Am Sonntag entscheidet die Wähler in der Schweiz, ob sie die Kreditvergabe der Banken beschränken und die Notenbank zur einzigen Quelle für neues Geld machen will. Die Befürworter der sogenannten Vollgeld-Initiative versprechen sich von dem Wechsel ein sichereres Bankensystem. Die Gegner warnen hingegen vor den unabsehbaren Folgen eines weltweit einzigartigen Experiments für den Finanzplatz und die Währung.
Reuters zufolge deute die Umfrageergebnisse darauf hin, dass der Vorschlag mit großer Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden dürfte. Allerdings gäbe es bei den einzelnen Erhebungen beträchtliche Unterschiede, was die Zahl der Unentschlossenen betrifft. Das führt dazu, dass Investoren an den Finanzmärkten vorsichtig sind und sich auch für ein "Ja" wappnen. Dies rührt auch daher, dass in den vergangenen Jahren die Meinungsumfragen vor wichtigen politischen Entscheidungen meist daneben lagen - wie beim Brexit oder der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Allerdings strebt die Initiative nach eignen Worten auch lediglich einen "Achtungserfolg" an, was darauf hindeutet, dass die Umfragezahlen de Initiatoren auch eher mäßig sein dürften.
Die Idee für die Initiative ist während der Finanzkrise entstanden, die mit der milliardenschweren Rettung der größten Schweizer Bank UBS tiefe Spuren hinterlassen hat. Im Falle einer Zustimmung könnten die Banken nur mehr Geld als Kredit verleihen, wenn sie dieses zuvor von der Notenbank SNB, anderen Banken oder über langfristige Kundeneinlagen erhalten - und nicht mehr über eine bloße Ausweitung ihrer Bilanz. Bank-Kunden hätten Anspruch auf sogenannte Vollgeld-Konten, die außerhalb der Bank-Bilanzen geführt werden und komplett mit Notenbankgeld gedeckt sind.
Auch im Ausland sorgt der Vorstoß für Aufsehen: Nach Einschätzung der Experten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft würde das Finanzsystem dadurch stabiler. "Die bestechenden Vorteile eines Vollgeldsystems sind, dass ein Abzug von Kundeneinlagen für die betroffene Bank völlig unproblematisch ist", erklärten sie. Sollte eine Umstellung in der Schweiz geräuschlos gelingen, halten sie mittelfristig eine ähnliche Diskussion im Euro-Raum für möglich.
Auf wenig Gegenliebe stößt der Vorschlag bei der Schweizer Regierung sowie Industrie- und Bankvertretern. Nach ihrer Einschätzung dürften Kredite teurer werden, und die Gewinne der Banken könnten längerfristig schrumpfen. Darüber hinaus warnen Experten vor den unabsehbaren Folgen für den Franken. Künftig wäre die Notenbank die einzige Institution, die dem System neues Geld zuführen könnte. Der Leitzins würde als geldpolitisches Instrument jedoch wegfallen, und die SNB könnte nicht mehr am Devisenmarkt intervenieren, um den Franken zu schwächen und so die Wirtschaft anzukurbeln. Was das für die Entwicklung des "sicheren Hafens" Franken bedeutet, ist offen. Die SNB selbst lehnt die Initiative ab.
Als angenommen gilt diese, wenn eine Mehrheit der Bürger und eine Mehrheit der Kantone mit "Ja" stimmen. Doch selbst wenn das der Fall ist, erwarten die Experten der deutschen DZ Bank keine Änderung über Nacht. Zum einen sehe der Vorschlag eine Umsetzungsperiode von zwei Jahren vor. Zum anderen hätten sich alle Parteien auf Bundesebene gegen die Initiative ausgesprochen. Daher sei zu bezweifeln, dass diese eins zu eins umgesetzt werde. Ähnlich war es bei der vor gut vier Jahren angenommenen "Masseneinwanderungsinitiative" gewesen, die die Regierung nicht im Wortlaut anwandte, um einen Bruch mit dem Handelspartner EU zu vermeiden. "So beruhigend diese Einschätzung auf den ersten Blick erscheinen mag, für eine gehörige Portion Unsicherheit an den Finanzmärkten dürfte ein Ja zur Vollgeldreform allemal genügen", erklärte die DZ Bank.