Deutschland

EZB intern: Mitglieder bezweifeln eigene Wachstums-Prognosen

Lesezeit: 1 min
16.04.2019 11:43
Die Möglichkeit einer Rezession der Weltwirtschaft wird intern von einer wachsenden Zahl an EZB-Mitgliedern ernstgenommen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Wirtschaftsprognosen der Europäischen Zentralbank (EZB) werden Insidern zufolge intern immer mehr infrage gestellt. Wegen der Konjunkturabkühlung in China und der von den USA angefachten Handelskonflikte stuften immer mehr EZB-Vertreter die Vorhersagen für die Euro-Zone als zu optimistisch ein, sagten vier mit den Diskussionen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Auf der jüngsten Zinssitzung habe eine "signifikante Minderheit" die Vorhersage bezweifelt, dass das Wachstum im zweiten Halbjahr wieder anziehen werde. Einige hätten wegen der zuletzt wiederholten Prognosesenkungen sogar die Vorhersage-Modelle angezweifelt.

Die Prognosen der hauseigenen Ökonomen - auch "Projektionen" genannt - sind ein wichtiger Faktor, der in die geldpolitischen Überlegungen der EZB einfließt. Sollten sie weiter nach unten korrigiert werden, könnte die Euro-Notenbank die erste Zinserhöhung seit 2011 womöglich erneut nach hinten verschieben. Erst im März hatte sie beschlossen, ihre Leitzinsen noch bis mindestens zum Jahresende nicht anzutasten. Zuvor hatte sie dies bis lediglich über den Sommer hinaus in Aussicht gestellt. Weiterhin sieht die EZB aber viele der für die jüngste Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft verantwortlichen Ursachen als vorübergehend an. EZB-Chef Mario Draghi hält daher eine Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr noch immer für möglich.

Den Insidern zufolge waren einige Ratskollegen zuletzt aber weniger zuversichtlich. Sie hielten die bremsenden Faktoren keinesfalls nur für temporär, weshalb auch wenig für eine deutliche Erholung im zweiten Halbjahr spreche. So habe zwar etwa die deutsche Autobranche insbesondere unter der Umstellung auf den neuen Abgasprüfstandard WLTP gelitten. Ein sich änderndes Verbraucherverhalten, der Trend weg vom Diesel und eine schwächere Nachfrage in China könnten aber permanente Faktoren sein. Auch die Eintrübung im Welthandel sei womöglich keine Eintagsfliege. Handelskonflikte schienen inzwischen eher die Regel zu sein und nicht die Ausnahme. Die EZB lehnte eine Stellungnahme ab.

Manche Währungshüter sind laut den Insidern sogar der Auffassung, dass die Vorhersage-Modelle der EZB überprüft werden sollten. Zuletzt hatten die Volkswirte der Zentralbank ihre Wachstumsprognosen von Quartal zu Quartal nach unten revidiert. Derzeit erwarten sie 2019 ein Wirtschaftswachstum im Euroraum von 1,1 Prozent. Noch im Dezember hatten sie 1,7 Prozent geschätzt, davor waren es im September 1,8 Prozent. Den Insidern zufolge zeigte Draghi aber wenige Monate vor dem Ende seiner Amtszeit an einer vertieften Diskussion über Prognose-Methoden wenig Interesse. Die achtjährige Amtszeit des Italieners läuft Ende Oktober aus. Eine Verlängerung ist nicht möglich.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Politik
Politik Rebellen in Syrien vor entscheidender Schlacht um Homs: Strategischer Knotenpunkt in Gefahr
06.12.2024

Die Rebellenallianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) treibt ihre Offensive gegen die Regierung von Baschar al-Assad voran. Die strategisch...

DWN
Politik
Politik Brandenburg-Koalition: SPD und BSW beschließen offiziell erste Rot-Lila-Koalition
06.12.2024

Die bundesweit erste Zusammenarbeit zwischen SPD und BSW ist in Brandenburg endgültig beschlossen. Nachdem der BSW das Vorhaben einstimmig...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
06.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Mercosur-Abkommen: EU-Kommission erzielt Durchbruch im Handelsdeal mit Südamerika
06.12.2024

Zwischen der Europäischen Union und südamerikanischen Staaten soll eine der größten Freihandelszonen weltweit entstehen. Der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Stabilität vor neuen Impulsen – wie sollten Anleger reagieren?
06.12.2024

Rohstoffexperten haben derzeit Gold genau im Blick, weil der Goldpreis aktuell wenig Bewegung zeigt. Institutionelle Investoren und...

DWN
Panorama
Panorama Wort des Jahres 2024: Ampel-Aus
06.12.2024

Die Wahl zum Wort des Jahres 2024 spiegelt das gesellschaftliche und politische Geschehen wider. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat...

DWN
Politik
Politik Taurus-Lieferung: FDP drängt auf Marschflugkörper für die Ukraine
06.12.2024

Die FDP versucht einen neuen Vorstoß: Im Bundestag wird erneut über einen Antrag zur Lieferung deutscher Marschflugkörper an die Ukraine...