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EU: Unabhängiges Katalonien wird von EZB-Finanzierung abgeschnitten

Lesezeit: 3 min
04.10.2017 01:02
Die EU will Katalonien nicht im Kampf um die Unabhängigkeit unterstützen. Spanien prüft eine Intervention in Katalonien.
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Die EU-Kommission hat laut Bloomberg die Einladung Kataloniens abgelehnt, als Vermittler in dem Konflikt zwischen Katalonien und Spanien tätig zu werden. Vielmehr machte die Kommission deutlich, dass ein unabhängiges Katalonien außerhalb der EU sein würde und sein Finanzsystem von der Finanzierung der EZB abgeschnitten würde. Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos warnte, dass ein Austritt Kataloniens aus Spanien 30 Prozent der katalanischen Wirtschaftsleistung auslöschen könnte.

Der katalanische Vertreter bei der EU, Amadeu Altafaj, sagte am Montag laut EUObserver in Brüssel, dass die EU-Kommission mit ihrer Haltung einen beträchtliche Verlust an Glaubwürdigkeit auslöse. Amadeu Altafaj, der früher selbst für die Kommission gearbeitet hat, sieht die Ursache der ablehnenden Haltung der EU-Kommission in parteipolitischen Abhängigkeiten: Viele Kommissionsentscheider kämen aus dem Umfeld der europäischen Konservativen, denen auch die Regierung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy angehört.

Diese Argumentation scheint nicht ganz aus der Luft gegriffen zu sein: Am Mittwoch wird es eine Parlamentsdebatte im EU-Parlament geben, bei der auf Wunsch der Europäischen Konservativen EPP die spanische Polizeigewalt gegen Demonstranten ausdrücklich nicht diskutiert werden darf.

Die spanische Regierung prüft laut El Pais die Aktivierung von Artikel 155 der spanischen Verfassung: Dieser Artikel sieht eine Intervention Spaniens in Katalonien vor. Mit dem Artikel würde die Autonomie beendet. Allerdings berichtet Bloomberg, dass die spanische Polizei Probleme habe, sich in Katalonien durchzusetzen, weil viele Beamte die Befehle aus Madrid nicht befolgen.

Die Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien nach dem Referendum ist nach den Worten des Chefs der Regionalregierung, Carles Puigdemont, eine Frage von Tagen. Seine Regierung werde "Ende der Woche oder Anfang der nächsten handeln", sagte Puigdemont am Dienstag der BBC. Auf die Frage, was er tun werde, sollte die spanische Regierung intervenieren und die Regierungsgewalt in Katalonien übernehmen, sagte er, dies wäre "ein Fehler, der alles ändert".

Nach Angaben der Regionalregierung stimmten bei dem Referendum am Sonntag 90 Prozent der Wähler für eine Loslösung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,3 Prozent. Die Volksabstimmung war von der Zentralregierung in Madrid und dem Verfassungsgericht für illegal erklärt worden. König Felipe warf der Regionalregierung am Dienstagabend in einer Fernsehansprache vor, demokratische Prinzipien zerschlagen und die katalanische Gesellschaft gespalten zu haben.

Beobachter glauben allerdings nicht, dass es zu einer Eskalation kommen werde. "Es ist zu diesem Zeitpunkt unklar, ob die Regierung wird Artikel 155 verwenden wird", sagte Fernando Simon, ein Professor für Verfassungsrecht an der Universität von Navarra, dem Dienst Bloomberg: "Die Regierung habe zwar alle rechtlichen Argumente auf ihrer Seite, aber es gibt Anzeichen einer Deeskalation, zumindest im Ton, sowohl von der Regierung als auch der katalanischen Verwaltung."

