Finanzen

Türkei: Parlament stattet Erdogan mit Vollmachten für Wirtschaftskrise aus

Der türkische Präsident Erdoğan darf einem neuen Gesetz zufolge per Notstandsgesetzgebung in die Wirtschaft eingreifen, falls es zu einer Krise kommt.
18.01.2019 17:17
Lesezeit: 2 min

Das türkische Parlament stimmte am Mittwoch dafür, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit Notfall-Vollmachten ausgestattet wird, falls es zu einer Finanzkrise kommen sollte. Auf der rechtlichen Ebene handelt es sich um eine Notstands-Befugnis, die alleine vom Präsidenten unter Umgehung des Parlaments ausgeführt werden darf, berichtet Bloomberg. Die Befugnis ist Teil eines größeren Wirtschafts-Gesetzes, das die türkische Wirtschaft stützen soll.

Das Parlament billigte auch die Bildung eines Ausschusses für Finanzstabilität und -entwicklung, der alle Anstrengungen unternehmen solle, um die Risiken für die Finanzstabilität und die Sicherheit zu minimieren.

Zuletzt hatte der Währungsverfall der Türkischen Lira die Kreditkosten der türkischen Unternehmen und Bürger drastisch erhöht, da die Kredite weitgehend in Fremdwährungen (hauptsächlich Dollar und Euro) denominiert sind.

Erdoğan gilt als Gegner von hohen Zinsen. Seiner Ansicht zufolge führen Zinserhöhungen nur zu schnelleren Kursgewinnen. Bereits in der Vergangenheit hatte er der Zentralbank gedroht und gefordert, dass diese die Leitzinsen senken solle. Die Aussicht, dass Erdogan nun im Fall einer Verschlechterung der Finanzlage mit deutlich mehr Befugnissen ausgestattet werden soll, lässt Beobachter weiter an der Unabhängigkeit der Zentralbank zweifeln.

Dem neuen Wirtschaftsgesetz zufolge sollen beispielsweise Abfindungen, die von den Arbeitgebern an ihre Arbeitnehmer gezahlt werden von der Steuer befreit werden, berichtet die türkische Wirtschaftszeitung Dünya Gazetesi. Zudem werden die Raffinerien in der Türkei verpflichtet, illegal gehandeltes Öl, das zuvor von den Behörden sichergestellt wurde, zu kaufen. Produkte, die in den Privathaushalten hergestellt werden, um sie anschließend auf den Markt zu bringen, werden von der Steuer befreit. Dieser Passus betrifft offenbar die türkische Tourismusindustrie, da einige Bürger beispielsweise Ketten, Textilien und Souvenirs zuhause herstellen, um sie an Touristen zu verkaufen.

Die Fußball-Clubs und alle juristischen Personen, die im aktuellen Jahr am UEFA Supercup Finale und im kommenden Jahr am UEFA Champions League Finale mitwirken werden werden im Rahmen dieser Veranstaltungen von der Steuer befreit.

Die Inflation in der Türkei hatte Ende 2018 wegen Steuersenkungen und Rabatten deutlicher als erwartet nachgelassen. Die Verbraucherpreise stiegen im Dezember um 20,3 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt am Donnerstag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit 20,5 Prozent gerechnet, nachdem im Oktober noch ein 15-Jahreshoch von 25 Prozent erreicht worden war. Zum zweiten Rückgang in Folge beigetragen hat die Regierung, die Steuern für Konsumgüter wie Fahrzeuge, Möbel und Haushaltsgeräte senkte. Sie rief zudem Geschäfte auf, bis Ende 2018 mindestens zehn Prozent Rabatt auf Waren anzubieten, die sich zuvor besonders stark verteuert hatten, so Reuters.

Trotzdem bleibt die Inflation auf einem hohen Niveau und zehrt an der Kaufkraft der Verbraucher. Grund dafür ist die Abwertung der Türkischen Lira. Sie verlor im vergangenen Jahr etwa 28 Prozent im Vergleich zum Dollar.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China-Zölle auf EU-Weinbrand kommen nun doch – das sind die Folgen
04.07.2025

China erhebt neue Zölle auf EU-Weinbrand – und das mitten im Handelsstreit mit Brüssel. Betroffen sind vor allem französische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaspreise steigen wieder: Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet
04.07.2025

Nach einem deutlichen Preisrückgang ziehen die europäischen Gaspreise wieder an. Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet –...

DWN
Panorama
Panorama Schwerer Flixbus-Unfall auf der A19 bei Röbel: Was wir wissen und was nicht
04.07.2025

Ein Flixbus kippt mitten in der Nacht auf der A19 bei Röbel um. Dutzende Menschen sind betroffen, ein Mann kämpft ums Überleben. Noch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Solarausbauziel in Deutschland bis 2030 zur Hälfte erfüllt
04.07.2025

Deutschland hat bereits einen großen Schritt in Richtung Solarenergie gemacht – doch der Weg ist noch weit. Trotz beachtlicher...

DWN
Politik
Politik One Big Beautiful Bill: Das steckt hinter Trumps Steuererleichterungen
04.07.2025

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag setzt Donald Trump ein innenpolitisches Zeichen: Mit dem "One Big Beautiful Bill" will er seine...

DWN
Panorama
Panorama Waldbrand Sachsen: Gohrischheide - über 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz
04.07.2025

Hitze, Trockenheit und starker Wind: In Sachsen und Thüringen kämpfen Einsatzkräfte gegen massive Waldbrände. Besonders die...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Neue Mütterrente wohl erst ab 2028 umsetzbar
04.07.2025

Die Ausweitung der Mütterrente sorgt für Diskussionen: Einigkeit herrscht über das Ziel, Uneinigkeit über das Tempo. Millionen Mütter...

DWN
Finanzen
Finanzen Sparen für Kinder: Welche Anlagen sich wirklich lohnen
04.07.2025

Eltern wollen ihre Kinder finanziell absichern, doch viele verschenken Chancen. Statt renditestarker Anlagen dominiert Vorsicht, oft ohne...