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USA wollen Krieg in Syrien nicht verloren geben

Lesezeit: 7 min
02.05.2018 23:11
Im Osten Syriens haben die USA und die Kurden-Milizen eine Großoffensive gestartet. Das US-Außenministerium bestätigt, dass sich die Kämpfe nicht nur gegen den IS richten.
USA wollen Krieg in Syrien nicht verloren geben

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Die Anti-ISIS-Koalition plant, unter der Führung der USA gemeinsam mit den „Syrischen Demokratischen Kräften” (SDF) ihre Operationen im Osten Syriens auszuweiten. Die SDF wird von Kurden-Milizen unterstützt. Das Pentagon meldet in einer Mitteilung: „Die Koalition bekräftigt ihre Unterstützung und ihr Vertrauen in die Syrischen Demokratischen Kräfte, wenn sie ihre Operationen beginnen, um ISIS endgültig im Irak und in Nordosten Syriens zu besiegen.”

„ISIS hat eine bedeutende Präsenz in der Nähe der irakischen Grenze. Von dort aus versucht ISIS, einen sicheren Hafen zu halten, um Angriffe auf der ganzen Welt zu planen und sein Territorium in Syrien und im Irak zu erweitern”, zitiert das Pentagon Leilwa Abdullah, Sprecher der Kampagne Al-Jazeera-Storm. „In den kommenden Wochen werden unsere heldenhaften Kräfte diese Gebiete befreien, die irakisch-syrische Grenze sichern und die Präsenz von ISIS in Ostsyrien ein für allemal beenden”, so der Sprecher.

Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, sagte in einer Mitteilung:

„Die USA, die Globale Koalition und lokale Partner, einschließlich der Syrischen Demokratischen Kräfte, starten Operationen zur Befreiung der letzten ISIS-Hochburgen in Syrien. Der Kampf wird schwierig sein, aber wir und unsere Partner werden sich durchsetzen. Wir werden die USA, die Koalition und die partnerschaftlichen Kräfte verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Die Tage, in denen ISIS das Territorium kontrolliert und die Menschen in Syrien terrorisiert, gehen zu Ende. Wir werden mit unserem NATO-Verbündeten Türkei und unseren Partnern Israel, Jordanien, Irak und Libanon zusammenarbeiten, um die Grenzen ihrer Länder vor ISIS zu sichern (...).

Wie der Präsident bei seinen Bemerkungen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sagte, werden wir sicherstellen, dass es in Syrien eine starke und dauerhafte Präsenz gibt, sodass ISIS nicht zurückkehren kann und die von ISIS befreiten Bevölkerungsgruppen vom Assad-Regime oder seinen iranischen Unterstützern nicht ausgebeutet werden. Die USA haben sich verpflichtet, eine künftige politische Lösung zu gewährleisten, die den Willen aller Syrer, einschließlich sunnitischer Araber, Kurden, Christen, Turkmenen und anderer Minderheiten, würdigt.”

Nauerts Mitteilung zufolge richtet sich die aktuelle Operation nicht nur gegen den IS oder seine mögliche „Rückkehr”, sondern auch gegen den Einfluss der syrischen Regierung und des Irans im Osten und Nordosten Syriens, wo sich der Großteil der Öl-Reserven des Landes befindet. Damit wird deutlich, dass die USA der Syrischen Armee nicht gestatten werden, den Osten Syriens zurückzuerobern. Bisher hatte US-Präsident Donald Trump stets gesagt, die militärischen Aktionen der Amerikaner und ihrer Verbündeten würden sich ausschließlich gegen den IS richten.

Schlag gegen Syrien

Die türkische Online-Zeitung sonhaberler.com weist darauf hin, dass im Osten Syriens ein Öl-Krieg tobt – insbesondere in der Provinz Deir Ezzor. Vor Ankündigung der US-Operation zur „Befreiung” aller Gebiete im Osten Syriens hatte die syrische Armee (SAA) versucht, weiter nach Deir Ezzor vorzustoßen. Doch die Offensive wurde von den SDF und den US-Truppen vereitelt.

