Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte am Dienstag, durch türkisches Artillerie-Feuer sei ein Konvoi von Kämpfern am Einrücken in die Region Afrin gehindert worden. Diese wird zum größten Teil von der kurdischen YPG-Miliz kontrolliert. Erdogan sprach von "Terroristen", die auf eigene Faust handelten. Dagegen sendete das syrische Staatsfernsehen Bilder von bewaffneten Milizionären mit syrischen Fahnen, die einen Kontrollposten mit dem Zeichen der kurischen Sicherheitskräfte passierten und "Ein Syrien, ein Syrien" skandierten.
Die Türkei hat angekündigt, ihre Soldaten auch gegen syrische Regierungstruppen einzusetzen, falls diese der YPG zur Hilfe kommen. Sie bezeichnet die Miliz als verlängerten Arm der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Seit etwa einem Monat gehen türkische Soldaten gegen die YPG in Syrien selbst vor. Die Armee war dabei ohne die Zustimmung der syrischen Regierung im Nachbarland einmarschiert. Die YPG wandte sich schließlich mit einem Hilfeersuchen an die syrische Regierung.
Erdogan kündigte am Dienstag eine Belagerung der Stadt Afrin in der gleichnamigen Region an. Sie werde in den kommenden Tagen beginnen. Nach Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte er eigentlich erklärt, die Allianz zwischen der YPG und der syrischen Armee sei vom Tisch. Eine Stationierung syrischer Truppen in Afrin sei abgewendet worden. Kurz darauf meldeten syrische Medien jedoch, erste Kämpfer seien nach Afrin unterwegs. Die YPG wurde von den USA im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat unterstützt, was die Beziehung der beiden Nato-Partner belastet.
Türkei
Der türkische Generalstab meldete am Dienstag, dass im Rahmen der „Operation Olivenzweig” im syrischen Afrin 1.715 Mitglieder der Kurden-Milizen und der Terror-Miliz ISIS entweder getötet oder gefangengenommen wurden. Weiterhin soll der türkische Generalstabschef Hulusi Akar zwischen vom 20. bis 21. Februar seinen jordanischen Amtskollegen in Amman besuchen. Über die Hintergründe des Besuchs hat der Generalstab keine Informationen veröffentlicht. Allerdings steht der Besuch im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Dienstag bei einer Rede vor der Parlamentsfraktion der AKP gesagt, dass die türkischen Streitkräfte dazu übergehen würden, die Stadt Afrin zu belagern.
Nach Angaben von Internethaber sollen bisher 32 türkische Soldaten gefallen sein. 143 weitere seien verletzt worden.
Der türkische Oberst a.D. Nejat Özden sagte der Zeitung Sözcü: „Es gibt mehrere Gründe, warum sich die PKK/PYD mit dem Assad-Regime angeblich geeinigt hat. Die türkischen Streitkräfte und die Freie Syrische Armee (FSA) haben bei Afrin 80 Gelände-Punkte, von denen 14 strategisch wichtig sind, eingenommen. Nun ziehen sie sich (die Kurden-Milizen, Anm. d. Red.) auch aus Dschindaras zurück. Das bedeutet, dass Afrin bald fallen wird. Nun versuchen sie (die Kurden-Milizen, Anm. d. Red.) es so darzustellen, dass sie sich mit dem Regime geeinigt haben. Der angebliche Krieg zwischen Assad und der PYD war ohnehin ein Theater. Das Spiel, das wir in Manbidsch gesehen haben, soll nun auch in Afrin gespielt werden. Es sollen Regimekräfte zwischen den Kräften der PYD und der FSA platziert werden, um sie voneinander fernzuhalten. Allerdings kann die Operation Olivenzweig nicht abgebrochen werden, nur weil Regime-Kräfte nach Afrin ziehen wollen. Afrin ist seit 35 Jahren ein Sprungbrett der PKK in die Türkei. Von hier aus wurden zahlreiche Angriffe auf die Türkei gestartet. Der Kopf des kurdischen Korridors in Syrien ist Afrin.”
Der Sicherheits-Analyst Mesut Hakkı Caşın meint: „Es wird darüber gestritten, ob es in Afrin eine Zusammenarbeit zwischen Moskau, der PKK/PYD und dem Assad-Regime gibt. Wenn das syrische Regime sich dazu bereit erklärt, die Terroristen in Afrin zu entwaffnen, um dann aber Schritte gegen die Türkei zu unternehmen, wäre das inakzeptabel. Das würde weder Moskau noch Teheran wollen, weil es das Ende des Astana-Prozesses, aber auch das Ende des Regimes bedeuten würde. In Afrin sind ohnehin die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei statt die Beziehungen zum Assad-Regime wichtig. Wenn aber das Assad-Regime versucht, die Türkei in eine Falle tappen zu lassen, würde dies das endgültige Ende des Regimes nach sich ziehen. Die Operation Olivenzweig wird solange weitergehen, bis Afrin von den Terroristen gesäubert wurde”.
Der türkische Oberst a.D. Ibrahim Keleş führt aus: „Afrin wurde im Jahr 2012 ohne einen Gewehrschuss abzugeben vom Assad-Regime den Terroristen überlassen. Als die Option der aufkam, wonach die die FSA tonangebend sein soll in Afrin, wurden die Pläne von Assad und der PYD vereitelt. Die PYD hatte dort die Aufgabe eines Wächters. Weil wir mit unserer Operation den Einfluss der PYD in Afrin zurückgedrängt haben, kam das Regime ins Spiel. In Manbidsch wurde dieselbe Taktik verfolgt. Als die Türkei nach Al-Bab nach Manbidsch ziehen wollten, hatten Regimekräfte sich territorial dazwischen gedrängt, um eine Pufferzone zu schaffen. Die Regime-Kräfte agierten als Schutzschild für die PKK/PYD in Manbidsch. Das ist dieselbe Taktik. Ich denke nicht, dass die Türkei das diesmal hinnehmen wird.”
