Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) ihre Überlegungen zur Reform der Eurozone dargelegt und damit auch auf die Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagiert. Merkel sprach sich für einen Investivhaushalt für die Eurozone aus, der "im unteren zweistelligen Milliardenbereich liegen" werde. Er solle schrittweise eingeführt und dann in seiner Wirkung evaluiert werden. Der Fonds solle dazu dienen, "eine schnellere wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten" zu erreichen. "Klären müssen wir noch, ob dieses zusätzliche Budget innerhalb oder außerhalb des EU-Haushalts verwaltet werden soll", sagte Merkel.
Die Kanzlerin stellte auch ihr Konzept für einen Europäischen Währungsfonds (EWF) vor, der aus dem in der Schuldenkrise geschaffenen Stabilisierungsmechanismus ESM hervorgehen soll. "Wenn die gesamte Eurozone in Gefahr ist, muss der EWF wie bisher langfristige Kredite vergeben können, um Ländern zu helfen. Da geht es um Kredite, die auf dreißig Jahre angelegt und mit der Auflage weitreichender Strukturreformen verbunden sind", sagte Merkel. "Daneben kann ich mir zusätzlich die Möglichkeit einer Kreditlinie vorstellen, die kürzere Laufzeiten hat, zum Beispiel fünf Jahre. Damit könnten wir Ländern, die durch äußere Umstände in Schwierigkeiten geraten, unter die Arme greifen. Immer gegen Auflagen natürlich, in begrenzter Höhe und mit vollständiger Rückzahlung."
Die Lösung der Euro-Probleme mit immer neuen Krediten hat sich in der Vergangenheit allerdings nicht bewährt. Holger Steltzner kommentiert in der FAZ, dass "Kredite wie auch Transfers oder Auflagen die Beziehungen zwischen Ländern belasten und oft sogar vergiften". Steltzner: "Deshalb muss man grundsätzlich fragen: Sind noch mehr Kredittöpfe für die Eurozone der richtige Weg, um eine gemeinsame europäische Identität zu stiften? Das Gegenteil passierte bei der Rettung Griechenlands. Die Geberländer erinnern an ihre Hilfsbereitschaft und das Fehlverhalten griechischer Regierungen, die Griechen hingegen glauben daran, dass die Kredite auch deutsche und französische Banken als Großgläubiger von Hellas retteten und dass die Griechen bis heute unter den Auflagen leiden."
Die Kanzlerin sprach sich auch dafür aus, die Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 vor der Europawahl im Mai 2019 abzuschließen. "In den heutigen unsicheren Zeiten muss Europa zu jedem Zeitpunkt handlungsfähig sein. Wenn wir die Beratungen auf die lange Bank schieben, könnte es sein, dass wir ein ganzes Jahr lang keine Erasmus-Stipendien vergeben oder sich der Ausbau von Frontex verzögert oder wichtige Projekte der Bekämpfung von Fluchtursachen nicht durchgeführt werden können, ganz zu schweigen von Strukturfondsmitteln und den wichtigen Forschungsprogrammen." Außerdem solle in diesem Zug geklärt werden, wie der künftige Haushalt der ganzen EU aussehe und wie die Struktur der Eurozone gestaltet werde.
SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles hat begrüßt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Europapolitik auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zugegangen ist. "Das ist doch sehr erfreulich", sagte Nahles im am Sonntagnachmittag aufgezeichneten ARD-Sommerinterview. "Das sind doch ganz neue Töne von Frau Merkel. Ich bin erfreut, denn das basiert ja alles auf dem gemeinsamen Koalitionsvertrag." Bisher sei bei CDU und CSU immer von einem Sparhaushalt die Rede gewesen. Nun spreche auch Merkel von einem Investivhaushalt. Das sei auch notwendig, um in Europa in Strukturreformen zu investieren und um die sozialen Unterschiede in den EU-Staaten zu verringern.
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