Finanzen

Europa verliert den Kampf gegen die Geldwäsche

Europa verliert durch fehlende Kommunikation den Kampf gegen die organisierte Kriminalität.
08.04.2018 17:19
Lesezeit: 3 min

Rund 400 professionelle Geldwäscher verursachen in Europa laut einer aktuellen Europol-Auswertung finanzielle Verluste in Milliardenhöhe, berichtet Politico. In 99 Prozent der Fälle bleibt die Geldwäsche von den Strafverfolgungs- und Finanzbehörden unentdeckt. Ursächlich dafür sind fehlende Absprachen zwischen den einzelnen europäischen Staaten, ist Europol-Chef Rob Wainwright überzeugt. Im internationalen Kampf gegen Geldwäscher arbeite jeder Staat für sich. Großbritanniens ist bislang Hauptakteur bei Europol. Nach dem Brexit könnten der EU wichtige Daten über illegale Finanztransaktionen verloren gehen.

Laut Europol werden zwischen 0,7 und 1,2 Prozent, rund 29 Milliarden Euro, des jährlichen Bruttoinlandsproduktes der EU als verdächtige finanzielle Aktivitäten eingestuft. Im vergangenen Jahr wurden den nationalen Behörden zum Kampf gegen Geldwäsche, den Financial Intelligence Units (FIU), rund eine Million Fälle von Banken gemeldet. Hierbei handelte es sich um Finanztransaktionen bei denen Bankmitarbeiter den Verdacht hatten, dass Geld aus illegalen Geschäften getauscht oder zur Unterstützung von terroristischen Vereinigungen benutzt werden sollte. Über 65 Prozent der Fälle wurden in zwei Staaten gemeldet: Großbritannien und den Niederlanden.

In der EU hat jeder Mitgliedsstaat seine eigene FIU. Dessen Aufgabe ist es, im Auftrag von Staatsanwaltschaften illegale Finanztransaktionen aufzuspüren. Eine Koordinierung durch eine übergeordnete Behörde auf EU-Ebene gibt es nicht. Nach Ansicht von Wainwright sind die fehlenden interstaatlichen Absprachen der Grund, warum die Aufklärungsrate seit Jahren stagniert. „Die Banken geben jedes Jahr 16 Milliarden Euro aus, um ihre Compliance-Regeln in der Verhinderung illegaler Finanzgeschäfte zu verbessern und wir spüren gerade einmal ein Prozent der kriminellen Vermögenswerte auf“, so Wainwright.

Eines der Grundprinzipien der EU ist es, allen Mitgliedsstaaten die Hoheit über Finanzsouveränität zu garantieren. Seit dem vergangenen Jahr gibt es in Frankreich Bestrebungen, im Rahmen einer EU-Reform auch den Finanzsektor zu vereinheitlichen. Im März stellte Staatspräsident Emmanuel Macron gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Reformpläne vor und sprach sich für eine Schaffung eines europäischen Finanzministers aus. Im Juni wollen sie konkrete Reformpläne vorlegen. In der EU wird das Ansinnen Macrons bislang mehrheitlich abgelehnt.

Zu einem Zentrum für internationale Geldwäscher könnte sich jedoch Großbritannien nach dem Austritt aus der EU entwickeln. Bislang ist das Land mit der Entsendung von 61 Mitarbeitern neben Deutschland (63 Mitarbeiter), Spanien (72 Mitarbeiter) und den Niederlanden (251 Mitarbeiter) Hauptunterstützer der Behörde. Führende Positionen werden durch britische Polizisten besetzt, Wainwright war vor seiner Ernennung zum Europol-Direktor für den Inlandsgeheimdienst MI5 tätig und arbeitete für den National Criminal Intelligence Service. Dort war er neben der Leitung internationaler Operationen mit der Erarbeitung einer britischen Strategie gegen illegale Einwanderung beauftragt. Laut Wainwright ist Großbritannien der größte Lieferant von Geheimdienstinformationen für Europol.

Großbritanniens Stellung in der EU nach dem Brexit ist unklar. Im März hatte Premierministerin Theresa May gesagt, dass Großbritannien nach dem Brexit im gemeinsamen Interesse mit der EU eine Partnerschaft in Sicherheitsfragen eingehen wolle. Gleichzeitig hatte sie betont, dass das Land sich jedoch künftig keinen EU-Regeln unterwerfen wolle, auf welche es keinen Einfluss habe. Großbritannien strebt nach dem Brexit eine Handelspartnerschaft mit der EU an, die Zoll- und Warenfreiheit garantiert. Die EU hält sich bislang in Fragen einer möglichen Handelspartnerschaft und einer Ausweitung der Verhandlungen auf eine gemeinsame Sicherheitspolitik bedeckt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellte nach Mays Rede jedoch klar, dass die Lösung der europäischen Sicherheitsthematik nicht mit anderen Fragen des Brexits vermischt werden.

Großbritannien beansprucht auch künftig, auf die Europol-Datenbanken zugreifen zu können. So will es weiterhin konkrete Informationen zu Inhabern britischer Bankkonten erhalten und seinen Finanzplatz stärken. Nach Ansicht Wainwrights könnte dieser Anspruch jedoch dazu führen, dass auch andere Drittstaaten wie die USA oder Russland ebenso Zugang zu den Europol-Datenbanken beanspruchten.

Europol ist nach dem Vertrag von Lissabon nach einer Änderung der Rechtsgrundlagen im Jahr 2009 vergemeinschaftet. Seit dem 1. Mai 2017 wurde der Kreis der berechtigten Datenbanknutzer auf untergeordnete nationale Behörden vergrößert. Bis dahin konnten ausschließlich Sicherheitsdienste und führende Polizeibehörden auf Europol-Daten zugreifen. Einzelne Behörden, unter anderem das deutsche BKA und Finanzstrafbehörden, haben seit dem vergangenen Jahr uneingeschränkten Datenzugang.

Aus EU-Kreisen wird sich hingegen dafür ausgesprochen, Großbritannien eine Stellung ähnlich der Dänemarks anzubieten. Im Jahr 2016 hatte sich das Land nach einem Volksreferendum mit Wirkung zum 1. Mai 2017 aus dem justiziellen EU-Geschehen zurückgezogen. Seitdem bearbeiten acht dänische Beamte in Den Haag die Anfragen dänischer Sicherheitsdienste.

Dänemark ist seit 1973 Mitglied der Europäischen Union, in seiner Europol-Stellung wurde es zum Drittstaat mit Sonderrechten herabgestuft. Diese geben Dänemark die Möglichkeit, unter anderem aus einzelnen Maßnahmen der europäischen Justiz und Währungspolitik auszusteigen.

Durch die Entsendung von Beamten in die Europol-Zentrale in Den Haag kann Dänemark nicht direkt auf die dortigen Informationssysteme zugreifen, jedoch im Einzelfall Daten abfragen. Zudem erhalten die dänischen Kriminalämter Informationen über grenzüberschreitende Ermittlungen, wenn diese ihr Land betreffen.

Im vergangenen Jahr erhielt Europol über 500.000 Anfragen europäischer Sicherheits- und Geheimdienste. Nur wenige Tausend kamen aus Dänemark, rund 250.000 aus Großbritannien.

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