Daimler, MAN und andere Lkw-Hersteller in Europa stehen vor milliardenschweren Schadenersatzklagen von Kunden wegen ihres 2011 aufgeflogenen Kartells. Gut 7000 Transportunternehmen hätten mit den beiden bisher am Landgericht München eingereichten gemeinsamen Klagen Ansprüche von mehr als einer Milliarde Euro erhoben, erklärte der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) am Mittwoch in Frankfurt. "Wir gehen derzeit von einem Schaden von über einer Milliarde Euro aus", sagte BGL-Chef Dirk Engelhardt. Mit Urteilen sei aber nicht vor 2020 zu rechnen.
Die EU-Kommission sah es als erwiesen an, dass Daimler, MAN, Volvo/Renault, DAF, Iveco und Scania sich von 1997 bis 2011 über Preise abgesprochen hatten. Zudem hätten sie verabredet, mit strengeren Abgasvorschriften verbundene Kosten auf die Kunden abzuwälzen. 2016 verhängte die Wettbewerbsaufsicht gegen vier Hersteller ein Bußgeld von insgesamt 2,9 Milliarden Euro. Gegen Scania folgte 2017 dann eine Strafe von 880 Millionen Euro, gegen die sich die schwedische Volkswagen-Tochter wehrt. Ihre Konzernschwester MAN ging straffrei aus, weil die Münchner als Kronzeuge die Sache ins Rollen gebracht hatten.
Die klagenden Transportfirmen sehen sich geschädigt, weil sie wegen des Kartells höhere Preise für Lastwagen gezahlt hätten als ohne die illegalen Absprachen. Unter Regie des Verbandes BGL bündelten gut 7000 Firmen aus 26 Ländern ihre Ansprüche und traten sie an die Kanzlei Hausfeld ab. Diese reichte die Klagen in München gegen alle Hersteller bis auf Scania zusammen Ende 2017 und Ende 2018 ein. Eine dritte Gemeinschaftsklage ist noch in Arbeit. Die geforderte Schadenssumme konnte der BGL erst jetzt nennen, weil diese für die mittlerweile rund 150.000 Fahrzeuge aufwendig von Gutachtern ermittelt werden musste.
HERSTELLER SEHEN KEINEN SCHADEN
Die Hersteller hatten zwar das Kartell zugegeben, bestreiten aber, den Kunden geschadet zu haben. So erklärte MAN, die EU-Kommission habe nur Absprachen der Bruttopreise angeprangert. "Da Endkunden aber niemals Bruttolistenpreise sondern nur individuell vereinbarte Nettopreise bezahlen, handelte es sich bei dem Verstoß nicht um eine Preisabsprache im engeren Sinne", erklärte ein Sprecher.
Neben den Mammutklagen unter Regie des BGL gibt es noch viele Klagen einzelner Unternehmen, von Kommunen, der Bahn oder der Bundeswehr. Die Landgerichte entschieden dem BGL zufolge bisher überwiegend zu Gunsten der Lkw-Käufer. Daimler hatte im vergangenen Jahr angekündigt, gegen eine solche Entscheidung des Landgerichts Stuttgart in Berufung zu gehen. "Wir gehen davon aus, dass unseren Kunden kein Schaden entstanden ist", bekräftigte ein Sprecher mit Blick auf die Massenklage der Transportunternehmen. Diese werde Daimler prüfen und sich gegen unberechtigte Ansprüche entschieden zur Wehr setzen.
Der BGL hofft trotz der harten Haltung der Lkw-Bauer, dass diese sich doch noch zu Entschädigungen durchringen, um jahrelangen teuren Rechtsstreit zu vermeiden. Bisher hätten sie das jedoch abgelehnt, sagte Engelhardt.