Die syrische Regierung kommt ihrem Ziel näher, den letzten Widerstand der Söldner im Gebiet von Ost-Ghouta zu brechen. Aus der Stadt Duma strömen Reuters zufolge Tausende Zivilisten in die von der Armee kontrollierten Gebiete. In der weiter südlich gelegenen Stadt Harasta zogen Hunderte Kämpfer der islamistischen Söldnergruppe Ahrar al-Scham in Bussen ab. Sie hatten am Vortag die Aufgabe der Stadt gegen freies Geleit in das Gebiet Idlib ausgehandelt. Ingesamt sollen 1500 Kämpfer mit 6000 Familienangehörigen die Stadt verlassen.
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums sind am Donnerstag mehr als 5000 Menschen aus Duma geflohen, der bevölkerungsreichsten Stadt im Gebiet von Ost-Ghouta. Auf der Internetseite des Ministeriums waren Bilder einer Webkamera zu sehen, die Liveaufnahmen von Al-Wafidin zeigen sollen, dem Übergang von Duma in das Regierungsgebiet. Dort war zu sehen, wie innerhalb weniger Minuten Dutzende Menschen auf einer schmutzigen Straße entlanglaufen. Einige schleppten ihre Habseligkeiten, andere trugen Kinder oder schoben Karren.
Die Extremistengruppe Dschaish al-Islam in Duma erklärte, sie sei entschlossen weiterzukämpfen, obwohl die syrische Armee mit Unterstützung Russlands bereits 70 Prozent von Ost-Ghouta eingenommen hat. Das Gebiet östlich der Hauptstadt Damaskus umfasst mehrere Städte und Ackerland. Die Extremisten beschossen von dort aus die Hauptstadt. Der Kampf um dieses Gebiet entwickelte sich zu den heftigsten Schlachten des seit sieben Jahren dauernden Bürgerkrieges. Mehr als 1500 Menschen starben im Hagel von Bomben, Granaten und Raketen.
Nach Einruch der Dunkelheit verließen 30 Busse mit rund 1600 Rebellen und ihren Familienangehörigen Harasta. Auftakt der Evakuierungsaktion bildete ein Gefangenaustausch. Die Aufständischen hätten 13 Soldaten übergeben und die Armee fünf Rebellen, teilte die an der Seite der syrischen Armee kämpfende Hisbolla-Miliz mit.
Mit der Kapitulation der Ahrar al-Scham in Harasta bleiben noch Duma und eine Enklave mit den Städten Dschobar, Ein Terma, Arbin and Samalka in Ost-Ghouta unter Kontrolle von Söldner-Truppen. Ein Armeeoffizier forderte sie im staatlichen Fernsehen ebenfalls zur Kapitulation auf. "Wenn ihr nicht kapituliert, wird euch der Tod ereilen", drohte er.
Im Norden Syriens drohte die Türkei damit, die Kurdenmiliz YPG weiter zurückzudrängen, falls man sich nicht mit den USA über eine Vertreibung der YPG aus der Region Manbidsch einig werde. "Wenn der Plan nicht verwirklicht wird, bleibt nur noch die Möglichkeit, die Terroristen zu vertreiben", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Die Türkei bekämpft in Syrien die YPG, die sie als "Terroristen" und Verbündete der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK betrachtet.
Nach Angaben von türkischen Sicherheitskreisen haben die türkischen Streitkräfte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag damit begonnen, eine Operation auf die syrische Stadt Tall Rifaat vorzubereiten, berichtet die Zeitung Karar. Zuvor sollen russische Militärs, die in Tall Rifaat stationiert wurden, abgezogen sein. Die türkischen Streitkräfte und die kurdischen und arabischen Verbände der Freien Syrischen Armee (FSA) seien entschlossen, Tall Rifaat von den Kurden-Milizen einzunehmen. Die russischen Truppen, die in Tall Rifaat stationiert gewesen sind, waren zuvor in Afrin stationiert. Russland hält seit Beginn der Operation „Olivenzweig” den syrischen Luftraum für türkische Kampfjets offen.
