Politik

Der geheimnisvolle Pastor Brunson: Mann Gottes oder US-Spion?

Der US-Pastor Andrew Brunson ist der offizielle Grund für ein schweres Zerwürfnis zwischen den Nato-Partnern USA und Türkei. Wer ist dieser Mann?
18.08.2018 01:01
Lesezeit: 5 min

US-Präsident Donald Trump will im Streit mit der Türkei über den evangelikalen Pastor Andrew Brunson hart bleiben. "Wir werden das nicht auf sich beruhen lassen", sagte Trump am Freitag vor Journalisten. "Sie hätten ihn schon vor langer Zeit zurückgeben müssen und die Türkei hat sich sehr, sehr schlecht verhalten", sagte der US-Präsident. In der Angelegenheit sei noch nicht das letzte Wort gesprochen. "Wir werden es nicht auf sich beruhen lassen, sie können nicht einfach unsere Leute nehmen", fügte Trump hinzu.

Zuvor hatte ein türkisches Gericht den Antrag des US-Pastors auf Entlassung aus dem Hausarrest zurückgewiesen, wie der Sender Haberturk am Freitag meldete. Die US-Regierung hatte erst am Donnerstag mit neuen Sanktionen gedroht, sollte Brunson nicht bald freigelassen werden. Türkische Ermittler werfen ihm Verbindungen zu dem in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen vor, der nach Darstellung der Regierung in Ankara hinter dem Putschversuch vor zwei Jahren steckt. Brunson und Gülen weisen die jeweiligen Vorwürfe zurück.

Trump hatte bereits mehrfach gesagt, dass Brunson ein guter Christ sei, der nichts anderes getan habe als seinen christlichen Überzeugungen nachzugehen. Am Freitag sagte Trump, die Türkei behaupte, Brunson sei "ein Spion". Trump sagte, dass Brunson kein Spion sei.

In der westlichen Öffentlichkeit ist bisher wenig über die Vorwürfe bekannt, die die Türkei gegen Brunson erhebt.  Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Anklageschrift, dass die Vorwürfe erheblich sind. Ob sie durch handfeste Beweise belegt werden können, die zu einer Verurteilung führen könnten, ist schwer zu beurteilen.

Wer ist Andrew Brunson?

Andrew Brunson wurde im Jahr 1968 in North Carolina geboren und ist verheiratet mit Norine Brunson. Seine Tochter heißt Jacqueline Furnari. Er ist Absolvent der Trinity Divine School, des Erskine Theological Seminary und der Aberdeen University und lebt seit 23 Jahren in der Türkei, berichtet die Zeitung Sözcü. Brunson ist Pastor der “Kirche der Auferstehung” in der türkischen Stadt Izmir. Die Kirche befindet sich im Szene-Viertel Alsancak.

Obwohl es die Kirchengemeinde seit dem Jahr gibt, hat sie nur 25 Mitglieder, berichtet der Economist. Aus der Webseite der “Kirche der Auferstehung” geht hervor, dass der Gebetsraum aus etwa 40 Sitzplätzen besteht. Es gibt keine professionelle Kanzel, sondern ein Schlagzeug, ein Rednerpult und mehrere Musikboxen. Zur Finanzierung der Kirche gibt es keine Hinweise.

Rolle beim Putsch 

Nach dem Türkei-Putsch vom 15. Juli 2016 wurde Brunson im Oktober 2016 von den türkischen Sicherheitsbehörden unter dem Vorwurf der Spionage und des Umsturzversuchs gegen die türkische Regierung festgenommen. Nach Angaben der Zeitung Sözcü hat Brunson fünf Tage nach dem Putsch in einer E-Mail an einen Bekannten geschrieben: “Die türkische Bevölkerung hat diesmal nicht wie gewohnt Partei für das türkische Militär ergriffen. Es läuft alles schlecht, aber am Ende werden wir die Gewinner sein”. Diese Aussage von Brunson ist Teil der Anklage.

