Politik

Merkel sieht mit EU-Gipfel Forderungen der CSU erfüllt

Bundeskanzlerin Merkel geht davon aus, dass der Streit mit der CSU nach den Gesprächen auf dem EU-Gipfel beendet sein müsste.
29.06.2018 18:35
Lesezeit: 2 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht den von der CSU angedrohten nationalen Alleingang in der Flüchtlingspolitik durch die Ergebnisse des EU-Gipfels abgewendet. Zusammengenommen seien die beschlossenen EU-Maßnahmen sowie die getroffenen bilateralen Vereinbarungen aus ihrer Sicht "mehr als wirkungsgleich" zu den von der CSU geforderten Zurückweisungen an der deutschen Grenze, sagte Merkel am Freitag nach Abschluss des Europäischen Rates in Brüssel. "Wirkungsgleiche Maßnahmen" hatte Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer als Voraussetzung für einen Verzicht auf Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze gefordert. Für CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sind nationale Maßnahmen dennoch nicht vom Tisch. Die Schwesterparteien wollen die Beschlüsse des EU-Gipfels über das Wochenende bewerten. EU-Ratspräsident Donald Tusk mahnte, dass in der EU-Migrationspolitik der schwierigere Teil der Umsetzung der Ergebnisse von Brüssel erst noch bevorsteht.

Merkel sagte, sie wolle die Koalitionspartner am Abend sowohl über den EU-Gipfel als auch die parallel laufenden Anstrengungen zum Abschluss bilateraler Rücknahmeabkommen unterrichten.

Spanien und Griechenland seien bereit, in diesen Ländern registrierte Flüchtlinge direkt zurückzunehmen, wenn sie nach Deutschland kommen. Im Gegenzug wolle die Bundesrepublik die Familienzusammenführung von Flüchtlingen aus diesen beiden Staaten prüfen. Dieser Punkt könnte für Merkels Ansatz kritisch werden, weil die CSU nun vermutlich nachrechnen dürfte, ob die Familienzusammenführung zu einer höheren Aufnahme-Quote führen würde. Der Familiennachzug ist nach Urteilen der Verwaltungsgerichte Freiburg und Wiesbaden im übrigen verpflichtend zu gestatten, weil er den Dublin III-Regeln entspricht.

In dieser Hinsicht könnte Merkel zusätzlich zu Bayern in einen Konflikt mit Italien geraten, dessen neue Regierung Dublin III ablehnt und die sofortige Neuverhandlung der Regeln fordert.

Mit Italien konnte Merkel daher auch keine derartige Vereinbarung erzielen. Das Land sei derzeit vor allem an der Reduzierung der Flüchtlingszahlen aus Afrika interessiert, sagte Merkel. Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte erklärte, sein Land werde nicht als Ergebnis des EU-Gipfels Migranten aus Deutschland zurücknehmen. Italien habe auch keine entsprechenden Zusicherungen gegenüber der Bundesregierung gemacht. Conte drohte zugleich EU-Staaten mit Maßnahmen, wenn sich diese nicht an die EU-Vereinbarungen zur Migration halten.

Die 28 EU-Staaten hatten nach stundenlangen Verhandlungen bis zum frühen Freitagmorgen vereinbart, dass auf freiwilliger Basis gemeinsame Asylzentren innerhalb der EU eingerichtet und Aufnahmelager für Flüchtlinge in Drittstaaten geprüft werden sollen. Innerhalb der EU drohe die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen den Mitgliedstaaten die Integrität des gemeinsamen europäischen Asylsystems und des Schengen-Raumes zu gefährden, hieß es in der Gipfelerklärung: "Die Mitgliedstaaten sollten alle erforderlichen internen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen gegen diese Migrationsbewegungen treffen und dabei eng zusammenzuarbeiten". Merkel stellte solche Vereinbarungen mit "einer Vielzahl von Ländern" in Aussicht. Dazu schlage sie eine Asylrechtsänderung vor, um beschleunigte Verfahren für diese Gruppe zu ermöglichen. Einseitige Zurückweisungen lehne sie weiter als unilaterale Maßnahme ab. EU-Ratspräsident Tusk mahnte, dass die Umsetzung der Beschlüsse schwer werde. Es könne noch lange nicht von einem Erfolg gesprochen werden. Alle Beschlüsse basierten auf Freiwilligkeit, betonte Tusk.

Ob die Ergebnisse von Brüssel das Ende des Asylstreits zwischen CDU und CSU bedeuten, entscheidet sich voraussichtlich am Sonntag. Dann will die CSU entscheiden, ob sie an ihrer Drohung festhält, dass Innenminister Seehofer im Alleingang in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen lässt. Für diesen Fall wird mit einer Entlassung Seehofers durch die Kanzlerin und einem Bruch der Regierung gerechnet. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt sagte dazu: "Ich stelle fest, dass zur Vermeidung von Sekundärmigration das Ergreifen von nationalen Maßnahmen ausdrücklich im Ratspapier vorgesehen ist." Es sei ein Ergebnis der Debatte in Deutschland, dass sich die EU-Staaten stärker mit der Migration auseinandersetzten. Eine Reihe von Punkten wie der bessere Schutz der Außengrenzen, Flüchtlingszentren in Drittländern und mehr Engagement bei der Fluchtursachenbekämpfung seien Maßnahmen, die die CSU seit langem fordere. "Jetzt geht es darum, dass diese Punkte auch konkret umgesetzt werden", sagte Dobrindt. Seehofer wollte sich zunächst nicht äußern. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gab sich wortkarg. Nach dem Gipfel werde man diesen "in Ruhe vernünftig bewerten".

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