Die Online-Zeitung Haber 20 führt aus, dass die USA die Kurden-Milizen im Osten Syriens bei ihrer aktuellen Kampagne gegen ISIS („Al-Jazeera-Storm“) unterstützen würden, um den Osten Syriens unter ihre Kontrolle zu bringen. In einer Karte stellt der Sender dar, dass die Kurden-Milizen sich aus dem Norden Syriens in Richtung Osten und Südosten bewegen würden, um ISIS zu besiegen. Sie würden ISIS-Ziele in Abu-Kamal an der irakisch-syrischen Grenze, Hajin und Schaddadi angreifen.

Haber 20 berichtet, dass die Kurden-Milizen aus dem Norden Syriens nur deshalb in den Südosten und Osten Syriens verlegt werden konnten, weil es zuvor eine Vereinbarung zwischen der Türkei und den USA gegeben habe. Denn zuvor hatte die Türkei damit gedroht, Manbidsch im Norden Syriens zu erobern. Doch von dem Plan hat sich die türkische Regierung mittlerweile distanziert. „Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, der US-Außenminister Mike Pompeo in Brüssel getroffen hatte, sagte: ,In Manbidsch werden wir gemeinsam mit den USA vorgehen’.”

Die USA und die Kurden-Milizen werden nach einer erfolgreichen Operation im Osten Syriens die Kontrolle über die gesamte syrisch-irakische Grenze übernehmen, was einen schweren Schlag gegen die Pläne des Irans nach sich ziehen würde, einen Landkorridor über den Irak und Syrien zu schaffen.

Schlag gegen den Iran

Seit dem Frühjahr 2017 gibt es Hinweise auf iranische Pläne, wonach ein Landkorridor über den Irak und Syrien bis ans Mittelmeer errichtet werden soll. Dieser Korridor soll dem Transport von Streitkräften und Waffen aus dem Iran über den Irak nach Syrien und in den Libanon dienen, sodass israelische Institute for National Security Studies (INSS). Den Plänen zufolge soll der Korridor von der iranischen Revolutionsgarde und den schiitischen Milizen in der Region stammen. Aus iranischer Sicht hätte ein derartiger Korridor einen logistischen Vorteil, da er den Luftverkehr zwischen dem Iran und Syrien weitgehend ersetzen könnte.

Das INSS wörtlich: „Die Nutzung des Korridors ist wahrscheinlich vor allem für die Truppenbewegungen nach Syrien gedacht, um das Assad-Regime weiter zu stabilisieren. Zu einem späteren Zeitpunkt oder parallel dazu kann der Korridor die Fähigkeiten der Hisbollah gegen Israel stärken – und vielleicht auch anderer schiitischer Milizen, die derzeit in Syrien stationiert sind.”

US-Verteidigungsminister James Mattis sagte im Januar 2018, dass es dem Iran bisher noch nicht gelungen sei, einen Landkorridor durch Syrien zum Mittelmeer zu bauen, und dass zu diesem Zeitpunkt ein solcher Korridor auch nicht existiere. Nach Angaben von Mattis verzögerte sich der Bau der Strecke durch die andauernden Kämpfe gegen die Überreste der Terror-Miliz ISIS und anderer Kräfte, die sich noch in der Gegend befänden. INSS argumentiert, dass der Korridor bisher nicht in vollem Umfang genutzt wurde, da Teheran US-amerikanische und israelische Angriffe auf iranische Konvois befürchtete. Somit erfolgten die iranischen Waffenlieferungen an Syrien und verbündeter Milizen hauptsächlich über den Luftverkehr.

