Finanzen

Steuerreform: US-Wirtschaft profitiert, Europa unter Druck

Lesezeit: 6 min
26.01.2018 01:36
Die Steuerreform in den USA wird auch auf Europa Auswirkungen haben. Vor allem die US-Mittelständler profitieren.
Steuerreform: US-Wirtschaft profitiert, Europa unter Druck

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In der Wirtschaftspolitik ist meist vom Sparen die Rede. Tatsächlich wird derzeit Geld ausgegeben wie noch nie. Es ist schon beängstigend, dass Europa, und genauer die Europäische Zentralbank Geld zu Niedrigzinsen für die Staaten produziert und die Regierungen meinen, die Budgets nicht in Ordnung bringen zu müssen. Jetzt machen die USA unter anderen Prämissen ebenfalls eine Politik des Geldausgebens: Nach langen Mühen wurde eine Steuerreform beschlossen, die nach Aussagen der Regierung 1.500 Milliarden Dollar frei setzen wird. Diese Aktion sollte wohl dafür sorgen, dass die US-Bürger bei den Wahlen zur Halbzeit der Legislaturperiode im November den regierenden Republikanern, also Präsident Donald Trump, ihre Stimme geben. Jetzt läuft aber das US-Budget vollends aus dem Ruder.

Die USA pumpen Milliarden in eine voll beschäftigte Wirtschaft

Wenn man von dem billigen Polit-Vorteil bei den Mid-term-elections absieht, erweist sich die US-Steuerpolitik zumindest als problematisch – wenn nicht einfach als falsch. Der Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass mit einer Quote von 4 Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit herrscht. In eine somit voll beschäftigte Wirtschaft Milliarden zu pumpen, fördert nicht das Wachstum, sondern treibt die Preise und in der Folge die Löhne in die Höhe. Derzeit liegt die Inflation bei etwa 2 Prozent, entspricht also einer maßvollen Entwicklung. Die nun drohende Steigerung wäre vermeidbar.

1.500 Milliarden US-Dollar Entlastung müssen in Relation zu den Daten gesehen werden. Das Defizit auf Bundesebene liegt derzeit unter 400 Milliarden im Jahr. Mit einer geringen Steuererhöhung wäre der Abgang zu beseitigen und ein Beitrag zum Abbau der bestehenden Schulden von über 20.000 Milliarden zu leisten, die höher sind als die US-Jahreswirtschaftsleistung von knapp 18.000 Milliarden US-Dollar. Statt mit Hilfe einer moderaten Steuerhöhung für gesunde Staatsfinanzen zu sorgen, muss die nun beschlossene Steuersenkung das Defizit und somit die Schulden explodieren lassen.

Jetzt ist weltweit ein kräftiger Zinsanstieg unvermeidlich

Wenn tatsächlich jährlich 1.500 Milliarden US-Dollar wirksam werden, steigt der Abgang auf knapp 2.000 Milliarden US-Dollar. Dieser Betrag war nicht einmal 2009 und 2010 erforderlich, als die dramatischen Auswirkungen der Finanzkrise 2008 bewältigt werden mussten. Damals lagen die Jahresdefizite bei 1.400 und 1.300 Milliarden US-Dollar und trugen dazu bei, die auf 10 Prozent angestiegene Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Jetzt liegt, wie erwähnt, der vergleichbare Wert bei 4 Prozent.

Die Folgen für die Weltwirtschaft sind beachtlich: Hier entsteht ein zusätzlicher Mittelbedarf, der etwa einem halben Jahres-BIP Deutschlands entspricht. Dass unter diesen Umständen die Dollar-Zinsen, die bereits von der US-Notenbank Fed angehoben wurden, weiter steigen müssen, ist unvermeidlich. Die zehnjährigen US-Staatsanleihen sind schon jetzt mit 2,6 Prozent zu verzinsen. Und im Sog der Staatsfinanzierung steigen alle Sätze.

Zur Orientierung: Die vergleichbaren Papiere in Deutschland bringen gegenwärtig knapp über 0,5 Prozent. Das sind Rahmenbedingungen, die die Anleger in den Dollar treiben und folglich die EZB unter Druck bringen, ebenfalls die Zinsen anzuheben.

Somit ist auch anzunehmen, dass der derzeit eher schwache Dollar – für einen Euro bekommt man 1,22 Dollar –­ steigen wird, wodurch sich eine Belastung für die US-Exporte als weitere Folge der Steuer-Reform ergibt.