Der Chef des russischen Generalstabs, Waleri Gerasimov und der Vorsitzende des US-Generalstabschefs Joseph Dunford sprachen am Telefon über Syrien und vereinbarten weitere Kontakte, teilte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch laut TASS mit. Sie "diskutierten Fragen über die Situation in der Arabischen Republik Syrien zusammen mit anderen dringenden Fragen von beiderseitigem Interesse."
Vom türkischen Generalstab wurde noch kein Befehl zum Einmarsch in Tall Rifaat erteilt. Der türkische Sicherheitsanalyst Abdullah Ağar nannte der Zeitung Yeni Akit die Gründe für die Zurückhaltung der türkischen Streitkräfte: „In der dortigen Region finden aktuell Verhandlungen statt. Es gibt Landstriche, die nicht bombardiert werden dürfen. Der türkische Generalstab erlaubt nicht, dass jene Landstriche bombardiert werden. Dieses Gebiet ist mittlerweile sehr sensibel geworden, da sich dort Truppen des Regimes und schiitische Milizen befinden. Auf der anderen Seite rüstet sich dort die PKK auf und auch die Russen haben einige Kontrollpunkte. Hinzu kommt, dass auch die Mitglieder der FSA ernstzunehmende Sorgen in Bezug auf einige Landstriche (in Tall Rifaat, Anm. d. Red.) haben. Während Afrin der Stabilisierung dient, ist dieses Gebiet hochriskant.”
Die syrische Medienorganisation Enab Baladi mit Hauptsitz in Darayya berichtet, dass in den vergangenen Tagen pro-syrische Truppen in die Stadt Tall Rifaat verlegt wurden, um eine bevorstehende Offensive der FSA abzuwehren. Die Verlegung von Dutzenden von pro-syrischen Milizen soll am 20. März 2018 begonnen haben. Nach Informationen von Aleppo 24 wurden die pro-syrischen Milizen in Kafar Nubl und Zahraa stationiert.
Der syrische Hauptmann Anas Haji Yahya sagte der Organisation, dass „Vorkehrungen” getroffen werden. „Aber wir können keine militärischen Maßnahmen ergreifen, wenn die Anweisungen nicht kommen”, so Yahya.
Am Donnerstag haben die türkischen Streitkräfte und die FSA bereits das Dorf Brad eingenommen. Brad befindet sich im Westen von Tall Rifaat, so die Nachrichtenagentur Ihlas. Im Südwesten von Afrin wurde das Al Ahlam-Gebirge eingenommen, berichtet die Hürriyet.
Der Guardian berichtet, dass die Operation „Olivenzweig” unter Beweis stelle, dass die FSA von der Türkei systematisch zu einer schlagkräftigen Truppe ausgebaut und trainiert wurde. „Ihr schneller Sieg im Kampf gegen einen von den USA ausgebildeten und bewaffneten Gegner, der ISIS aus weiten Territorien vertrieben hatte, unterstreicht die wachsende Macht einer Rebellenarmee im Norden Syriens – bewaffnet und bezahlt von der Türkei”. Die Söldner-Armee bestehe aus drei Legionen und kontrolliere einen wachsenden Teil des Territoriums im Norden Syriens. Die FSA unter türkischer Kontrolle umfasse etwa 20.000 Söldner. „Das Hauptziel ist es, eine Armee für die Opposition zu bauen, und wir haben einen Nukleus geschaffen. Das Regime trifft keine eigenen Entscheidungen, es ist im Grunde eine militärische Fraktion wie alle Rebellen (...). Wenn die internationalen Mächte zustimmen, wird [der Krieg in Syrien] vorbei sein, und wenn das passiert, wird die Zeit allen helfen, zu vergessen”, so ein anonymer Kommandeur der FSA.