Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht im Streit über den UN-Migrationspakts einen Testfall, ob überhaupt noch multilaterale Vereinbarungen geschlossen werden können. "Entweder schaffen wir es, gemeinsame globale Lösungen zu erarbeiten, Schritt für Schritt, manchmal zu langsam - oder aber auch nicht", sagte Merkel am Sonntag bei einem Auftritt mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Berlin. Sie räumte ein, dass es in Deutschland und der EU derzeit eine "sehr kontroverse Auseinandersetzung" über den Pakt gebe.
Die Übereinkunft soll weltweit Standards im Umgang mit Arbeitsmigranten und Flüchtlingen festschreiben und im Dezember in Marokko verabschiedet werden. Die von Rechtsregierungen geführten EU-Staaten Österreich, Ungarn, Polen und Tschechien sind von dem gemeinsam ausgehandelten Pakt wieder abgerückt. Obwohl die CDU/CSU-Bundestagfraktion und auch der Bundestag dem Pakt nach einer Debatte mit großer Mehrheit zugestimmt hatten, haben nun Teile der CDU den Pakt abgelehnt. Die CDU Sachsen-Anhalt hatte am Samstag auf einem Landesparteitag eine Ablehnung durch die Bundesregierung gefordert.
Gesundheitsminister Jens Spahn, der auch CDU-Vorsitzender werden will, sprach sich angesichts der Kritik in der "Bild am Sonntag" für eine erneute Debatte auf dem CDU-Bundesparteitag im Dezember aus und kritisierte, Chancen und Risiken des Pakts seien nicht ausreichend diskutiert worden. In der Diskussion über den geplanten UN-Migrationspakt stößt Gesundheitsminister Jens Spahn in der CDU auf Kritik mit seinem Vorschlag, über eine deutsche Zustimmung erst noch auf dem Parteitag im Dezember zu diskutieren.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sagte der «Bild»-Zeitung (Montag): «Die Unterzeichnung des Migrationspakts notfalls zu verschieben, wäre eine doppelte Führungsschwäche, die sich Deutschland nicht erlauben darf.» Der Pakt sei auch «ein enorm wichtiger erster Schritt der internationalen Gemeinschaft, Migration zu steuern».
Vizefraktionschef Stephan Harbarth (CDU) sagte der Heidelberger «Rhein-Neckar-Zeitung» (Montag): «Es gibt keine Veranlassung, etwas an dem vorgesehenen Zeitplan für den UN-Migrationspakt zu ändern. Der Deutsche Bundestag wird Ende November einen Antrag verabschieden, durch den er sich eindeutig positioniert und der Bundesregierung Rückendeckung gibt.»
Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Entwicklungshilfe, Peter Ramsauer (CSU), will den UN-Pakt «nicht mittragen». «Durch das gesamte Dokument zieht sich eine Haltung, Migration als etwas Normales und gar Wünschenswertes anzusehen», sagte er der «Welt». «Das öffnet dem Flüchtlingsstrom nach Europa und nach Deutschland Tür und Tor.» Und: «Das Unbehagen wird in unserer Fraktion und der CSU-Landesgruppe auf breiter Front geteilt.»