Wie lange hält das Glück der US-Konsumenten

Doch zurück in die USA. Die steigenden Preise und die höheren Zinsen werden den US-Konsumenten die Freude an den Steuersenkungen verleiden. Für Trump stellt sich vor allem die Frage: Vor oder nach den November-Wahlen? Und vorerst sieht für die Steuerzahler alles prächtig aus: Man kann den Konsum steigern und die beträchtlichen Schulden bei den Banken und Kreditkartenfirmen abbauen. Großunternehmen haben auch angekündigt, den unverhofften Geldsegen für die Auszahlung von Prämien an die Mitarbeiter und von höheren Dividenden an die Aktionäre zu nutzen.

Der für die meisten US-Amerikaner wichtigste Satz betrifft die Einkommensteile zwischen 19.000 und 77.400 Dollar Jahreseinkommen. Und dieser Satz ist von 15 auf 12 Prozent gesenkt worden. Die Teile zwischen 77.400 und 165.000 werden mit 22 statt früher mit 25 Prozent versteuert. Und auch der Satz für Einkommen-Portionen über 600.000 US-Dollar, also für die Reichen, sinkt von 39,6 Prozent auf 37 Prozent. Generell ist noch ein Pauschalbetrag von 24.000 US-Dollar für Aufwendungen abzuziehen, wobei allerdings im  Gegenzug einige Steuervorteile gestrichen wurden.

Diese aus europäischer Sicht paradiesischen Sätze zeigen noch nicht das ganze Maß der Vorteile Amerikas. Auf Bundesebene gibt es keine Umsatzsteuer, die in Europa in Form der Mehrwertsteuer eingehoben wird. Die US-Staaten haben das Recht, eine Umsatzsteuer einzuheben, das tun aber nicht alle – und wenn, in geringem Ausmaß. Die Mineralölsteuer ist ebenfalls wenig spürbar. Diese wenigen Hinweise zeigen, wie leicht die USA ihr Defizit beseitigen könnten.

Ein genereller Körperschaftsteuersatz von 21 Prozent

Die Unternehmenssteuern liegen zwischen 15 und 35 Prozent bisher, wobei der Satz von 35 entscheidend ist. Nun gilt ein genereller Körperschaftsteuersatz von 21 Prozent. Allerdings wurden einige Korrekturen bei den Abzugsmöglichkeiten vorgenommen. Zum Beispiel: Die Berücksichtigung von Kreditzinsen wurde als steuermindernder Aufwand eingeschränkt und ist in vielen Betrieben nicht mehr möglich. Nachdem die Zinsen steigen, kommt hier eine Zusatzbelastung zustande, die den Steuervorteil korrigiert. Allerdings ist die Abhängigkeit von Krediten bei US-Firmen meist geringer als in Europa. Die Abschreibungen werden in einem Jahr limitiert, können aber in die Folgejahre vorgetragen werden.

Bei den international tätigen Firmen ist man bemüht, im Ausland erwirtschaftete Gewinne, die auch außerhalb der USA geparkt sind, nach Amerika zu bringen: Geschaffen wurden drei Steuersätze. Dividenden von ausländischen Firmen, an denen US-Amerikaner mit maximal 10 Prozent beteiligt sind, bleiben in den USA zur Gänze steuerfrei. Große Reserven, die in die USA gebracht werden, müssten mit dem vollen Steuersatz von jetzt 21 Prozent versteuert werden, unterliegen nur dem halben Körperschaftsteuersatz von 10,5 Prozent. Offenbar macht die Steuerreform die USA zu einem attraktiven Standort für europäische Unternehmen, wie die überaus freundlichen Worte der CEOs großer Konzerne bei einem Abendessen mit US-Präsident Donald Trump bei einem Abendessen in Davos zeigen (Video am Anfang des Artikels).

Für bestimmte Einkünfte aus dem Ausland gilt ein Satz von 13,125 Prozent. In den Unternehmen und in den Steuerberatungskanzleien wird seit dem knapp vor Weihnachten erfolgten Beschluss heftig gerechnet, wobei die letztlich von den Finanzämtern angewendeten Regeln noch nicht völlig klar sind. Auch ändert sich in vielen US-Staaten die lokale Einkommensteuer im Gefolge der Bundes-Reform. Vor allem aber wird gerechnet, ob es nicht doch billiger kommt, Gewinne etwa in Irland oder Luxemburg zu versteuern und dort zu halten. Noch sind die Ergebnisse nicht eindeutig, auch können Übergangsregelungen genutzt werden.

