Euro-6 ließe sich wirtschaftlich kaum darstellen, hieß es beim VDA. Auch die Umweltminister der Länder forderten den Umbau von Euro-5-Autos. Großbritannien prüft unterdessen einen anderen Ausweg aus der Klemme: Die Regierung zieht eine Abwrackprämie für ältere, schmutzige Autos - Diesel wie Benzin - in Betracht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...

DWN
Panorama
Panorama Verkehrswende: Ariadne-Verkehrswendemonitor zeigt Entwicklung auf
08.05.2025

Wie sich die Verkehrswende in Deutschland aktuell entwickelt, ist nun auf einer neuen Onlineplattform des Potsdam-Instituts für...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bewältigen: 7 Strategien für finanzielle Stabilität, weniger Belastung und einen nachhaltigeren Lebensstil
08.05.2025

Wer die eigenen Ausgaben kennt, kann gezielt handeln. So behalten Sie die Kontrolle über Ihr Geld. Mit Budgetplanung und klugem Konsum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Maschinenbau: Bedeuten die Trump-Zölle das Ende einer deutschen Schlüsselindustrie?
08.05.2025

Der Maschinenbau befindet sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Nun droht die fatale Zollpolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump zum...

DWN
Politik
Politik Anti-Trump-Plan: Halbe Milliarde Euro für Forschungsfreiheit in Europa
08.05.2025

Während US-Präsident Trump den Druck auf Hochschulen erhöht, setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf gezielte Anreize...

DWN
Technologie
Technologie Bitkom-Umfrage: Deutsche kritisieren Abhängigkeit von KI-Anbietern aus dem Ausland
08.05.2025

Die Bevölkerung in Deutschland verwendet zunehmend Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig nimmt die Sorge über eine...

DWN
Politik
Politik Migrationspolitik: Wie die Neuausrichtung an den deutschen Außengrenzen aussehen könnte
08.05.2025

Das Thema illegale Migration und wer bei irregulärer Einreise an deutschen Landesgrenzen zurückgewiesen wird, beschäftigt die Union seit...

DWN
Politik
Politik Ungenutztes Potenzial: Biokraftstoffe könnten Europas Verkehr sofort dekarbonisieren – doch die Politik bremst
08.05.2025

Während Elektromobilität noch mit Infrastrukturproblemen kämpft, könnte HVO100 die CO2-Bilanz des Verkehrssektors sofort verbessern –...