Politik

Millionen Chinesen wollen nach Griechenland

China wird zu einem maßgeblichen Wirtschaftsfaktor in Griechenland.
13.05.2017 01:38
Lesezeit: 3 min

China wird zu einem maßgeblichen Wirtschaftsfaktor für Griechenland. Verstärkte Investitionen in die Tourismusbranche könnten dazu beitragen, das sich die Zahl chinesischer Touristen in den kommenden Jahren mehr als verzehnfacht. Die chinesische Regierung in Peking rechnet mittelfristig mit etwa 1,5 Millionen Touristen aus dem Reich der Mitte jährlich, die ihren Urlaub in Griechenland verbringen werden. Vergangenes Jahr betrug ihre Anzahl noch etwa 150.000.

Triebfeder für die positiven Aussichten stellen verstärkte Investitionen großer chinesischer Konzerne in Griechenland dar – allen voran jene der Beteiligungsgesellschaft Fosun. Fosuns Vize-Präsident Jim Jiannong Qian kündigte vor einigen Tagen in Athen an, dass die Gruppe speziell auf die chinesische Kundschaft zugeschnittene Reiseangebote konzipieren wird, welche über den Anbieter Thomas Cook verkauft werden sollen. Fosun war im März mit 5 Prozent Aktienanteil bei Thomas Cook eingestiegen hat seinen Anteil seitdem auf über 8 Prozent ausgeweitet. Möglich ist, dass Direktflüge zwischen Peking, Schanghai und Athen angeboten werden, sobald die Besucherzahlen anziehen, berichtet Bloomberg.

Bemerkenswert ist, dass die Chinesen ihre Investitionsentscheidung unter anderem auch mit Sicherheitsaspekten begründen. „Griechenland ist ein sehr sicherer Ort“, sagte Qian. Fosun plant offenbar, Hotels in Griechenland zu kaufen oder zu bauen und diese durch seine Tochter Club Med zu betreiben.

Aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage mussten konkurrierende Mittelmeer-Destinationen wie die Türkei, Ägypten oder Tunesien in den vergangenen Jahren rückläufige Besucherzahlen verkraften. Erst vor wenigen Tagen hatte das US-Außenministerium wegen einer anhaltenden Gefahr von Anschlägen eine Reisewarnung für Europa herausgegeben. Einen konkreten Anlass gebe es nicht, sagte ein Mitarbeiter des Ministeriums in Washington. Insbesondere vor dem Sommerurlaub sei die Gefahr von Anschlägen jedoch hoch. Mögliche Ziele für Attacken seien Einkaufszentren, Regierungseinrichtungen, Hotels, Clubs, Restaurants, Parks, Flughäfen und andere Örtlichkeiten. Das Außenministerium bezog sich auf die jüngsten Anschläge in Frankreich, Russland, Schweden und Großbritannien. Die Extremistenmilizen Islamischer Staat und Al-Kaida hätten „die Fähigkeit, Terroranschläge in Europa zu planen und auszuführen“.

Der Tourismus gehört mit etwa 25 Prozent Anteil an der gesamten Wertschöpfung zu den wichtigsten Einnahmequellen des wirtschaftlich stark angeschlagenen Griechenland. Im vergangenen Jahr legte die Zahl der ausländischen Touristen erfreulicherweise gegenüber 2015 um 7,6 Prozent auf insgesamt 28,1 Millionen Besucher zu. „Griechenlands Wirtschaft erholt sich und das bietet ausländischen Investoren sehr gute Möglichkeiten. Wir erkennen Verbesserungen an den Zahlen aus dem Einzelhandel und aus dem Tourismussektor“, wird Qian zitiert.

In Griechenland selbst setzt man offenbar große Hoffnungen in die anstehende Sommersaison. Nach dem Rekordjahr 2016 soll die Zahl der Besucher dieses Jahr auf bis zu 30 Millionen steigen. „Wir erleben einen Touristenboom, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gab“, schwärmt ein von der dpa zitierter Hotelbesitzer. „Wir sind fast ausgebucht und haben sogar schon Buchungen für 2018 entgegengenommen!“ Christos Pilatakis, Hoteldirektor auf der Insel Rhodos, pflichtet bei: „Sogar im November sind hier in unserem kleinen Ort Lindos noch 60 Prozent der Zimmer belegt.“ Vor allem die deutschen Urlauber zieht es in diesem Jahr nach Griechenland. Die Deutschen machen von jeher die meisten ausländischen Gäste Griechenlands aus – in diesem Jahr soll ihre Zahl noch einmal um rund eine Million auf drei Millionen steigen, schätzt das Athener Ministerium für Tourismus. Bei Franzosen, Briten und Österreichern steht Griechenland derzeit ebenfalls hoch im Kurs.