Al-Monitor berichtet, dass sich der Anklageschrift zufolge Brunson vor dem Putsch am 15. Juli 2016 mehrmals mit dem Verantwortlichen der Gülen-Bewegung für die Ägäis, Bekir Baz, getroffen haben soll. Brunson teilte dem Staatsanwalt mit, dass er keine Person namens Bekir Baz kenne und sich niemals wissentlich mit einem Mitglied der Gülen-Bewegung getroffen habe. Eine weitere Anklage betrifft die angebliche Verstrickung Brunsons mit Mitgliedern der PKK, berichtet die Zeitung Yeni Safak. Er soll die PKK unterstützt haben. Brunson meint hingegen, dass er lediglich versucht habe, syrischen Flüchtlingen zu helfen.

Die Anklage

In der Anklageschrift gegen Brunson wird nach Angaben von Haberler.com der Konvertit L.K. zitiert: "Andrew Craig Brunson wurde zwischen 2008 und 2009 aus der ,Kirche der Neugeburt' (in Izmir/Konak, Anm. d. Red.) rausgeworfen, weil ihm Unterstützung des Terrors (der PKK, Anm. d. Red.) vorgeworfen wurde. Die ,Kirche der Neugeburt' ist eine presbyterianische Kirche und lehnt es ab, den Terrorismus zu unterstützen. Danach ging er etwa eineinhalb Monate ins Ausland. Ich weiß nicht, wo er sich aufgehalten hat. Seine Ehefrau und weitere Personen hatten uns gesagt, dass er sich zu dieser Zeit in den USA aufgehalten habe. Nachdem Brunson in die Türkei zurückkehrte, eröffnete er im Viertel Alsancak in der Bornova-Straße eine neue Kirche."

L.K. führt aus, dass die Mitglieder der Kirchengemeinde keinerlei Wissen über Brunsons Aktivitäten hatten: "Im Erdgeschoss der Kirche werden die Gottesdienste abgehalten. Im oberen Stock gibt zwei Räume, der von den Mitgliedern der Kirchengemeinde nicht betreten werden durfte. Doch Mitglieder der Organisation (PKK, Anm. d. Red.) gingen dort ein und aus. Nach einem Gottesdienst führte Brunson in den oberen Räumen ein Treffen durch. Den Mitgliedern der Kirchengemeinde war die Teilnahme verboten. Nach etwa vier Stunden endete die Versammlung. Ich schlich mich in den Raum des Treffpunkts hinein. Der Raum befindet sich direkt gegenüber der Toilette. Als ich eintrat, sah ich auf der rechten Seite einen Bücherschrank mit zahlreichen Büchern. Auf dem Tisch befanden sich eingerollte Landkarten, die ich ausrollte. Sie waren handschriftlich bearbeitet. Die Grenzen der Türkei waren auf der Landkarte verändert worden. Etwas entfernt vom Tisch waren Pakete. Ich öffnete aus Neugier ein verschlossenes Paket und fand Broschüren mit Werbung für die PKK. Anschließend hörte ich Fußschritte, drang aus dem Zimmer und tat so, als ob ich ein Telefongespräch mit meinem Handy führte. Ich wurde erwischt. Normalerweise wird das Betreten dieses Zimmers sanktioniert, doch ich erhielt keine Strafe. Allerdings wurde beim anschließenden Gottesdienst wiederholt, dass das Betreten des Zimmers verboten sei."

L.K. zufolge sollen sich nach der Putschnacht vom 15. Juli 2016 Mitglieder der Gülen-Bewegung in den Räumen der Kirche versteckt haben.

In der Anklageschrift wird ausgeführt, dass sich Brunson am 20. Juli 2015 in der Stadt Suruc aufhielt, als sich dort ein Bombenanschlag ereignete. Während der Militäroperation in der südosttürkischen Stadt Sur/Diyarbakir ab August 2015 soll sich Brunson, obwohl er in Izmir bedienstet gewesen ist, in diese Region begeben haben. Timeturk führt aus: "Die Prüfung der HTS-Daten von Andrew Brunsons Handy hat ergeben, dass er sich zwischen 2014 und 2017 1.306 Daten und Signalen zufolge in Suruc, 192 Daten und Signalen zufolge in Urfa und zwei Daten und Signalen zufolge in Diyarbakir aufgehalten hat. Ihm wird vorgeworfen im Auftrag der illegalen Entität, der er angehört, gehandelt zu haben, zumal in diesen Gebieten ein Chaos und gewaltsame Umstände herrschten, die von der PKK verursacht wurden. Nach Auswertung der Auslandstelefonate und SMS-Botschaften von Brunson wurde festgestellt, dass er in ständigem Kontakt mit US-amerikanischen und anderen ausländischen ehemaligen oder aktiven Militärs stand, die sich bei ihren Besuchen in der Kirche als Vertreter anderer Berufsgruppen präsentierten."

