Laut einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft Zeb verzeichnen die Filialbanken in den meisten Ländern Europas derzeit eine Stagnation ihrer Einnahmen. Ihre Erträge werden demnach im Jahr 2022 mit 256 Milliarden Euro um rund 6 Prozent unter dem Niveau von 2017 liegen. In Deutschland würden die Erträge von Sparkassen, Volksbanken und privaten Banken wie Deutsche Bank oder Commerzbank der Studie zufolge in drei Jahren nur noch 39 Milliarden Euro ausmachen. Das wären rund 7 Prozent weniger als noch im Jahr 2017.
Grund für die fallenden Erträge bei Europas und Deutschlands Banken sind der Zeb-Studie zufolge vor allem die geringen Margen im Einlagengeschäft. In den kommenden fünf Jahren erwarten die Berater einen Rückgang der Einlagenerlöse um mehr als 40 Prozent. Grund dafür ist, dass die vor fünf Jahren von der EZB eingeführten Negativzinsen auf Einlagen bei der Zentralbank das Einlagengeschäft der Geschäftsbanken schwer unter Druck setzen. Seit dem Jahr 2016 liegt der Strafzins sogar bei minus 0,4 Prozent.
Auch der Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV) betrachtet die anhaltende Niedrigzinsphase neben der Digitalisierung und damit verbunden dem veränderten Kundenverhalten als eine große Herausforderung für die Geschäftsbanken. Der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe begrüßt daher Pläne, die man derzeit bei der EZB diskutiert, einen dreistufigen Einlagenzinssatz einzuführen. Wegen der verminderten Deflationsgefahr ist die Umsetzung dieser Pläne zuletzt wahrscheinlicher geworden.
Den Plänen zufolge würden die Geschäftsbanken nur noch für einen Teil ihrer Zentralbankeinlagen bei der Europäischen Zentralbank Strafzinsen zahlen. Ein weiterer Teil wäre zinsfrei und ein dritter Teil würde sogar positiv verzinst. "Als DSGV sprechen wir uns für abgestufte Zinssätze der EZB aus, wie sie die Schweizer Nationalbank bereits anwendet. Wir sehen darin eine Möglichkeit, unerwünschte Effekte der Niedrigzinspolitik zu begrenzen", sagte der Verband gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.
Auch die Commerzbank spürt die Auswirkungen der Zinspolitik. "Durch die negativen Zinsen und den Margendruck sind in Deutschland nicht die Erträge zu erwirtschaften wie in anderen Ländern", sagte ein Pressesprecher gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Trotzdem sei man in den vergangenen beiden Jahren bei Kunden und Assets gewachsen. Zudem wolle die Commerzbank an ihrem dichten Netz von rund 1.000 Filialen in Deutschland festhalten.
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) würde die bei der EZB diskutierten Pläne ebenfalls begrüßen. "Eine in Rede stehende Freibetragsregelung für Guthaben der Kreditinstitute bei der EZB würde zwar die Belastungen für die Banken aus den negativen Zinsen senken, aber das grundsätzliche Problem zu niedriger Zinsen nicht beseitigen", so der Verband gegenüber den DWN. "Bedauerlicherweise hat der EZB-Rat letzte Woche keine Entscheidung über eine Freibetragsregelung für Guthaben der Kreditinstitute bei den Notenbanken getroffen. Dies wäre ein erster Schritt in Richtung normaler Verhältnisse der Geldpolitik gewesen."
Der Spitzenverband der genossenschaftlichen Bankengruppe warnt jedoch, dass die diskutierten Lockerungen beim Strafzins "auf keinen Fall als Rechtfertigung für ein weiteres Verschleppen der Zinswende dienen" dürften. Mit ihrem Beharren auf einer anhaltenden Negativzinspolitik drücke die EZB die Renditen am Kapitalmarkt weiterhin in Richtung historischer Tiefstände - trotz steigender Verbraucherpreise.
Aktuell haben die Genossenschaftsbanken noch 10.520 Bankstellen und damit 588 weniger als vor einem Jahr, so der Verband der Genossenschaftsbanken. "Zusätzlich stehen gut 3.800 SB-Zweigstellen bereit, sodass wir insgesamt das größte Filialangebot aller deutschen Banken für unsere Kunden bereithalten." Dass die Zahl der Filialen seit Jahren sinkt, liege in geringerem Maße auch an der Niedrigzinspolitik der EZB, da die Banken rückläufige Erträge aus dem Zinsgeschäft kompensieren müssten.
Doch in erster Linie seien die rückläufigen Filialzahlen eine Folge des veränderten Kundenverhaltens. Laut BVR nutzen viele Kunden verstärkt die digitalen Angebote und kommen weniger häufig in die Filiale. Mittlerweile nutzen rund 12 Millionen Kunden das genossenschaftliche Onlinebanking. Zwei Drittel aller Überweisungen werden demnach elektronisch erteilt. Auf das Jahr gerechnet, loggen sich die Kunden 756 Millionen Mal ins Onlinebanking ein. "Die VR-Banking App hat mit 800 Millionen Logins das klassische Onlinebanking mittlerweile eingeholt. 2017 waren es noch 300 Millionen."