Politik

Kohleausstieg: Große Verunsicherung bei Investoren in der Lausitz

Lesezeit: 3 min
31.01.2019 17:18
Investoren in der Lausitz sind aufgrund des geplanten Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung verunsichert. Für die Region brechen ungewisse Zeiten an.
Kohleausstieg: Große Verunsicherung bei Investoren in der Lausitz

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Der Vorsitzende des Vereins “Pro Lausitzer Braunkohle”, Wolfgang Rupieper, sagte im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass im gesamten Lausitzer Braunkohlesektor etwa 8.000 Menschen direkt beschäftigt sind. Zusammen mit den indirekt Beschäftigen ergibt sich eine Anzahl von etwa 20.000 Personen.

Allerdings seien bereits 600 Arbeitsplätze in den Bereichen der Braunkohleförderung und der Verstromung durch den geplanten Kohle-Ausstieg vom Wegfall betroffen. “Mit den jungen Leuten, die ihre Ausbildung gemacht haben, um anschließend Zeitverträge im Braunkohlesektor zu erhalten, sind etwa 1.000 Arbeitsplätze betroffen. Diese Zeitverträge werden nun nicht mehr verlängert”, so Rupieper.

Auf Nachfrage, wie die Wertschöpfung des Braunkohlesektors in der Lausitz einzustufen ist, antwortete Rupieper: “Die jährliche Wertschöpfung im Lausitzer Braunkohlesektor beträgt 1,4 Milliarden Euro. Hierzu zählen unter anderem Gehälter, Steuern und Aufträge. Die Braunkohleförderung ist aus dieser Sicht auch sehr wichtig für die Kommunen, weil sie von den Steuern, die im Rahmen der Braunkohleförderung und Braunkohleverstromung anfallen, profitieren. Der Bund wird über die nächsten 20 Jahre Ausgleichszahlungen vornehmen, um diese Wertschöpfung zu kompensieren. Aber was passiert danach? Das ist völlig unklar. Was passiert, wenn die Wertschöpfung in Höhe von 1,4 Milliarden Euro nach diesem Zeitraum abrupt wegfällt.”

Zur Lage der Unternehmen führte Rupieper aus: “Bei den Investoren vor Ort herrscht eine Verunsicherung, weil schlichtweg die Planungssicherheit fehlt. Siemens und ABB, die als sehr kohle-affine Unternehmen eingestuft werden können, sind davon betroffen. Die Unternehmen stellen sich die Frage: ,Lohnen sich noch Investitionen in der Lausitz?’”

Bericht des Lausitz-Beauftragten

Aus einem Bericht des Lausitz-Beauftragten der Landesregierung Brandenburg geht hervor: “Die sächsische und brandenburgische Lausitz befindet sich seit Jahrzehnten in einer strukturellen Veränderung. Die Lausitz ist eine stark durch die Braunkohleförderung und -verstromung geprägte Wirtschaftsregion mit ca. 8.000 direkt in der Energiewirtschaft Beschäftigten (...) Aufgrund der über 200-jährigen Geschichte des Braunkohlenbergbaus in der Region besteht eine sehr enge Verbundenheit der Menschen mit diesem Industriezweig (...) Nur wenn vor Einsetzen der neuerlichen wirtschaftlichen Veränderungen die Voraussetzungen für die Zukunft der Region geschaffen werden, wird es gelingen, die Vielzahl der Arbeitsplätze, die in der gesamten Lausitz direkt oder indirekt von der Braunkohle abhängen, langfristig durch gleichwertige Beschäftigungsverhältnisse zu ersetzen.

Aus einer Redevorlage, die der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach am 31. Januar 2019 im Landtag Brandenburg gehalten hat, und die den Deutschen Wirtschaftsnachrichten vorliegt, geht hervor: “40 Milliarden Euro über 20 Jahre werden (...) notwendige Finanzierung für den Strukturentwicklungsprozess der Bundesregierung zur Finanzierung empfohlen. Zwischen 10 und 11 Milliarden Euro würden davon direkt in Brandenburg ankommen. Dazu kommt die Kompensation steigender Strompreise bzw. Netzentgelte in Höhe weiterer 20 Milliarden Euro bis 2030. Diese Zahlen sollten den Menschen im Lausitzer Revier Hoffnung machen und Perspektive aufzeigen. Aus Sicht des Klimaschutzes ist 2038 zu spät. Dazu zwei Dinge: Erstens – Der Pfad, der jetzt beschrieben worden ist, sichert die Einhaltung der Klimaziele für 2030. Das wurde in der Nacht von niemandem in Frage gestellt. Zweitens - das Enddatum für die Kohle ist nicht in Stein gemeißelt. Deshalb soll es ja diese Haltepunkte geben – 2023, 2026, 2029 und 2032.”

Stimmen aus der Lausitzer Wirtschaft

Der deutsche Energieanalyst Dr. Wolfgang Rasim führt in einem Gastbeitrag für den Verein “Pro Lausitzer Braunkohle” aus, dass das Lausitzer Braunkohlerevier kein “Klimakiller” sei. Rasim wörtlich: “Während 97 bis 98 Prozent des globalen CO2-Umsatzes  bzw. –Kreislaufs auf geologischen, biologischen u. a. natürlichen Vorgängen beruht, betragen die aus der Verbrennung fossiler Energieträger herrührenden Emissionen nur etwa 2 bis 3 Prozent. Letztere stiegen seit 1990 von 23 auf über 34 Milliarden Tonnen pro Jahr, also um fast 50 Prozent! Dazu tragen Deutschland mit etwa 850 Millionen Tonnen pro Jah 2,5 Prozent; die EU 15 Prozent und alle Brandenburger BK-Kraftwerke 0,1 Prozent bei.”

Der Verein “Pro Lausitzer Braunkohle” hat mehrere Stimmen aus der regionalen Wirtschaft zu Wort kommen lassen, die das Braunkohlerevier Lausitz unterstützen.

Der ehemalige Hauptgeschätfsführer der IHK Cottbus, Wolfgang Krüger, argumentiert: “Die Braunkohlebranche ist das industrielle Herz der Lausitz (...) Zudem bleibt die Braunkohleverstromung auch angesichts der Energiewende noch auf viele Jahre hinaus eine für ganz Deutschland unersetzbare Übergangstechnologie.”

Eberhard Perschk (Geschäftsführer EMIS Electrics) sagt: “Braunkohle = Nachhaltigkeit und Verantwortung für die Lausitz und für Deutschland.”

Karl Heinz Tebel (Vorsitzender der Geschäftsführung BASF Schwarzheide) führt aus: “Ich gebe meine Stimme fürs Revier, weil die Sicherung und Entwicklung der Lausitzer Energiewirtschaft eine große Chance sowohl für die heimische Industrie als auch für Forschung, Entwicklung und Lehre an den Lausitzer Hochschulen ist, die entsprechende Schwerpunkte bei Energie und Umwelt gelegt haben.”

Bernd H. Williams-Boock, Geschäftsführer Ortrander Eisenhütte: “Kohle ist Energie und die Lausitz ist Energie. Ohne Kohle keine Zukunft. Deshalb meine Stimme für die Lausitz, meine Stimme fürs Revier.”

Steffen Söll (Geschäftsführer SKM): “Unsere Zukunft hängt zu einem nicht unbedeutenden Teil auch von der weiteren Förderung der Braunkohle in der Region ab, denn die Kohle- und Energiewirtschaft gehört natürlich zu einem unserer wichtigsten Auftraggeber.”


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