Finanzen

Keine Perspektive für Produktion von Batteriezellen in Deutschland

In Deutschland haben bislang weder Autobauer noch Zulieferer Pläne für den Aufbau einer eigenen Batteriezellen-Produktion. Die Marktlücke wird von Asiaten gefüllt.
30.08.2018 17:16
Lesezeit: 2 min

In Deutschland haben bislang weder die großen Autobauer noch die Zulieferindustrie Interesse am Aufbau einer eigenen Produktion von Batteriezellen.

Der bedeutende Zulieferer Bosch will nach längerer Überlegung definitiv keine eigene Fertigung aufbauen. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen noch angekündigt, rund 20 Milliarden Euro in den Aufbau einer Produktion von insgesamt rund 200 Gigawattstunden bis zum Jahr 2030 in Deutschland zu investieren, wie oilprice.com berichtet.

Auch ZF aus Friedrichshafen hat keine Pläne zum Aufbau eigener Produktionsstandorte. Continental denkt derzeit darüber nach – allerdings über die Feststofftechnologie, die als Technik der nächsten Generation gilt. Und die Entscheidung würde wohl erst nach 2020 fallen.

Die Lücke im deutschen Markt füllen derzeit die Chinesen. So wird das Unternehmen CATL eine Produktion in Thüringen aufbauen.

Zwar wird Daimler an den Standorten Sindelfingen und Untertürkheim zwei zusätzliche Batteriefabriken errichten. Die Zellen, die Herzstücke jeder Batterie, kaufen die Hersteller allerdings in Asien ein. Der Markt wird von einigen wenigen Anbietern dominiert. Die deutschen Autobauer hingegen investieren viel Geld in Batteriewerke, in denen die in Asien gebauten oder von asiatischen Unternehmen in Europa gebauten Blöcke je nach Verwendungszweck zusammengebaut werden.

Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht hält die Dominanz der asiatischen Hersteller bei der Batteriezellen-Produktion auf Dauer für gefährlich. Er sieht nun vor allem die heimische Zulieferbranche am Zug, möglichst bald einen eigenen Vorstoß zu wagen. „Wir brauchen eine deutsche oder europäische Lösung“, sagte Brecht der Deutschen Presse-Agentur. Und er mahnte zur Eile: „Es muss jetzt einer aus der Deckung kommen, der sagt: Ich würde es mir zutrauen.“ Mit jedem Jahr werde das Vorhaben schwieriger.

„Die Zelle ist das Kernstück der gesamten Elektrifizierung“, sagte Brecht, der die Interessen von 290.000 Daimler-Beschäftigten weltweit vertritt und auch im Aufsichtsrat des Autobauers sitzt. Von ihr hänge ab, wie leistungsfähig und wie dynamisch ein Fahrzeug sei. „Man macht sich nicht nur von der Technologie abhängig, sondern auch erpressbar, wenn die Marktmacht des Lieferanten nachher dazu führt, dass er Preise und solche Dinge diktieren kann“, warnte Brecht. Eine eigene Zellfertigung unter deutscher oder europäischer Regie sei daher schon aus Selbstschutz wichtig.

Dass Daimler es selbst macht, wolle er gar nicht, betonte Brecht. Der Autobauer hatte sich in der Vergangenheit schon einmal an der Zellfertigung versucht, sie aber wieder aufgegeben. Er sehe nun die Zulieferer am Zug – versehen aber mit Zusagen der Autobauer, dann auch gewisse Mengen abzunehmen.

„Die Zelllieferanten von heute lernen jeden Tag. Und wenn Sie jetzt eine Zellfertigung aufbauen, dann kann diese erste Generation noch nicht wirtschaftlich sein. Deswegen muss das auch mit Unterstützung der Politik erfolgen“, sagte Brecht – aber die gebe es. „Es gibt ja ganz klare Signale bis hin zur Kanzlerin, die sagt: Wir wollen sowas in Deutschland haben und wir wollen euch unterstützen.“

Das Argument, dass es genug Zellen zu niedrigen Preisen auf dem Weltmarkt gebe, lässt Brecht nicht gelten. „Wenn wir irgendwann in einigen Jahren einen Punkt erreichen, an dem die Nachfrage deutlich höher ist als das Angebot, dann kann ich heute hundertmal sagen, dass ich die Zellen relativ günstig kriege“, sagte der Betriebsrats-Chef. „Es gibt heute Überkapazitäten. Wenn das morgen nicht der Fall ist, dann können die die Preise bestimmen, die können dann alles bestimmen. Und dann ist das ganze Szenario, das unsere heutigen Vorstände in ihren Köpfen haben, auf einmal morgen nicht mehr da.“

Die Batterie gehört zu den mit Abstand teuersten Komponenten eines Elektroautos. Aus diesem Grund entscheiden ihre Produktionskosten auch in hohem Umfang den Preis für das gesamte Elektroauto. „Die Zellen machen den technologischen Unterschied und sind der teuerste Bestandteil der Batterie“, wird ein Professor für Materialwirtschaft von der Universität Münster von oilprice.com zitiert.

Doch nicht nur die Autonomie von Zulieferern und Preisvorteile sprechen für den Aufbau einer eigenen deutschen Zellenfertigung, sondern auch langfristige strategische Aspekte. Nur wer eine eigene Batteriezellenproduktion kontrolliert, kann von künftigen technologischen Durchbrüchen in diesem Bereich auch wirklich profitieren. Solche künftigen Durchbrüche sind sehr wahrscheinlich, weil der gesamte Markt derzeit noch in den Kinderschuhen steckt und schon jetzt zahlreiche Innovationen stattfinden.

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