Mit Massenprotesten gegen Polizeigewalt und einem Generalstreik haben am Dienstag zehntausende Menschen das Leben in der nordspanischen Region Katalonien weitgehend lahmgelegt. Am Ausstand beteiligten sich unter anderem Hafenarbeiter, Verkehrsbetriebe, Universitäten und Museen. Beim Fußballklub FC Barcelona fiel das Training aus, auch das Personal der Sagrada Familia, der berühmten Basilika in der Regionalhauptstadt, legte die Arbeit nieder. Schulen und etliche Geschäfte hatten geschlossen.

Der katalanische Präsident Carles Puigdemont zeigte sich überzeugt, dass der Streik sehr breit befolgt werde. Bereits am Morgen blockierten Demonstranten Straßen und wichtige Verkehrsadern. Auf der Autobahn Richtung Frankreich stellten zwei Jugendliche einen Klapptisch auf und spielten Schach. In der Nähe der Plaça de la Universitat hing ein Schild mit der Aufschrift "Wegen Revolution geschlossen". Zu dem Aktionstag hatten dutzende Gewerkschaften und andere Organisationen aufgerufen.

Allein in Barcelona demonstrierten am Nachmittag nach Angaben der Stadtpolizei 300.000 Menschen. Sie riefen "Besatzungskräfte raus!", "Die Straßen werden immer unsere sein", "Adios España" und andere Parolen. Ein Polizeihubschrauber überflog die Menge. Er wurde mit wütenden Pfiffen und Stinkefingern bedacht.

Die U-Bahn der 1,6 Millionen Einwohner-Stadt verkehrte nur äußerst selten, Passagiere mussten keinen Fahrpreis entrichten. Am Flughafen verlief der Betrieb normal, ebenso beim Autobauer Seat.

In ganz Katalonien häuften sich die Proteste gegen die spanische Polizei. Die Gebäude der in Spanien regierenden Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy waren ebenfalls Ziel von Kundgebungen. Viele Teilnehmer sagten, sie seien nicht für Kataloniens Unabhängigkeit, wollten aber gegen das brutale Vorgehen der spanischen Polizei und für das Recht auf freie Meinungsäußerung demonstrieren.

Im 70 Kilometer nördlich von Barcelona gelegenen Pineda de Mar versammelten sich hunderte Demonstranten vor einem Hotel, in dem 200 spanische Polizisten untergebracht waren. Ein Hotelangestellter sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Demonstranten seien in der Nacht zum Dienstag so bedrohlich aufgetreten, dass die katalanische Polizei Mossos d'Esquadra zum Schutz ihrer spanischen Kollegen zwei Straßen in der Umgebung des Hotels abgesperrt habe. Die Hoteldirektion forderte die spanischen Polizeikräfte auf, das Hotel zu verlassen.

In Barcelona gab es laut einem AFP-Reporter in der Nacht eine Menschenansammlung vor einer Garnison der Guardia Civil, der paramilitärischen spanischen Polizei. In anderen katalanischen Städten fanden Kundgebungen vor Kommissariaten statt, wie die spanische Polizeigewerkschaft SUP mitteilte.

Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido warf der katalanischen Regierung "Aufstachelung zur Rebellion in den Straßen" vor. Madrid werde "alle Maßnahmen" ergreifen, um die "Drangsalierungen" zu stoppen.

Die spanische Polizei war am Sonntag mit massiver Gewalt gegen das vom Verfassungsgericht als rechtswidrig eingestufte Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens vorgegangen. Polizisten schlossen Wahllokale, beschlagnahmten Abstimmungsunterlagen und hinderten Menschen mit Schlagstöcken und Gummigeschossen an der Stimmabgabe. Das Fernsehen zeigte Bilder von Polizisten, die Demonstranten an den Haaren zogen, Treppen hinunterwarfen und gegen Feuerwehrleute vorgingen, die Wahllokale schützten.

90 Prozent der Wähler in Katalonien stimmten der Regionalregierung zufolge für die Loslösung der Region vom spanischen Königreich. Die Beteiligung lag bei 42 Prozent.


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