Politik

Syrien: Kurden geben bedingungslosen Widerstand gegen Assad auf

Den Kurden-Milizen droht nach dem Vorbild der internationalen Söldner eine Kapitulation gegenüber der syrischen Regierung. Sie fühlen sich von den USA hintergangen.
09.08.2018 01:08
Lesezeit: 3 min

Der überwiegend syrisch-kurdische Demokratische Rat (SDC), der von der US-Regierung und schätzungsweise 2.000 US-Spezialeinsatztruppen im Nordosten Syriens unterstützt wird, machte am 30. Juli die ungewöhnliche Geste, der syrischen Armee (SAA) die Leichen von 44 syrischen Soldaten zurückzugeben. Diese sollen im Jahr 2014 war im Dorf Ain Issa von der Terror-Miliz IS hingerichtet worden sein. Zehn Tage zuvor hatten örtliche Beamte in der Nähe des Hauptquartiers der 93. Brigade vier Massengräber freigelegt, und die Kurden nutzten die Gelegenheit, um mit diesen Vorfall zu nutzen, um eine Annäherung mit der Regierung in Damaskus voranzutreiben, führt der US-Informationsdienst Stratfor in einer Analyse aus.

Stratfor wörtlich: “Der Prozess der Wiedereingliederung der größten kurdisch kontrollierten Region in den Rest Syriens ist im Gange, und die Vereinigten Staaten können kaum etwas dagegen tun. Die Kurden und das Assad-Regime verhandeln regelmäßig - sowohl in Tabqa an der irakischen Grenze als auch in Damaskus - über die Wiederherstellung der syrischen Souveränität in der großen Zone, in der sie während eines Großteils des siebenjährigen Krieges mit amerikanischer Hilfe ihre Autonomie ausgeübt haben (...) Obwohl die syrische Regierung den Großteil ihrer Truppen zurückzog, um anderswo zu kämpfen, behielt sie eine zivile Präsenz in Gemeinden, Schulen und Krankenhäusern im gesamten Nordosten. Sie zahlte auch weiterhin die Gehälter der Beamten und führte Flüge zwischen Damaskus und Qamischli, der großen, hauptsächlich kurdischen und assyrisch-christlichen Stadt nahe der Grenze zur Türkei, durch.”

Die Kurden streben ein “dezentralisiertes, demokratisches Syrien” an. Die syrische Regierung hatte in der Vergangenheit eine die Dezentralisierung des Landes abgelehnt. Als Frankreich zwischen 1920 und 1946 das Land besetzte, gründete es vier Kleinstaaten - einen alawitischen Staat im Nordwesten, einen Drusenstaat im Süden und einzelne Staaten in Aleppo und Damaskus. Doch dieser Plan scheiterte, da die Syrer einen “erbitterten” Guerilla-Krieg gegen die Besatzer durchführten.

Stratfor folgert, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad gegen eine Neuauflage des Teilungsplans seines Landes ist. Die Kurden stellen etwa zehn Prozent der syrischen Bevölkerung und befinden sich in einer schwachen Position, um eine Autonomie zu fordern. Der Großteil der Kurden lebt Stratfor zufolge ohnehin in Damaskus und Aleppo, wo sie sich assimiliert haben und jegliche Autonomiebestrebungen ablehnen.

Aus einem Bericht der kurdisch-irakischen Nachrichtenagentur Rudaw geht hervor, dass die Kurden in Syrien sich in einer komplizierten Lage befinden, in der sie den USA nicht mehr bedingungslos vertrauen können. Rudaw wörtlich: “Im schlimmsten Fall wachen die SDF-Kräfte (kurdischen Truppen der Syrischen Demokratischen Kräfte, Anm. d. Red.) eines Morgens auf und stellen fest, dass der US-Sicherheitsschirm verschwunden ist und sie sich selbst wehren müssen (...) Die Amerikaner haben es nach dem Referendum im September nicht geschafft, die Zwangstaktiken des Irak gegen die Regionalregierung Kurdistans und die Peschmerga aufzuhalten, weil sie ihren geringen Einfluss in Bagdad bewahren wollten. Als nächstes taten sie nichts, um die türkischen Regierungstruppen und ihre Verbündeten daran zu hindern, syrisches Territorium zu betreten und Afrin zu beschlagnahmen (...) Die prekäre Lage in Nordsyrien bietet der US-Regierung eine Chance, ihren vermeintlichen Verrat wieder gutzumachen und das Gespräch zu suchen. Es könnte damit beginnen, seine militärische Präsenz dort zu verstärken und mehr Geld für den Wiederaufbau auszugeben.”

Ob es wirklich zu einer Einigung zwischen den Kurden-Milizen und der syrischen Regierung kommt, bleibt unklar. Der hochrangige PYD-Offizielle Salih Muslim meldete im Juli über den Kurznachrichtendienst Twitter: “Die Fake-Leaks des Apparatus des Regimes (syrische Regierung, Anm. d. Red.) über Treffen und Vereinbarung (...) deuten darauf hin, dass das Regime nicht ernst ist und keine Lösung für die Rettung Syriens wünscht.”

Ende Juli sagte Muslim nach Angaben der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF: “Für den Fall, dass es zu Verhandlungen mit dem Regime kommt, haben wir allerdings Bedingungen. Unser Volk hat große Opfer gebracht, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen und autonome Verwaltungen aufzubauen. Die Bevölkerung verwaltet sich mittlerweile selbst und wird es auch in Zukunft tun. Von dieser Bedingung werden wir uns zu keinem Zeitpunkt abwenden.”

Die Vertreter der Kurden-Milizen hätten sich zwar mit Regierungsvertretern getroffen, doch dabei habe es sich nicht um Verhandlungen gehandelt. Muslim wörtlich: “Ziel des Treffens war es, die Basis für einen breiten Dialog zur Lösung der Syrienkrise zu legen. Die Gespräche mit Damaskus sind wichtig für die Verständigung beider Seiten. Direkte Verhandlungen oder eine formelle Versöhnung gibt es allerdings noch nicht.”

Muslim ist nach Informationen von The Middle East Eye der Ansicht, dass die syrische Regierung kein Abkommen mit den Kurden-Milizen schließen möchte. Stattdessen ziele Damaskus auf Kapitulationsverhandlungen nach dem Vorbild der Verhandlungen mit den Söldnern in den restlichen Teilen Syriens ab. Ohne Unterstützung der USA oder anderer Staaten wird die Verhandlungsposition der Kurden-Milizen schwach ausfallen.

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