Im Streit über das Besuchsrecht deutscher Abgeordneter bei Bundeswehrsoldaten in Incirlik hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei seinem Treffen mit Angela Merkel offenbar keine Zusagen gemacht. Die Kanzlerin habe in dem Gespräch eine Ansage gemacht, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag in Berlin. "Jetzt müssen wir mal gucken, ob's wirkt." Merkel hatte vor dem Treffen am Donnerstag in Brüssel den Abzug der rund 250 Soldaten und der Tornado-Jets angekündigt, wenn die Türkei nicht einlenke. Sie halte ein Besuchsrecht für unabdingbar. "Ansonsten müssen wir Incirlik verlassen." Für den Nato-Stützpunkt im türkischen Konya zeichnete sich dem Spiegel zufolge indes eine Lösung ab.
Merkel kam beim Nato-Gipfel mit Erdogan zusammen. Nach dem Treffen erklärte ihr Sprecher, sie hätten ein "Gespräch über derzeitige Belastungen der deutsch-türkischen Beziehungen" geführt. Dabei sei es nicht nur um Incirlik gegangen. Die Kanzlerin habe sich auch erneut für eine rechtsstaatliche Behandlung deutscher Bürger eingesetzt. Sie habe insbesondere die Freilassung des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel gefordert.
Vor gut einer Woche hatte die türkische Regierung Bundestagsabgeordneten erneut den Besuch bei den deutschen Soldaten in Incirlik verweigert. Zusätzlich belastet sind die Beziehungen durch die jüngste Absage der türkischen Regierung an Abgeordnete, die zu politischen Gesprächen in die Türkei reisen wollten.
Das Verteidigungsministerium erkundet seit einiger Zeit Möglichkeiten für eine Verlegung der Soldaten, die im Rahmen des Kampfes gegen die Extremistenmiliz IS in Incirlik stationiert sind. "Da gibt es positive Ergebnisse", sagte ein Ministeriumssprecher. Sollte die Entscheidung für einen Abzug fallen, könnten die Flüge zum Beispiel von Jordanien aus fortgesetzt werden. Die Verlegung würde mindestens zwei Monate beanspruchen. In Incirlik sind Tornado-Aufklärungsjets sowie ein Tankflugzeug der Bundeswehr stationiert, die die internationale Anti-IS-Koalition unterstützen.
Im Streit über den Nato-Stützpunkt in Konya zeichnet sich dagegen eine Lösung ab. Außenminister Sigmar Gabriel habe Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vorgeschlagen, Flüge nach Konya grundsätzlich als Nato-Flüge zu deklarieren. Abgeordnetenbesuche müssten dann von der Regierung in Ankara nicht mehr genehmigt werden. Die türkische Regierung habe beim Nato-Gipfel Zustimmung signalisiert. Anders als Konya ist Incirlik keine Nato-Basis, sondern untersteht der Befehlshoheit der Türkei.
Als weitere Belastung der bilateralen Beziehungen könnte sich erweisen, dass sich nach einem Bericht von "Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR zwei der nach dem Militärputsch in der Türkei meistgesuchten türkischen Offiziere nach Deutschland abgesetzt haben. Sie seien am 12. Mai aus Griechenland kommend in Frankfurt gelandet und in einem Asylbewerberheim in Hessen untergebracht worden. Laut Dublin-Verordnung hätten sie in Griechenland Asyl beantragen müssen. Seit dem Militärputsch haben nach Angaben des Innenministeriums 437 türkische Inhaber von Diplomaten- oder Dienstpässen mit ihren Angehörigen einen Asylantrag gestellt. Diese seien in einigen Fällen bewilligt worden, sagte eine Sprecherin.