Gemischtes

Höchstgericht: Diesel-Grenzwerte der EU sind ungültig

Die von der EU-Kommission festgelegten Grenzwerte für Diesel-Abgase sind dem Europäischen Gerichtshof zufolge ungültig.
13.12.2018 10:47
Lesezeit: 2 min

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat das Tor geöffnet für Fahrverbote gegen Dieselautos der neuesten Generation. Das Gericht erklärte am Donnerstag eine Verordnung der EU-Kommission zu höheren Abgaswerten für Diesel der Abgasnorm Euro 6 für teilweise nichtig. Die Städte Paris, Brüssel und Madrid dürfen damit die dort festgelegten Grenzwerte für Stickoxid anfechten und im Zweifel Dieselautos aussperren - obwohl diese offiziell zugelassen wurden.

Hintergrund des Streits ist, dass die EU-Kommission bei der Einführung des neuen Abgastests RDE, der die Emissionen auf der Straße statt im Labor misst, die Grenzwerte nachträglich erhöht hatte. Statt den im Euro-6-Regelwerk vorgeschriebenen 80 Milligramm Stickstoffdioxid je Kilometer dürfen die Dieselautos für eine Übergangszeit 168 Milligramm und danach 120 Milligramm ausstoßen. Begründet hatte die Kommission das mit Messungenauigkeiten.

Sie hatte die Entscheidung kurz nach Bekanntwerden des Dieselskandals 2015 gefällt. Damals war klar geworden, dass Autohersteller die Abgastests im Labor manipulieren, sodass die Autos dort deutlich weniger Abgase ausstoßen als auf der Straße. Somit konnten die Autobauer die offiziellen Grenzwerte einhalten, obwohl ihre Autos im realen Betrieb gar nicht sauberer wurden. Genau mit dieser Praxis sollte der RDE-Test eigentlich ein Ende machen.

Wenn die Autos mehr von den Stickoxid-Reizgasen ausstoßen dürfen, macht es das für die Städte schwerer, die gesetzlichen Vorgaben zur Luftqualität einzuhalten. Paris, Madrid und Brüssel hatten in den vergangenen Jahren die Regeln für ihre Umweltzonen verschärft. Paris verfolgt sogar den Plan, ab 2024 gar keine Dieselautos mehr in die Stadt zu lassen.

Mit seinem Urteil erklärte das niedrigste EU-Gericht nun, dass die Städte gegen die erhöhten Grenzwerte der EU-Kommission klagen dürfen. Die Kommission hatte das bestritten. Das Gericht stellte fest, dass die Kommission den Euro-6-Grenzwert im RDE-Test gar nicht hätte aufweichen dürfen. Es begründet das damit, dass der Grenzwert von 80 Milligramm laut Verordnung "im praktischen Fahrbetrieb und damit bei den RDE-Prüfungen eingehalten werden" müsse. Das sei eine "wesentliche Bestimmung", die die Kommission nicht abändern könne.

Die Richter geben der Kommission zwölf Monate Zeit, um die Grenzwerte abzusenken. Die Frist beginnt in zwei Monaten - falls die Kommission nicht Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegt.

Ob das Urteil direkte Auswirkungen auf die Fahrverbote in Deutschland hat, ist fraglich. Bislang sind nur Autos der Euronorm 4 oder schlechter von Aussperrungen betroffen. Euro-5-Diesel dürfen laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts frühestens ab September 2019 mit Fahrverboten belegt werden.

Offen ist, ob danach auch Euro-6-Diesel drankommen. Zum einen sinken die Stickoxid-Werte in den meisten Städten, zum anderen beschloss die Bundesregierung eine Aufweichung der Grenzwerte für Stickoxid in der Stadtluft und will Autos der Euronorm 6 gesetzlich von Fahrverboten befreien. Es ist allerdings unklar, ob diese Regelung vereinbar mit Europarecht sind.

Die Diesel-Antriebstechnologie besitzt eine wichtige Funktion für die gesamte deutsche Wirtschaft, weil der Automobilsektor Anziehungspunkt für tausende Zulieferbetriebe ist. Im drittel Quartal des laufenden Jahres war die Wirtschaftsleistung bereits gesunken, weil die Autobauer aufgrund neuer Zulassungstests kaum noch neue Wagen auf den Markt bringen konnten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Personalbindung neu gedacht: Warum Freiwilligkeit stärker wirkt als Loyalität
20.07.2025

Kluge Personalbindung funktioniert nur ohne Zwang: Wer Mitarbeitende an sich ketten will, verliert die Besten – echte Loyalität gibt es...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jobshadowing: Einblicke und neue Perspektiven schaffen
20.07.2025

Im Rahmen von Job Shadowing können Interessierte von erfahrenen Mitarbeitern lernen und Einblicke in die Arbeitsabläufe innerhalb des...

DWN
Technologie
Technologie Drohnen: Warum Europa beim Luftraum ein Problem hat
20.07.2025

Spionagedrohnen überfliegen ungehindert Militärstützpunkte, kooperative Kampfdrohnen fehlen – und beim Einsatz ziviler Drohnen...

DWN
Technologie
Technologie Huawei schlägt zurück: Chinas Tech-Gigant lässt Apple & Co. alt aussehen
20.07.2025

Totgesagt und sanktioniert – doch jetzt ist Huawei zurück an der Spitze. Mit eigener Chiptechnologie und ohne Android zeigt Chinas...

DWN
Immobilien
Immobilien Mängel beim Immobilienkauf: So setzen Käufer ihre Rechte durch
20.07.2025

Wasser im Keller, Schimmel hinter der Tapete – und im Vertrag steht „gekauft wie gesehen“. Doch wer Mängel verheimlicht, verliert...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Tesla: Wie Elon Musk seine eigene Konkurrenz großzog
19.07.2025

Elon Musk wurde in China gefeiert, hofiert und mit Privilegien überschüttet – doch während Tesla half, Chinas E-Auto-Industrie...

DWN
Technologie
Technologie Lokale Rechenzentren: Auslaufmodell oder Bollwerk digitaler Souveränität?
19.07.2025

Cloud oder eigenes Rechenzentrum? Unternehmen stehen vor einem strategischen Wendepunkt. Lokale Infrastruktur ist teuer – aber oft die...

DWN
Panorama
Panorama Rentenvergleich: So groß ist der Unterschied zwischen Ost und West
19.07.2025

Im Osten der Republik erhalten Frauen im Schnitt deutlich mehr Rente als im Westen. Jahrzehntelange Unterschiede in der Erwerbsbiografie...