Politik

Österreich klagt gegen russisches Atomkraftwerk in Ungarn

Österreich will gegen den Bau eines Atomkraftwerks in Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Russland ist am Bau des Atomkraftwerks maßgeblich beteiligt.
26.01.2018 02:40
Lesezeit: 3 min

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Österreich hat am Mittwoch (24. Januar) beschlossen, die Europäische Kommission zu verklagen, weil sie den Ausbau des Atomkraftwerks Paks in Ungarn erlaubt, berichtet der EU Observer. Der Bau und die Finanzierung von Paks werden von Russland übernommen.

Elisabeth Koestinger, Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus der Republik Österreich, twitterte: „Österreich wird gegen den Einsatz von Kernkraftwerken auf allen Ebenen vorgehen. Deshalb haben wir heute im Ministerrat beschlossen, Paks II auf europäischer Ebene zu verklagen”.

„Es gibt genügend Gründe, eine Klage gegen Paks II einzureichen. Wir sind optimistisch, uns durchzusetzen. Um unser Land und unsere Kinder zu schützen”, fügte sie in einem Tweet hinzu.

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte am Mittwoch: „Wir nehmen es sehr ernst, dass unsere Fälle und Entscheidungen in Frage gestellt werden können. Ich denke, das ist sehr wichtig, weil es Teil der gegenseitigen Kontrolle ist, dass wir unsere Fälle vor Gericht verteidigen müssen. Die Österreicher hatten angekündigt, dass sie die Entscheidung schon sehr früh (...) anfechten würden – also tun sie in dieser Hinsicht, was sie sagten, und wir werden natürlich unsere Entscheidung mit den Argumenten verteidigen, die sich in der Entscheidung befinden.”

Im vergangenen März gab die EU-Kommission ihre endgültige Zustimmung für das Projekt Paks II. Ein früheres Vertragsverletzungsverfahren wurde 2016 mit der Entscheidung abgeschlossen, dass Ungarn die EU-Vorschriften nicht verletzt hat. Darin untersuchte man, ob das Projekt im Einklang mit den Vergabevorschriften der EU steht, da es ohne Ausschreibung eingeleitet wurde.

Das 2014 in Moskau unterzeichnete Projekt sieht vor, dass das russische Staatsunternehmen und seine internationalen Subunternehmer zwei neue Reaktoren bauen.

Der russische Staat hat auch Ungarn Kredite in Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro zur Finanzierung von 80 Prozent des Projekts gewährt.

Österreich selbst hat keine Atomkraftwerke. Im vergangenen Oktober sagte bereits der damalige Premier Christian Kern, dass Österreich die Entscheidung der EU-Kommission zu Paks II anfechten werde.

Österreich leitete 2015 eine ähnliche Klage gegen die EU-Kommission wegen der Genehmigung der britischen staatlichen Beihilfe für das Projekt Hinkley Point C ein.

„EU-Hilfe ist nur dann zulässig, wenn sie auf gemeinsamen Interessen beruht. Für uns ist die Kernenergie weder eine nachhaltige Form der Energieversorgung noch eine Antwort auf den Klimawandel”, zitiert Reuters Koestinger.

Ungarn beharrt auf dem Projekt Paks II. „Wie Sie wissen, hat die österreichische Regierung wegen der Entscheidung der Europäischen Kommission Berufung eingelegt, aber das hat keine Auswirkungen auf den Zeitplan. Alles läuft noch. Die Investition läuft planmäßig”, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto am Mittwoch der Nachrichtenagentur Tass.

Der ungarische Ministerpräsident Orban fliegt am 30. Januar nach Wien, um sich mit seinem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz zu treffen. Nach Ansicht von Analysten geht die Entscheidung der EU-Kommission auf die Überlegung zurück, dass neue Kernkraftwerke ein Ziel von gemeinsamem Interesse in der EU sind. Sie basiert auf dem Euratom-Vertrag.

Im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission sich auf den Euratom-Vertrag berufen, wonach die EU „Investitionen erleichtern” und insbesondere Basisanlagen von Kernkraftwerken, die innerhalb der EU benötigt werden, fördern und sicherstellen soll.

Doch die Entscheidung der EU-Kommission berücksichtigt nicht die Position der Mitgliedstaaten, wie Österreich, Italien, Luxemburg, Portugal und Irland, die der Kernenergie kritisch gegenüber stehen.

Sollte der Europäische Gerichtshof die Entscheidung der Kommission für nichtig erklären, müsste Ungarn das Projekt aufgeben, da der Bau von Atomkraftwerken ohne staatliche Beihilfen nicht möglich ist.

Wenn das Gericht jedoch die Argumente der EU-Kommission unterstützt, könnten EU-Mitgliedstaaten ohne Kernenergie die Gültigkeit des Euratom-Vertrags in Frage stellen.

Greenpeace-EU-Rechtsberaterin Andrea Carta sagte dem EUobserver, dass der Ausgang des Falles noch unklar sei. „Es ist jedoch wichtig, dass selbst der Markt selbst zeigt, dass die Zukunft der Energie in Erneuerbaren Energien liegt und dass Atomkraft damit nicht konkurrieren kann. Regierungen, die Atomkraftwerke subventionieren, um den Übergang zu Erneuerbaren Energien zu verhindern, stoßen auf eine Mauer – genauso wie die Technologie selbst”, so Carta.

Der grüne ungarische EU-Abgeordnete Benedek Javor meint, es sei an der Zeit, den Euratom-Vertrag zu überdenken. „Ist es möglich, einen großen Energieproduktionssektor, die Kernenergie, von einem gemeinsamen Wettbewerbs- oder Vergaberecht, das auf einer 60 Jahre alten und nie wirklich aktualisierten Verordnung basiert, zu befreien? Ohne eine klare negative Antwort auf diese Frage zu geben: Pläne zur Schaffung einer Energieunion oder eines europäischen Energiebinnenmarktes könnten ein Traum bleiben”, meint Javor mit dem Hinweis, dass es nicht nur um einen österreichisch-ungarischen Konflikt gehe.

Es sei nicht wahr, dass ein hoher staatlicher Zuschuss für ein Kernkraftwerk mit einer Kapazität von 2400 MW den Markt nicht verzerre. Der Satz „die Entwicklung der Kernenergie liegt im Gemeinschafts-Interesse” werde falsch ausgelegt. Dieser Satz des Euratom-Vertrags werden herangezogen, um unrentable Kraftwerke, die Elektrizität für den Markt produzieren und aus russischem Geld mit russischer Technologie und russischem Brennstoff gebaut werden, als Gemeinschaftsinteresse einzustufen und zu subventionieren, meint der Grünen-Politiker.

Der ungarische Premier Viktor Orban habe sich zu früh gefreut, als er sich Hilfe aus Österreich versprach. „Sie hofften, volle Unterstützung von der neugewählten österreichischen Regierung zu bekommen, aber sie könnten enttäuscht werden”, so Benedek.

Die österreichische Erklärung zur Einleitung einer Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission bei Paks II müsse nur eine Woche vor dem Besuch von Orban in Österreich als Warnung für die ungarische Regierung verstanden werden.

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