Politik

Ukraine: Poroschenko leitet Untersuchung wegen Nordkorea-Raketen ein

Lesezeit: 4 min
19.08.2017 00:24
Der ukrainische Präsident Poroschenko muss um seinen Posten fürchten. Es geht um die angebliche Raketen-Lieferung an Nordkorea. Außerdem will sich das FBI um die Rolle der Ukraine in der US-Präsidentschaftswahl kümmern.
Ukraine: Poroschenko leitet Untersuchung wegen Nordkorea-Raketen ein

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Im Zusammenhang mit der Lieferung von Raketentechnologie aus der Ukraine nach Nordkorea hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine „dringende, gründliche und vollständige Untersuchung“ eingeleitet, berichtet Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL). Das habe der Präsident am 16. August auf seiner Facebook-Seite bekanntgegeben. An der Untersuchung sollen die interministerielle Kommission für militärtechnische Zusammenarbeit und Exportkontrolle sowie die staatliche Raketenfabrik Yuzhmash mitwirken. Dieser Schritt erfolgt zwei Tage nach der Veröffentlichung einer britischen Studie. wonach der Verdacht bestehe, die Motoren für die nordkoreanischen Raketen könnten aus einer Fabrk in der Ukraine geliefert werden sein. Die ukrainische Regierung hatte die Ergebnisse der Studie zunächst brüsk zurückgewiesen und gesagt, der russische Geheimdienst könne hinter der Anschuldigung stehen.

Doch offenbar hat sich das Verhältnis zwischen der US-Regierung und der Regierung von Poroschenko verändert. Vor allem die Neocons, die bisher durchaus wohlwollend auf der Seite von Poroschenko gestanden waren, haben die Gangart gegenüber dem ukrainischen Präsidenten verschärft. Poroschenko war an die Macht gekommen, nachdem der von Russland unterstützte Präsident Janukowitsch gestürzt und der von den USA als Regierungschef favorisierte ehemalige Zentralbanker Arseni Jazeniuk die Erwartungen nach Reformen nicht erfüllt hatte. Poroschenko unterhält nicht nur gute Kontakte in den Westen, sondern ist mit seinem Unternehmen auch in Russland investiert.

Doch auch Poroschenko ist es nicht gelungen, die Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Bei seinem letzten Besuch in Kiew hatte US-Vizepräsident dringend gefordert, die Korruption einzudämmen. Auch ein maßgeblicher Think Tank der EU hatte sich in einem Bericht desillusioniert über die Lage in der Ukraine geäußert. 

Die Neocons hatten im Juli 2017 ein Thema aufgebracht, das in der US-Öffentlichkeit bisher wenig Beachtung gefunden hatte: US-Senator Lindsey Graham hatte im Verlauf der Antrittsanhörung des neuen FBI-Chefs Christopher Wray überraschend und ausführlich aus einem Bericht von Politico zitiert, wonach die Ukraine sich aktiv in den US-Wahlkampf eingemischt habe, um Hillary Clinton zu unterstützen. Graham fragt: „Stimmen Sie zu, dass die Ukraine kein Recht hatte, sich in die Wahl einzumischen?“, fragte Graham. Wray antwortete: „Ich stimme Ihnen zu“. Der neue FBI-Chef sagte zu, eine diesbezügliche Untersuchung durchzuführen.

Die Regierung von Poroschenko hatte in der Zeit von Obama eng mit US-Vizepräsident Joe Biden kooperiert. Bidens Sohn hatte eine Posten bei einem ukrainischen Unternehmen inne, das mit Fracking eine Rolle im europäischen Energiemarkt übernehmen sollte. 

Die Kritik Grahams an der ukrainischen Regierung und an Petro Poroschenko ist ein Hinweis dafür, dass der ukrainische Präsident ins Fadenkreuz der Neocons geraten sein könnte. Der Bericht über die Raketen für Nordkorea könnte Poroschenko ausgesprochen gefährlich werden, wenn er die Anschuldigungen nicht glaubhaft widerlegen kann. Eine FBI-Untersuchung könnte auch auf die Finanzen Poroschenkos abzielen. Der Konflikt zwischen Poroschenko und den Neocons könnte mit einem Mann, zusammenhängen, den manche Kreise im Westen gerne an Poroschenkos Stelle sehen würden. Es geht um den ehemaligen georgischen Präsidenten und früheren ukrainischen Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili.

Saakaschwili hatte im November 2016 seinen Posten als Gouverneur aufgegeben, um eine neue Partei mit dem Namen "Bewegung der neuen Kräfte" zu gründen und Poroschenko herauszufordern. Er wirft der Regierung in der Ukraine vor, korrupt zu sein. Saakaschwili hatte die ukrainische Staatsbürgerschaft erst vor wenigen Jahren erhalten, um in Odessa tätig werden zu können.

Wenige Tage nach dem überraschenden Vorstoß von Graham entzog Poroschenko Saakaschwili die ukrainische Staatsbürgerschaft, wie Reuters berichtete. Saakaschwili ist ein enger Verbündeter der Neocons. Es ist denkbar, dass die plötzliche Attacke von Graham gegen die Ukraine das Resultat der Entfremdung von Poroschenko ist, als deren Ausdruck der Kampf Saakaschwilis gegen die Regierung in Kiew gesehen werden könnte. Poroschenko hatte in den vergangenen Monaten versucht, es sowohl den Amerikanern als auch den Russen recht zu machen. Zumindest ist es ihm gelungen, die Kämpfe in der Ost-Ukraine einzudämmen und den vereinbarten Waffenstillstand einigermaßen aufrecht zu erhalten.

