Politik

EU spielt bei Brexit-Verhandlungen auf Zeit

Die EU spielt bei den Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien auf Zeit. Ihr Ziel ist es, den Einfluss auf den Finanz- und Bankensektor des Austrittsstaates nicht zu verlieren.
07.03.2018 00:22
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bei den Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien über ein Freihandelsabkommen nach dem Austritt will sich die EU weiterhin bewusst wage halten, berichtet der US-amerikanische Nachrichtensender Bloomberg unter Berufung auf EU-Informationen. So plant Brüssel, die endgültige Vertragsfassung über ein mögliches Handelsabkommen zunächst bis zum Austritt Großbritanniens sehr allgemein zu halten. Details sollen erst nach dem Brexit festgelegt werden, wenn sich die Verhandlungsposition Großbritanniens geschwächt hat.

Im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommen strebt Großbritannien an, eine ähnliche Handelsstellung einzunehmen wie Kanada im Ceta-Abkommen mit der EU. So beabsichtigt es seine bestehenden Handelsbeziehungen mit den EU-Staaten aufrechtzuerhalten, seine Mitgliedschaft im Binnenmarkt und der Zollunion jedoch aufzugeben.

Die EU strebt an, so lange wie möglich regelnden Einfluss auf die Handelspolitik Großbritanniens nehmen zu können. Kernpunkt des Abkommens ist die Ausgestaltung der künftigen Finanzhandels und die Einigung über die von der EU angestrebten Pass-Regelung. Diese erlaubt es Banken und Finanzdienstleistern, die in einem anderen Mitgliedsstaat zugelassen sind, mit geringen zusätzlichen Genehmigungsanforderungen in anderen Ländern frei zu handeln. Eine solche Regel lehnt die britische Premierministerin Theresa May ab. In einer Grundsatzrede zum Brexit sagte May am vergangenen Freitag, die britische Finanzwelt könne sich nicht Vorgaben unterwerfen, die andernorts formuliert würden und auf die Großbritannien keinen Einfluss habe. Auch dürfe sich ihr Land nicht zu einem passiven Umsetzer von EU-Regeln entwickeln.

Um die EU zu verlassen, ist Großbritannien verpflichtet, Zahlungen für Pensionen und Beihilfen in Milliardenhöhe an die EU zu leisten. Bislang sind die genauen Ausgestaltungen der Austrittsmodalitäten jedoch noch nicht abschließend verhandelt. Strittig ist die Höhe der Austrittszahlungen. Laut Informationen der Tageszeitung Die Welt belaufen sie sich auf rund 60 Milliarden Euro.

Hat Großbritannien diese Zahlungen geleistet, könnte seine weitere Verhandlungsposition zum Freihandelsabkommen schwächer sein, als vor dem Ausstieg. Wie der US-amerikanische Nachrichtensender Bloomberg aus EU-Kreisen erfahren hat, wird auf den Eintritt dieses Szenario in Brüssel gewartet, bevor Details des Handelsabkommens festgelegt werden.

Doch nicht alle Mitgliedsstaaten scheinen mit dem Brüsseler-Vorgehen einverstanden zu sein. So plädieren einige der 27 EU-Staaten dafür, das Handelsabkommen zumindest in den Punkten detaillierter auszugestalten, in denen Übereinstimmung herrsche. Auf diese Weise könne Großbritannien nicht nur als künftiger Partner gewonnen, sondern man auch bei den Briten das Vertrauen in ein Handelsabkommen mit der EU gestärkt werden.

Warnungen anderer Art kommen hingegen von Michel Barnier., Chefunterhändler des Brexit. Gegenüber Bloomberg sagte er, im Hinblick auf die Nachteile, die Kanada im Handel mitunter erleide, sei ein Freihandelsabkommen in Anlehung an Ceta für Großbritannien nicht von Vorteil. Aufgrund des Ceta-Abkommens erhalten kanadische Banken und Finanzdienstleister nicht automatisch Zugang zum Europäischen Markt. Vielmehr können die EU-Mitgliedsstaaten selbst entscheiden, welche Dienste universell an Wettbewerber aus Kanada vergeben werden sollen.

Ab Mitte März wollen die EU und Großbritannien über die künftigen wirtschaftlichen Beziehungen beraten. Ergebnisse und und ein entsprechender Vertragsentwurf über ein Handelsabkommen sollen im Juni vorgestellt werden. Laut Aussage von Premierministerin May strebt Großbritannien auch künftig mit der EU stabile Beziehungen an und will sich an EU-Wettbewerbsregeln und Beihilfereglungen halten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...