Allerdings sagte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Dienstag, dass die Nachrichten über einen Einmarsch der syrischen Armee (SAA) in Afrin nicht der Wahrheit entsprechen würden. Einige staatliche syrische Medien hätten das zwar angekündigt. Doch die Regierung in Damaskus hätte dem widersprochen, zitiert die Zeitung Aydınlık dem Außenminister. Die syrischen Medien werden von der politischen und medialen Chefberaterin Assad, Bouthaina Shaaban, kontrolliert.
Im Aserbaidschan haben 70 NGOs unter dem Motto „Unsere Bruderschaft geht bis in alle Ewigkeit” dazu aufgerufen, die türkische Operation in Afrin zu unterstützen. Der türkische Botschafter in Baku, Erkan Özoral, sagte der Nachrichtenagentur Anadolu: „Seit Beginn der Operation haben uns massenweise Schreiben aus allen Regionen erreicht, um unsere Operation zu unterstützen. Die Kraft der Türkei ist die Kraft Aserbaidschans und andersherum. Ich möchte mich beim aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und beim Volk von Aserbaidschan bedanken”. Zu Beginn der Operation hatte die Regierung in Baku ihre Unterstützung für die Operation in Afrin kundgetan.
Kurden-Milizen
Die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF mit Hauptsitz in den Niederlanden hat ein Interview mit dem PKK-Kommandeur Murat Karayılan veröffentlicht. Karayılan sagt im Interview, dass die türkische Operation „Olivenzweig” eine „Verschwörung”. Welche Länder an dieser „Verschwörung” teilnehmen lässt er offen. „Der türkische Staat setzt ein neues Verschwörungskonzept um. Dieses Konzept soll die internationale Verschwörung gegen die Kurden erneuern”, meint er. Die Türkei versuche ihre Niederlage in Afrin durch eine gezielte Propagandakampagne zu verstecken. Doch die türkischen Streitkräfte seien in Afrin gescheitert.
ANF zufolge sollen Kurden-Milizen im Dorf Dersiwane im Norden von Afrin am Dienstag 20 türkische Soldaten und Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) getötet haben. Weiterhin sollen die Kurden-Milizen einen Panzer zerstört haben.
Die PKK-nahe Zeitung Yeni Özgür Politika mit Hauptsitz in Deutschland führt auf seiner Online-Webseite aus, dass der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul-Gheit, die Türkei auf der Münchener Sicherheitskonferenz wegen ihrer Operation in Afrin scharf kritisiert habe. Aboul-Gheit soll zum türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu gesagt haben: „Sie müssen wissen, dass sie an ihrer südlichen Grenze gegen ein arabisches Land intervenieren”. Das Blatt zitiert auch die Chefberaterin des syrischen Präsidenten, Bouthaina Shaaban: „Die Türkei tritt als Besatzungsmacht auf und verstößt gegen die Vereinbarung von Astana. Ankara nutzt die Vereinbarungen, um einen Deckmantel für seine Angriffe zu schaffen. Dies verstößt gegen die Bestrebungen Russlands, wonach die territoriale Integrität Syriens bewahrt werden soll.”
Freie Syrische Armee (FSA)
RFS Media, die Nachrichtenagentur der FSA, meldet in einer Mitteilung, dass die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den Kurden-Milizen dominiert und von den USA unterstützt werden, am Dienstag das Dorf Sijaraz in der Nähe von Afrin mit Artilleriefeuer angegriffen haben sollen. Dabei soll eine Frau ums Leben gekommen sein. Zwei weitere Personen seien verletzt worden.
Die russische Luftwaffe soll seit Montag Luftschläge in Ost-Ghouta in der Nähe von Damaskus ausführen. Dabei seien bisher 45 Menschen getötet worden (Stand: 20.Februar 2017), so RFS Media. Weiterhin soll die russische Luftwaffe damit fortfahren, Luftschläge auf Habeet im Süden von Idlib auszuführen.
Die FSA soll am Dienstag in der Region Afrin die Dörfer Merouan, Marwanhe und Scharkanli, einschließlich der umliegenden Hügel, von den Kurden-Milizen eingenommen haben.
Syrien
Der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA zufolge wurden am Dienstag fünf Zivilisten in Ost-Ghouta getötet. 20 weitere Zivilisten sollen verletzt worden sein. Zuvor sollen „bewaffnete Gruppen” Ost-Ghouta beschossen haben. Eine Quelle der Polizei von Damaskus teilte SANA mit, dass eine Reihe von Raketen- und Mörsergranaten, die von „bewaffneten Gruppen” abgefeuert wurden, in der Nähe von al-Tahrir, dem Umawyeen-Platz und dem al-Abbashin-Gebiet einschlugen. Die Einschläge sollen auch die Ernte im Jaramana-Gebiet beschädigt haben.
Nach einer weiteren Meldung von SANA soll die US-Luftwaffe bei einem Angriff auf das Dorf Al-Bahra in der östlichen Landschaft von Deir Ezzor 16 Zivilisten, darunter neun Frauen, getötet haben.