Politik

Grüne wollen nach Debakel plötzlich das Thema „Sicherheit“ besetzen

Lesezeit: 2 min
15.05.2017 15:46
Die Grünen wollen nun plötzlich das Thema „Sicherheit“ besetzen - und zeigen sich nach der Schlappe in NRW völlig orientierungslos.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die in Nordrhein-Westfalen schwer geschlagenen Grünen wollen als Konsequenz aus ihrem schlechten Abschneiden in Nordrhein-Westfalen ihr Profil beim Thema Sicherheit schärfen. "Wir haben gelernt, dass die Sicherheitsfrage eine große Rolle gespielt hat", sagte die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, am Montag in Berlin. "Ich glaube, dass wir für die Bundestagswahl uns bewusst sein müssen darüber, dass das Thema nach wie vor - für viele, auch für unsere Wähler - eine wichtige Rolle spielt." Das Thema werde zwar nicht Kernthema des grünen Wahlkampfes, dürfe aber nicht ignoriert werden. Welche konkreten Maßnahmen ins Auge gefasst werden könnten, sagte die Spitzenkandidatin nicht.

Diese neue Positionierung ist bemerkenswert: Die Grünen waren in den siebziger- und achtziger Jahren als Folge der 68er-Bewegung groß geworden - und zwar genau mit dem Gegenteil dessen, was man heute unter den Thema "Sicherheit" politisch gerne vermarktet: Das Thema reicht von umfangreichen Polizeimaßnahmen, Einschränkung der Bürgerrechte und Überwachung bis hin zu militärischen Mitteln wie dem von den USA geforderten Einsatz der Nato im "Kampf gegen den Terror". Das Dilemma der Grünen besteht darin, dass sie den Kampf gegen eine zunehmend militarisierte Obrigstaatlichkeit nie geführt haben, sondern sich unter Preisgabe all ihrer Werte in der Dogmatik des transatlantischen Lagers verloren haben. Heute können die Grünen bei Jungwählern nur noch mit Service-Themen wie etwa der Legalisierung von Cannabis reüssieren, während die 68-er Protestwähler der Partei längst den Rücken gekehrt haben.

Angesichts des Debakels in NRW und der mäßigen Umfragewerte auf Bundesebene ist die Idee, die Grünen könnten nun zur "Sicherheitspartei" werde, Ausdruck der programmatischen Leere. Es ist ausgeschlossen, dass potentielle Grün-Wähler ein weichgespültes AfD-Programm kaufen werden. Das Thema "Sicherheit" müsste aus linker und liberaler Sicht als Bürgerrechtsthema kritisch aufgegriffen werden. Doch schon die Piraten sind mit diesem Ansatz sang- und klanglos untergegangen. In NRW flogen sie am Sonntag aus dem Landtag. Die Grünen hätten theoretisch das Potenzial, sich ihrer Wurzeln als Anti-Kriegspartei zu besinnen. Dies scheint der Führung der Partei jedoch wegen der eigenen transatlantischen Einbindung nicht opportun zu sein. Das Thema wurde folglich von der Linkspartei aufgegriffen, die in NRW zwar den Einzug in den Landtag verfehlte, ihren Stimmenanteil jedoch verdoppeln konnte.

Die Grünen sackten bei der NRW-Landtagswahl am Sonntag von 11,3 Prozent 2012 auf nun 6,4 Prozent ab. Eines der dominierenden Themen im Wahlkampf war die Kriminalitätsbekämpfung. Bei den Grünen sind Maßnahmen wie Video-Überwachung öffentlicher Räume oder das Ausspähen von Kommunikationsdaten Verdächtiger umstritten. Göring-Eckardt kündigte an, man werde sich die Ergebnisse der Wahlen in NRW und eine Woche zuvor in Schleswig-Holstein genau anschauen und dann Konsequenzen ziehen.

Die NRW-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann rechtfertigte den Ausschluss einer sogenannten Jamaika-Koalition mit CDU und FDP kurz vor dem Wahltermin am Sonntag: "Wir können jetzt feststellen, dass es gelungen ist, mit dieser Schlussmobilisierung die parlamentarische Existenz zu sichern." Man habe die Kernwählerschaft zur Stimmabgabe bewegen können, aber sei unter dem grünen Potenzial geblieben. Nach der Bundestagswahl 2013 galt bei den Grünen eigentlich der Lehrsatz, bis auf die AfD Bündnisse mit keiner Partei auszuschließen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Panorama
Panorama Glücksatlas 2024: Deutsche wieder auf Glückskurs?
11.11.2024

Die Belastungen der Corona-Pandemie scheinen überwunden – aber nicht für alle: Die Lebenszufriedenheit steigt in Deutschland...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Energiestratege Jonathan Waghorn: „Russisches Gas wird keine zentrale Rolle mehr im europäischen Energiemix spielen“
10.11.2024

Jonathan Waghorn, Energiestratege und Portfoliomanager beim Londoner Vermögensverwalter Guinness Global Investors, spricht im...

DWN
Immobilien
Immobilien Heizkosten 2023: Anstieg von mehr als 30 Prozent gemeldet
10.11.2024

Die Heizkosten in Zwei- und Mehrfamilienhäusern sind 2023 erneut stark gestiegen – durchschnittlich um mehr als 30 Prozent. Der neue...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft DWN-Sonntagskolumne: How to get rich? Warum Sie mit Arbeit alleine nicht reich werden!
10.11.2024

“Either you work for your money, or your money works for you" - angeblich stammt dieses Zitat von US-Bankier Bernard Baruch. Entweder Sie...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Armut und Ungleichheit: Studie zeigt zunehmende Abstiegsängste in Deutschland
10.11.2024

Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Armut in Deutschland auf einem Höchststand ist und das Vertrauen in politische Institutionen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Chancen durch Börsengang: IPO zur unternehmerischen Weiterentwicklung – und wie es gelingt!
10.11.2024

Ein Börsengang bietet Unternehmen neue Chancen: Von der Kapitalbeschaffung bis zur Expansion. Welche Möglichkeiten ein IPO eröffnet und...

DWN
Technologie
Technologie Wärmepumpe dominiert in Neubauten: Zwei Drittel setzen auf elektrische Heizlösung
10.11.2024

Wärmepumpen gewinnen in Neubauten weiter an Bedeutung: 2023 entschieden sich Bauherren in zwei Dritteln der neuen Wohngebäude für diese...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel durch demografischen Wandel: Lösungen für Unternehmen
10.11.2024

Egal, welche Branche: Der demografische Wandel betrifft uns alle. Die bestehende Belegschaft wird immer älter, während es häufig an...