Am 20. Januar 2018 verkündete US-Außenminister Rex Tillerson, dass eines der Ziele der USA im Nahen Osten darin besteht, den „iranischen Traum” zu zerstören, sich frei vom Iran zum Mittelmeer zu bewegen. Zu diesem Zweck werden die USA ihre militärische Präsenz in Syrien für einen Zeitraum von unbekannter Dauer aufrechterhalten, wobei sie sich darauf konzentrieren, die Rückkehr von ISIS in das Gebiet zu verhindern und den iranischen Einfluss in Syrien zu blockieren.

Das INSS führt aus: „Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Ankündigung der USA die Iraner beunruhigen dürfte, ihre militärische Präsenz ohne definiertes Enddatum beizubehalten. Es wird ihre (die iranischen, Anm. d. Red.) langfristigen Bemühungen behindern, eine beträchtliche schiitische Militärpräsenz in Syrien, einschließlich der Hisbollah, mit Hilfe begrenzter iranischer Streitkräfte aufzubauen. Insbesondere die Iraner sollten sich über die Erklärung der US-Regierung Sorgen machen, dass ihre militärische Präsenz – obwohl sie kleiner ist als die iranische Präsenz – ausdrücklich darauf abzielt, den Einfluss Irans in Syrien zu begrenzen. Sie sollten auch über die Absicht der USA besorgt sein, mit Unterstützung ihrer Verbündeten in Syrien die Syrischen Demokratischen Kräfte und die Kurden-Milizen zu stärken. Diese sollen die Kontrolle über Nord-Ostsyrien übernehmen, wenn sie dem türkischen Druck standhalten sollten – und damit auch den iranischen Korridor vom Irak nach Syrien bedrohen.”

Vier Alternativen für den Landkorridor

Zur Schaffung eines Landkorridors liegen dem Iran vier Alternativen vor. Die erste Alternative führt vom Iran aus über Zentralirak, südlich von Mossul, der Provinz Deir Ezzor in Syrien, Nordsyrien, Homs und von dort aus nach Latakia oder Tartus.

Diese erste Alternative ist aktuell mit mehreren Blockaden konfrontiert. Denn die syrisch-irakische Grenze wird aktuell von den „Syrischen Demokratischen Kräften” (SDF) kontrolliert, die von den USA unterstützt und geführt werden. Hinzu kommt, dass sie im Norden Syriens durch das Gebiet verlaufen soll, das derzeit von der Türkei militärisch kontrolliert wird. Diese Route befindet sich in Betrieb. Allerdings ist unklar, ob und inwieweit die Türkei es dem Iran erlaubt, den schiitischen Milizen Unterstützung über diese Route zukommen zu lassen. Im Verlauf der türkischen Militäroperation „Olivenzweig” in Afrin kamen vom Iran unterstützte Milizen den Kurden-Milizen zu Hilfe, berichtet der türkische Oppositions-Sender Halk TV. Die türkischen regierungsnahen Medien, der US-Informationsdienst Stratfor, die Deutsche Welle, die kurdische Nachrichtenagentur Rudaw und diverse andere Medien bestätigten dieses Ereignis. Hinzu kam, dass der iranische Präsident Hassan Rouhani von der Türkei forderte, die Operation „Olivenzweig” einzustellen, so der englischsprachige Dienst von Reuters.

Die zweite Alternative verläuft vom Iran über den Irak in die Stadt Deir Ezzor und von dort aus nach Palmyra, Damaskus und nach Homs. Von Homs aus verläuft diese Route nach Latakia, Tartus und/oder Beirut. Auch diese Route wird durch die SDF und den USA unterbrochen, da sie über das syrisch-irakische Grenzgebiet verlaufen muss.

Die dritte Alternative verläuft vom Iran aus nach Bagdad und von da aus in das syrische Abu Kamal, die Stadt Deir Ezzor, Palmyra, Damaskus und von da aus erneut nach Homs, um dann anschließend an die Küstenstädte Latakia, Tartus oder Beirut zu verlaufen.

