Politik

Italiener wollen Generali Leben an Abwickler verkaufen

Die italienische Generali will die deutsche Generali Leben an den Abwickler Viridium verkaufen.
05.07.2018 10:57
Lesezeit: 3 min

Der italienische Versicherungskonzern Generali will seine deutsche Tochter Generali Leben mit vier Millionen Kunden an einen Abwicklungs-Spezialisten verkaufen. 89,9 Prozent an der Generali-Tochter sollen an den Bestandsmanager Viridium gehen, hinter dem der Finanzinvestor Cinven und die Hannover Rück stehen, wie Generali am Donnerstag in Triest mitteilte. Mit Kapitalanlagen von 37 Milliarden Euro wäre es der mit Abstand größte Lebensversicherer in Deutschland, der wegen der Belastungen durch die langfristige Zinsgarantien verkauft würde. Andere Versicherer dürften sich dadurch ermutigt fühlen. Die Finanzaufsicht BaFin will die Transaktion genau prüfen. Das könnte Monate dauern.

Der Bestand der Generali Lebensversicherung, in der auch die ehemalige Volksfürsorge aufgegangen ist, werde bei dem Verkauf mit bis zu einer Milliarde Euro bewertet, teilten die künftigen Partner mit. Generali Deutschland behält allerdings 10,1 Prozent der Anteile, der Konzern übernimmt für 275 Millionen Euro zudem für die nächsten fünf Jahre das Management der Kapitalanlagen für Generali Leben. Generali prüft zudem, sich mit zehn Prozent an Viridium zu beteiligen. Die langfristigen Zinsgarantien auf klassische Policen belasten die Bilanzen der Lebensversicherer. Generali will sich in Deutschland deshalb auf fondsgebundene, Hybrid-Policen und Risiko-Lebensversicherungen konzentrieren.

"Dies ist der finale Schritt im strategischen Turnaround der Generali in Deutschland, der es uns ermöglicht, in diesem Markt zu wachsen und stärker zu werden", sagte Deutschland-Chef Giovanni Liverani. Durch den Verkauf von Generali Leben werde sich die Kapitalquote der Deutschland-Tochter nach Solvency II um 43 Prozentpunkte verbessern. Das Neugeschäft hatte Generali Leben bereits zu Jahresbeginn eingestellt und die Verzinsung der Policen für 2018 auf den branchenweit einmaligen Wert von 1,25 Prozent gesenkt. Dem Triester Konzern fließen mit dem Verkauf nach eigenen Angaben bis zu 1,9 Milliarden Euro zu, unter dem Strich bleibt ein Gewinn von 275 Millionen Euro.

Für Viridium könnte die Übernahme von Generali Leben der Durchbruch werden. Bisher gehören dem Unternehmen drei kleinere Lebensversicherer mit insgesamt einer Million Verträgen und 16 Milliarden Euro an Kapitalanlagen. Mit Generali Leben würde sich der Bestand vervielfachen. Professionelle Abwickler setzen auf Größenvorteile und eine effiziente IT. Rund 300 Mitarbeiter von Generali sollen zu Viridium wechseln. Die Münchener-Rück-Tochter Ergo hatte ebenfalls einen Verkauf ihrer Tochter Ergo Leben (Victoria, Hamburg-Mannheimer) erwogen, die Pläne aber wieder zurückgezogen.

Die Finanzaufsicht BaFin könnte Generali und Viridium aber noch einen Strich durch die Rechnung machen. "Durch einen Unternehmensverkauf darf kein Versicherungsnehmer schlechter gestellt werden", betonte Exekutivdirektor Frank Grund. "Dies stellen wir bei Bedarf durch geeignete Maßnahmen sicher." So werde nicht nur die Bonität des Käufers geprüft, sondern auch dessen Fähigkeit, einen so großen Bestand zu verwalten.

Was bedeutet die Abwicklung?

Die Generali Lebensversicherung ist mit vier Millionen Verträgen der bisher größte Policen-Bestand in Deutschland, der an einen externen Abwickler verkauft werden soll. Das Neugeschäft des Lebensversicherers hatte Generali bereits Anfang des Jahres eingestellt und ihn damit in den sogenannten "Run-Off" geschickt.

Der englische Fachbegriff steht für das "Auslaufen-Lassen" von Versicherungs-Beständen - meist von Lebensversicherungen. Unternehmen greifen zu diesem Mittel, wenn sich das Geschäft mit diesen Policen für sie finanziell nicht mehr lohnt oder wenn die Konditionen, die sie den Kunden bieten können, zu unattraktiv geworden sind. Man unterschiedet zwischen einem internen "Run-off", bei dem der Versicherer das Portfolio weiterhin selbst abwickelt, und einem externen "Run-off", bei dem der Bestand verkauft wird - meist an ein Unternehmen, das sich auf die Verwaltung solcher Portfolien spezialisiert hat.

Die Dauer-Niedrigzinsen seit der Finanzkrise haben den Druck auf viele Versicherer erhöht. Denn das macht es ihnen schwer, die laufenden Renditen zu erwirtschaften, die sie brauchen, um die langfristigen Zinsgarantien zu erfüllen, die sie den Kunden gegeben hatten. Deshalb müssen sie viel Kapital vorhalten, das ihnen anderswo fehlt. Das macht den Verkauf der Bestände - also den externen Run-off - attraktiver. In Deutschland war er - ähnlich wie der Weiterverkauf von Krediten durch Banken - lange ein Tabu. In Großbritannien sind solche Verkäufe dagegen seit fast zwei Jahrzehnten an der Tagesordnung.

Nach Angaben der Finanzaufsicht BaFin sind in Deutschland derzeit drei Lebensversicherer im internen Run-off, insgesamt sechs kleinere Bestände liegen bei den drei professionellen Abwicklern Viridium, Frankfurter Leben und Athene/Athora, hinter denen jeweils Finanzinvestoren stehen.

Diese Bestandsmanager setzen darauf, dass die Bündelung von mehreren Portfolien deren Abwicklung kostengünstiger macht. Sie bauen auf eine effiziente IT und profitieren davon, dass sie kein Geld mehr für Neugeschäft ausgeben müssen. Eine riskantere Anlagestrategie dürfen sie aber nicht fahren. Auf Versicherer, die ihre Policen selbst abwickeln, steigt im Lauf der Zeit der Druck. Denn ohne Neugeschäft schrumpfen die Bestände, wenn die Verträge nach und nach auslaufen. Die Verwaltung der Policen wird damit zunehmend unwirtschaftlich.

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