Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat seine Loyalität zur Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigt. „Was auch immer an türkeifeindlichen Äußerungen in bedeutenden EU-Ländern fallen mag, Ungarn wird sich daran nie beteiligen (…) Selbst wenn das Unannehmlichkeiten bringt“, erklärte Orban vergangene Woche auf einem bilateralen Geschäftsforum in Ankara. Die Freundschaft zur Türkei bezeichnete er als „Folge einer Strategie, wonach in Ungarn – als einem konservativen Land – die menschlichen Werte zählen“. Ungarn stehe an der Seite „seiner Freunde“, so Orban.
Der türkische Premier Binali Yildirim sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Orban, dass sich während des Putschversuchs am 15. Juli 2016 herausgestellt habe, wer die wahren Freunde der Türkei seien, zitiert der Standard Yildirim. Ungarn zählte er zu den wahren Freunden der Türkei.
Der ungarische Premier war am Vortag mit der halben Regierungsmannschaft und rund 70 ungarischen Geschäftsleuten nach Ankara gereist. Er wurde sowohl von Präsident Erdogan als auch von Ministerpräsident Binali Yildirim empfangen.
Nach Angaben des türkischen Industrieministers Faruk Özlü möchte die Türkei ihr bilaterales Handelsvolumen mit Ungarn auf fünf Milliarden Dollar steigern. „Ungarn ist ein wichtiger Handelspartner für die Türkei. Im vergangenen Jahr lag das bilaterale Handelsvolumen bei über zwei Milliarden US-Dollar. Unser Ziel ist es, dies auf bis zu 5 Milliarden Dollar zu erhöhen, und wir werden dieses Ziel in naher Zukunft erfüllen“, zitiert die Nachrichtenagentur Anadolu Özlü.
Die türkischen Exporte nach Ungarn sind im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent auf 832 Millionen Dollar gestiegen, während die Importe aus Ungarn konstant auf 1,3 Milliarden Dollar standen. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sagte, dass die Wirtschaft der Türkei wuchs, während die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit verlor.
Die ungarische Regierung will fünf Millionen Euro in eine türkische Fabrik im ungarischen Miskolc investieren. Die Fabrik wird dem türkischen Produzenten für Dämmmaterial gehören, berichtet das Global Trade Review. Die gesamten Kosten belaufen sich auf 22,5 Millionen Euro. Mehrere andere Projekte wurden angekündigt, darunter der Bau einer Wasseraufbereitungsanlage in Istanbul durch Budapest Waterworks. Zudem sollen türkische Fachleute, die im russisch-türkischen Kernkraftwerk in der türkischen Stadt Akkuyu zum Einsatz kommen sollen, durch ungarische Nuklear-Spezialisten ausgebildet werden.
Das Finanzportal Finansgündem berichtet, dass sich die türkischen Investitionen in Ungarn auf etwa 100 Millionen Dollar belaufen. Im Gegenzug belaufen sich die ungarischen Investitionen in der Türkei auf 20 Millionen Dollar. Die türkische Export-Import-Bank (Eximbank)hat den Ungarn ein Kreditpaket von 750 Millionen Dollar und die ungarische Eximbank hat im Gegenzug der Türkei ein Kreditpaket von 250 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.
Die Türkei plant, ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit der Visegrad-Gruppe, dessen Mitglieder Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sind, zu stärken. Die Zeitung Yeni Safak berichtet, dass die Beziehungen zwischen den Visegrad-Mitgliedern sich in den vergangenen Jahren intensiviert hätten. Angesichts des anstehenden Brexits werde die Visegrad-Gruppe künftig mehr Gewicht innerhalb der EU erlangen. Ungarn hat am 1. Juli den Vorsitz der Visegrad-Gruppe übernommen und wird die Agenda der Gruppe über ein Jahr hinweg bestimmen. Nach Angaben des türkischen Blatts wird Orban darauf hinarbeiten, die Integration innerhalb der Gruppe zu stärken. Für die Türkei bestehe die Möglichkeit, den Wunsch der Visegrad-Gruppe nach einer Kooperation mit Staaten außerhalb der EU zu nutzen.
Während die EU die Türkei durchgehend attackiert und im EU-Parlament sogar ein Abbruch der EU-Beitrittsgespräche gefordert wird, versucht die Regierung in Ankara, über die Stärkung ihrer Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten einen Einfluss innerhalb der EU zu gewinnen. Die Türkei will damit ihre Verhandlungsposition gegenüber der EU stärken.
Dies könnte ihr gelingen, weil die Visegrad-Mitglieder Polen und Ungarn ein schlechtes Verhältnis zur EU-Kommission haben. Insbesondere in der Flüchtlings-Frage gibt es Differenzen zwischen der Visegrad-Gruppe und der EU und Deutschland.