Finanzen

Spanische Regierung plündert Pensionsfonds: Renten-System gefährdet

Das spanische Rentensystem steht kurz vor dem Kollaps. Die Regierung muss die Lücken mit neuen Schulden füllen.
20.11.2017 17:05
Lesezeit: 2 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das spanische Renten-System ist offenbar nur noch wenige Monate vom Zusammenbruch entfernt. Hätte die Regierung in Madrid die sich auftuenden Lücken nicht mit neuen Schulden geschlossen, wären die Rücklagen des Rentensystems bereits im laufenden Jahr komplett aufgebraucht und eine gesellschaftliche Krise die Folge gewesen.

Wie der US-Finanzblogger Wolf Richter auf seinem Blog berichtet, hat sich die Lage in den vergangenen Monaten deutlich verschärft. Die spanische Regierung nimmt seit Jahren Mittel aus dem Rücklagefonds, um Ausgaben an anderer Stelle des Haushalts zu finanzieren. „Alles begann ganz still und leise im Jahr 2012, als die Regierung damit begann, Einlagen aus dem Fonds abzuziehen. Einiges davon wurde verwendet, um Löcher im Staatshaushalt zu schließen, während viele Milliarden dazu verwendet wurden, die sich ausweitenden Defizite im Sozialhilfesystem auszugleichen.“ Als Resultat davon schrumpften die Rücklagen für die Rentner des Landes von etwa 66 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf etwa 15 Milliarden Euro im Jahr 2016.

Das Sozialhilfesystem Spaniens verzeichnete im Jahr 2016 zudem mit etwa 18,1 Milliarden Euro den größten Fehlbetrag seiner Geschichte. Für das laufende Jahr geht die Regierung von einem Defizit von etwa 16,6 Milliarden Euro aus, was in etwa 1,5 Prozent der gesamten spanischen Wirtschaftsleistung entspricht. Auch hierfür dürften wieder Gelder aus dem Rentenfonds verwendet werden.

Schießt die Regierung keine neue Liquidität zu, wird der Rentenfonds im nächsten Jahr ausgetrocknet sein. Dies geschieht offenbar mit Hilfe von Schulden-Moratorien. Richter: „Um einen Kollaps im laufenden Jahr zu verhindern, verlängerte die Regierung ein Darlehen über 10,1 Milliarden Euro für den Rentenfonds, welches diesem ermöglichte, die zwei zusätzlichen Pensionsauszahlungen im Juni und im Dezember zu garantieren. Auf diese Weise müssen im laufenden Jahr nur 7 bis 7,5 Milliarden Euro aus dem Rücklagefonds genommen werden.“

Die Zeitung El Pais berichtet, dass eine substantielle Krise des Rentensystems vor dem Hintergrund der Krise in Katalonien das politische Ende der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy bedeutet hätte, welche ohnehin über kein sonderlich stabiles Fundament verfügt.

Bemerkenswert ist, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank für Spanien sowohl Segen als auch Fluch ist: Das von ihr erst kürzlich verlängerte Anleihen-Kaufprogramm nützt der Madrider Regierung, weil es dazu führt, dass die Renditen für spanische Staatsanleihen an den Märkten gedrückt werden. Der Staat muss also weit weniger Zinsen auf seine Verbindlichkeiten zahlen, als ohne die permanenten Interventionen der EZB der Fall wäre. Er kann demnach „günstige“ Anleihen ausgeben, und mit den Einnahmen die Lücken im Sozialsystem auf begrenzte Zeit schließen.

Problematisch jedoch ist die Politik der Negativzinsen sowie der Null-Leitzinsen der EZB, weil sie dazu führt, dass die spanischen Pensionsfonds und Banken keine ausreichenden Renditen mehr erzielen können und sogar noch Gelder verlieren, wenn sie Kapital bei der spanischen Zentralbank parken. Die Einlagen des Rentenfonds steigen also nicht mehr aus sich heraus, stattdessen wird ständig entnommen.

Dem Blog Wolfstreet zufolge liegen die tiefergehenden Gründe für die Probleme in Spaniens Renten- und Sozialhilfesystem einerseits in der Alterung der Gesellschaft und der damit verbundenen finanziellen Schieflage. Andererseits hätten die von der Troika geforderten Sparmaßnahmen nach Gewährung eines 60-Milliarden-Euro-Kreditpakets für die Banken des Landes dazu geführt, dass das Lohnniveau gesunken und prekäre Arbeitsverhältnisse entstanden seien. Diese hätten zu einer Verringerung der Zuflüsse geführt.

„Trotzdem spricht die spanische Regierung – welche sich hart den Ruf erarbeitet hat, dass sie solange wartet, bis die Probleme nicht mehr in den Griff zu bekommen sind – von Steuersenkungen, nicht Anhebungen. Obwohl jeden Tag mehr Babyboomer in Rente gehen, gibt es keinen Hinweis auf eine Lösung des Problems“, schreibt Richter.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...