Abu Kamal ist die wichtigste Stadt auf dieser Route, da es die letzte Stadt ist, die sich am Euphrat in Ost-Syrien befindet. Abu Kamal ist die wichtigste Stadt auf dieser Route, da es die letzte Stadt ist, die sich am Euphrat in Ost-Syrien befindet. Die syrische Armee hat Abu Kamal am 19. November 2017 von der Terror-Miliz ISIS zurückerobert. In Al Mayadeen sind britische und US-amerikanische Truppen stationiert. Al Mayadeen befindet sich etwas weiter nördlich auf der geplanten iranischen Landroute.

Die vierte Alternative verläuft vom Iran aus nach Bagdad. Von da aus führt die Route weiter durch den Irak bis zum Grenzübergang Al Tanf am syrisch-irakisch-jordanischen Drei-Länder-Kreuz. Von Al Tanf aus verläuft die Route nach Damaskus, Homs und von dort aus nach Latakia, Tartus und/oder Beirut.

In Al Tanf befindet sich ein Stützpunkt von US-amerikanischen und britischen Soldaten. Das gesamte Gebiet von Al Tanf wird offiziell von Söldnern kontrolliert, die seit dem Jahr 2016 von US-amerikanischen und britischen Truppen trainiert und bewaffnet werden, berichtet Stars and Stripes.

Nach einem Bericht von Defense News sind in Al Tanf besonders viele US-Truppen stationiert. Sie sollen verhindern, dass die SAA den Euphrat gen Osten (in die öl- und gasreichen Regionen, Anm. d. Red.) überquert, so Defense News.

Einem Bericht von RFS Media, der Nachrichtenagentur der Freien Syrischen Armee (FSA) zufolge soll die Terror-Miliz ISIS im Februar in Abu Kamal Verbände der iranischen Al-Quds-Brigade angegriffen haben. Informationen über Tote oder Verletzte liegen noch nicht vor. Doch der Angriff von ISIS soll vereitelt worden sein.

Ost-Ghouta und der Landkorridor

Die zweite, dritte und vierte Alternative zur Schaffung eines Landkorridors ans Mittelmeer verlaufen nicht nur durch die Stadt Damaskus, sondern auch direkt durch Ost-Ghouta, das in den vergangenen Monaten schwer umkämpft war. Doch die Söldner in Ost-Ghouta haben mittlerweile allesamt kapituliert, was sich als sicherheitspolitischer Vorteil für Syrien und als strategischer Vorteil für die iranischen Landkorridor-Pläne auswirkt.

In Ost-Ghouta operierten bisher die Söldner-Truppen Dschaisch al-Islam, Faylaq al-Rahman, die Al-Nusra-Front und Ahrar al-Scham, die allesamt in verschiedenen Ausprägungen bekennende anti-iranische Truppen und Gegner der Regierung in Damaskus sind. Allerdings haben mittlerweile alle Söldner-Truppen in Ost-Ghouta kapituliert – außer der Al-Nusra-Front.  Doch viel kann die Miliz nicht mehr ausrichten, da deren Verbündete ebenfalls kapituliert haben und die Truppe auch geografisch komplett isoliert ist.

Die Söldner-Truppe Ahrar al-Scham hatte im Verlauf des Syrien-Konflikts eine Kampfstärke von 15.000 Mann erreicht, so Medium.com. Die Kampfstärke von Faylaq al-Rahman liegt einer Recherche des Senders BBC zufolge bei 9.000 Mann. Dschaisch al-Islam soll noch über 10.000 aktive Kämpfer verfügen. Die Al-Nusra-Front, die sich mittlerweile Hayat Tahrir al-Scham (HTS) nennt, soll nach Angaben von The Independent in Idlib, Ost-Ghouta und in Homs schätzungsweise 30.000 Kämpfer haben.

HTS verfügt nicht nur über schwere Waffen, sondern auch über dutzende Panzer und Kampfdrohnen, führt Al-Monitor aus.

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