Der aus Geheimdienstkreisen in der Regel mit guten Informationen ausgestattete Economist ist der Auffassung, dass Saakaschwili "eine Bedrohung" für die Macht Poroschenkos ist. Der Entzug der Staatsbürgerschaft könne ein ähnlich verhängnisvoller Fehler von Poroschenko sein wie er Janukowitsch 2011 unterlief, als er Julia Timoschenko ins Gefängnis werfen ließ.

Saakaschwili hat am Freitag ostentativ angekündigt, im September in die Ukraine zurückzukehren, so RFE/RL. „Ich kehre zurück in die Ukraine. Ich werde aus Polen über den Krakovets-Kontrollpunkt [in der Lviv-Region] reisen und am 10. September in der Ukraine ankommen“, kündigte er am 16. August auf seiner Facebook-Seite an. Den Entzug seiner ukrainischen Staatsbürgerschaft umschreibt Saakaschwili als einen „illegalen Weg, um mich von der politischen Szene in der Ukraine zu vertreiben“. Die ukrainischen Behörden haben ihm damit gedroht, seinen Reisepass zu beschlagnahmen und ihn zu verhaften, falls er tatsächlich einreisen sollte.

Die angekündigte Rückkehr von Saakaschwili dürfte in Kiew und in Moskau erhebliche Nervosität ausgelöst haben. Russland betrachtet Saakaschwili wegen seines Vorgehens in Georgien als Verbrecher.

Die dpa analysiert das Wirken Saakaschwilis in seiner Heimat:

"In der sogenannten Rosenrevolution okkupiert er 2003 das Parlament in der georgischen Hauptstadt Tiflis und modernisiert die Ex-Sowjetrepublik im Eiltempo. Der in den USA ausgebildete Jurist wird Staatspräsident, der Westen, allen voran die EU und die Nato, zeigen sich begeistert von dem dynamischen Politiker. Er lässt Straßen neu bauen, nimmt sich die extrem korrupte Verkehrspolizei zur Brust, befreit Ämter von der grassierenden Vetternwirtschaft. Armut und Arbeitslosigkeit in seinem Land löst er damit jedoch nicht.

Drei Jahre nach seinem Amtsantritt wandelt sich das Bild des einstigen Hoffnungsträgers zu dem eines autokratischen Herrschers. Gegen Regierungskritiker lässt er 2007 Knüppel, Gummigeschosse und Tränengas einsetzen. Viele Georgier werfen Saakaschwili heute vor, dass er durch seine aggressive Politik gegenüber der Atommacht Russland das Land 2008 in einen aussichtslosen Krieg geführt habe. Dabei verliert Georgien die Kontrolle über seine abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien. 2013 gibt Saakaschwili nach zehn Jahren sein Amt auf. Er beteiligte sich daraufhin auch an den Demonstrationen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew gegen den russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch."

Es dürfte Kiew und Moskau daher sehr gelegen gekommen sein, dass die georgische Staatsanwaltschaft unmittelbar nach der Saakaschwili-Ankündigung in der Ukraine einen Antrag auf dessen Auslieferung gestellt hat. Die staatliche russischen Nachrichtenagentur TASS zitiert aus dem Antrag der Staatsanwaltschaft:  "In Bezug auf Michail Saakaschwili steht die Staatsanwaltschaft in Gesprächen mit den zuständigen Behörden in verschiedenen Ländern. Alle notwendigen rechtlichen Verfahren sind im Gange (…) Die georgische Staatsanwaltschaft arbeitet eng mit dem ukrainischen Büro der Staatsanwaltschaft zusammen." Georgiens Justizministerin Thea Tsulukiani hatte am 31. Juli gesagt, dass der Ukraine alle Beweise vorgelegt und das gesetzliche Verfahren in Gang gesetzt wurde. Sollte sich Saakaschwili entscheiden, in die USA zu reisen, werde die georgische Regierung sich mit Washington in Verbindung setzen, um Verhandlungen über seine Auslieferung zu führen.

Die Sorge vor einem möglichen Sturz Poroschenkos dürfte auch in der Ernennung des neuen US-Sonderbeauftragten für die Ukraine, Kurt Volker, begründet sein. Dieser ist ein Hardliner gegen Russland in der Ukraine. Die dpa analysierte: "Der frühere Botschafter bei der Nato gilt als Verfechter einer harten Linie gegen Moskau." Volker sagte unmittelbar nach seiner Ernennung, dass die Ukraine Panzerabwehr-Waffen erhalten solle. Dieser Waffen-Deal solle jedoch nicht gegen Russland gerichtet sein. Allerdings hat die Ukraine erst Anfang Juli ein Gesetz verabschiedet, in dem sich das Land einen Beitritt zur Nato zum Ziel setzt. Ein Nato-Beitritt der Ukraine würde von Russland vermutlich nicht widerspruchslos hingenommen werden.


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