Das Land profitiert von verschiedenen Faktoren: Von der unsicheren Lage in anderen beliebten Urlaubsländern, aber auch davon, dass sich die Lage innerhalb Griechenlands in den vergangenen zwei Jahren beruhigt hat. „Seit 2015 haben wir keine nennenswerten Streiks mehr, und Attentate gibt es hier sowieso nicht – die Menschen fühlen sich sicher“, sagt ein Hotelier. Zudem hat seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei der Flüchtlingszustrom stark abgenommen. Zwar erholt sich der Tourismus auf den besonders betroffenen Inseln Lesbos und Chios nur langsam, zumal dort immer noch viele tausend Flüchtlinge und Migranten unter schlechten Bedingungen ausharren müssen. Die Insel Kos jedoch verzeichnet bei den Buchungen wieder deutliche Zuwächse.

Das Geld der Touristen kann Griechenland gut brauchen. Rund 13 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Branche 2016 – in diesem Jahr könnten es bis zu 50 Prozent mehr sein, heißt es beim Tourismusministerium, das zudem mit einem spürbaren Anstieg der Beschäftigten rechnet. Auch wenn es sich großteils um zeitlich begrenzte Saisonarbeitsplätze handelt, wäre das wenigstens eine zeitweise Entspannung für das Land mit der EU-weit höchsten Arbeitslosenquote von über 23 Prozent.

Gänzlich ungetrübt ist die Stimmung dennoch nicht, denn auch der griechische Tourismussektor ist von den umfassenden Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen betroffen, die die internationalen Gläubiger dem verschuldeten Land abverlangen. In der Hotellerie etwa stieg der Mehrwertsteuersatz von 13 auf 24 Prozent. „Um konkurrenzfähig zu bleiben, verzichten wir darauf, diese und andere Erhöhungen und Abgaben an die Kunden weiterzugeben.“

Das chinesische Tourismus- und Finanzkonglomerat HNA hat seinen Anteil an der Deutschen Bank zuletzt auf knapp zehn Prozent aufgestockt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Neue US-Zölle: Was die deutsche Wirtschaft fürchten muss
02.04.2025

Die geplanten Zölle von US-Präsident Trump sorgen für Unruhe in Europa. Niemand weiß genau, welche Branchen betroffen sein werden –...

DWN
Politik
Politik Ukraine erhält massive Militärhilfe aus Schweden und den Niederlanden – Russland weitet Einberufungen aus
02.04.2025

Die Ukraine erhält verstärkte militärische und finanzielle Unterstützung von Schweden und den Niederlanden, während Russland...

DWN
Politik
Politik Migration: Nancy Faeser sieht eigene Migrationspolitik als Erfolg
01.04.2025

Während SPD und Union über eine mögliche Koalition verhandeln: Die geschäftsführende Innenministerin Faeser präsentierte heute...

DWN
Politik
Politik Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
01.04.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trumps Zölle - Warum Hyundai jetzt auf Milliarden-Investitionen in den USA setzt
01.04.2025

Geht sein Plan auf? Trumps Zollerhöhungen erzwingen bereits drastische Reaktionen. Hyundai investiert 21 Milliarden US-Dollar in die USA,...

DWN
Politik
Politik AfD holt in Umfrage auf: Union büßt nach Bundestagswahl stark ein
01.04.2025

Nach der Bundestagswahl verliert die Union in den Umfragen, während die AfD kräftig zulegt. Auch SPD und Grüne verzeichnen Rückgänge,...

DWN
Politik
Politik Bamf-Chef Sommer will radikale Asyl-Wende - Rücktritt gefordert
01.04.2025

Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert eine radikale Wende in der deutschen Asylpolitik. Statt individueller Anträge plädiert er für eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-ETF-Vergleich: Wie Sie mit Europa-fokussierten ETFs Geld verdienen - und welche Europa-ETF sinnvoll sind
01.04.2025

Da die Trump-Administration die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt, protektionistische Zölle erlässt und sich von der...