Mittelständische US-Firmen können die Steuer-Reform am besten nutzen

Kein Nachteil ohne Vorteil: Wenn man von den Folgen absieht, so muss doch ein entscheidender, positiver Faktor der US-Steuerreform unterstrichen werden. Die US-amerikanischen, mittelständischen Unternehmen, die in der Summe die Wirtschaft stärker bestimmen als die Großbetriebe, können nun mit einer spürbaren Steuererleichterung rechnen und diese für die Digitalisierung ihrer Unternehmen nutzen. Dieser großen, aktuellen Herausforderung können sich die Firmen viel leichter stellen als in Europa, wo durch die vielen Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge eine mindestens doppelt so hohe Belastung zu bewältigen ist wie in den USA.

Derzeit noch genießen die Unternehmen in Europa die niedrigen Zinsen, wenn auch in bescheidenem Umfang, weil die Regularien, alle voran Basel III in der europäischen Fassung, die Kreditfinanzierung bremsen und das billige Geld vor allem den Staaten zugutekommt.

Die spektakuläre Ausweitung des US-Defizits, die den amerikanischen Mittelbedarf explodieren und die Zinsen in die Höhe treiben muss, kann, wie erwähnt, nicht ohne Folgen für das Zinsniveau in Europa bleiben. Dazu kommen die in Aussicht gestellten Korrekturen, die die EZB voraussichtlich vornehmen wird.

Die EZB will zwar die Zinsen niedrig halten, aber den großzügigen Ankauf von Staatsanleihen drosseln. Wenn dies geschieht, sind die Staaten gezwungen, sich an den Markt zu wenden. Die Anleger werden aber nur kaufen, wenn ihnen eine höhere Verzinsung geboten wird. Somit wird das Zinsniveau steigen und zwar für alle – nicht nur für die Staaten.

Eine bedenkliche Wirkung der Bestimmungen in den EU-Regularien

Auch der Kauf von Unternehmensanleihen durch die EZB soll reduziert werden. Hier wird eine in den Regularien enthaltene Technik wirksam. Die Kreditbremse erfolgt, weil die Ausleihungen an Unternehmen mit enorm viel Kapital unterlegt werden müssen. Finanzierungen an Staaten werden hingegen als risikolos betrachtet und lösen keinen Kapitalbedarf aus. Somit schafft die Übernahme von Staatsanleihen durch die EZB für die Kommerzbanken keinen zusätzlichen Spielraum für die Vergabe von Krediten. Dieser Effekt tritt aber sehr wohl ein, wenn Unternehmensfinanzierungen durch den Kauf von Corporate Bonds übernommen werden. Wird dieser Vorgang reduziert, wird wieder die Kreditbremse stärker wirksam.

Die aktuelle Steuerpolitik der USA ist problematisch. Ähnliche Maßnahmen in Europa sind noch gefährlicher. In den USA können die Auswirkungen letztlich durch eine Anhebung der extrem niedrigen Besteuerung leicht korrigiert werden. In Europa ist dieser Ausweg kaum möglich, da sich die Steuerbelastung im Schnitt bei 50 Prozent bewegt. Somit besteht das Gebot der Stunde in einer Sanierung der Staatshaushalte, um endlich die Unternehmen entlasten zu können, damit diese die aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung und Globalisierung bewältigen können.

Der Schlüssel liegt in der Anhebung des Renteneintrittsalters

Die Staatshaushalte können aber nur nachhaltig entlastet werden, wenn das Renteneintrittsalter angehoben wird und somit die Periode in der die Menschen nichts einzahlen, aber von der Allgemeinheit finanziert werden, kürzer wird. In diesem Bereich haben die USA und Deutschland frühzeitig bremsende Maßnahmen ergriffen, wodurch die Budgets entlastet wurden, aber nun bei vielen Menschen die Altersarmut droht. Viele europäische Staaten kämpfen hingegen mit den Kosten der Pensionen, zu denen im Alter die höheren Aufwendungen für Krankheit, Pflege und Arbeitslosigkeit kommen. Diese sozialpolitisch begründeten Maßnahmen überfordern die Beitragszahler und die Staaten, bremsen die Wirtschaft, die aber durch eine erhöhte Wertschöpfung für die Finanzierung sorgen soll.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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