Der Kronzeuge unter dem Namen "Dua", der sich im Zeugenschutzprogramm befindet, hat Berkant Kaya, Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft der Türkischen Republik in Izmir, belastendes Material zur Verfügung gestellt. Dazu zählen Excel-Dateien mit Brunsons Kontakten und namentlich genannte Personen, die Brunson zugearbeitet haben sollen. Unter ihnen sollen sich auch Namen von Sprachlehrern befinden, die zuvor am Militärgymnasium Kulei in Istanbul gearbeitet haben sollen.

Die Zeitung Milliyet zitiert den Staatsanwalt Karakaya: "Der Angeklagte hat sich unter dem Deckmantel eines evangelikalen Pastors mehr wie ein Spezialist im Guerilla-Kampf, der mit den Doktrinen der psychologischen Kriegsführung und nachrichtendienstlicher Methoden vorgeht, verhalten. Der Pastor der ,Kirche der Auferstehung' von Izmir hat in Zusammenarbeit mit Personen, die einen militärischen und nachrichtendienstlichen Hintergrund haben und sich mit speziellen technischen Fertigkeiten auskennen, und in Koordination mit der PKK und der FETÖ (Gülen-Bewegung, Anm. d. Red.), agiert. Unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe und der Bildungsarbeit wurden die ethnischen, religiösen und konfessionellen Hintergründe von Bürgern missbraucht, um die Bürger gegeneinander aufzuwiegeln und unser Land zu spalten."

Bemerkenswert ist ein weiterer Vorwurf der Staatsanwaltschaft: "Brunson hat in Zusammenarbeit mit der Verdächtigen A.B.A. und ihrem Ehemann alle Tankstellen entlang der Mittelmeerküste ausgekundschaftet. Dazu gehörte auch die Erkundung der ethnischen Hintergründe der Tankstellen-Mitarbeiter und ihre Arbeitszeiten. Damit sollte überprüft werden, wie diese Tankstellen im Falle von inneren Unruhen und einer folglichen Invasion der Türkei als logistische Zentren und Benzindepots genutzt werden können. Bei den betroffenen Tankstellen geht es um strategisch wichtige Einrichtungen."

Brunson an der syrisch-türkischen Grenze

Der Religion News Service berichtet: „Als der syrische Krieg 2011 ausbrach, sah Brunsons Kirche eine Chance darin, Flüchtlingen Hilfe zu leisten und ihnen vom Christentum zu erzählen. Bis 2014 unternahmen Brunson und andere Kirchenführer regelmäßig Reisen, um Flüchtlinge an der Grenze zu Syrien zu treffen. ,Es war völlig normal, ihnen zu helfen’, sagt ein Mitglied der Kirche dem RNS. Das Mitglied behauptet, mit Brunson in der Türkei seit mehr als einem Jahrzehnt zusammengearbeitet zu haben, und bat darum, nicht benannt zu werden, da das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. ,Sie brauchten physische Hilfe, spirituelle Hilfe und wie viele andere Gemeinden gingen wir los, um ihnen zu helfen, versorgten sie mit physischer Hilfe und erzählten ihnen von Jesus’. so das Mitglied. Syrische Flüchtlinge schlossen sich Brunsons Gemeinde an: ,Sie sprachen Arabisch oder Kurdisch und nicht Türkisch, also dachten wir irgendwann, es wäre gut für sie, ihre eigenen Treffen zu haben’. Brunsons Aktivitäten entlang der türkisch-syrischen Grenze wurden in der Türkei mit tiefem Argwohn betrachtet."

 

 

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