Politik

Macron und Merkel streiten um Macht und Einfluss in der EU

Paris und Berlin können sich nicht auf einen gemeinsamen EU-Kommissionspräsidenten einigen. Auch die Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi ist noch nicht geklärt. Hinter den Kulissen gehen die Verhandlungen weiter.
25.06.2019 17:30
Lesezeit: 2 min

Nach dem ergebnislosen EU-Gipfel wird intensiv versucht, die Blockade bei der Besetzung der Brüsseler Spitzenposten zu durchbrechen. Ratspräsident Donald Tusk verhandelte am Montag nacheinander mit den Fraktionschefs der Grünen, der Sozialdemokraten, der Christdemokraten und der Liberalen im Europaparlament. Bewegung war danach nicht erkennbar. CSU-Vize Manfred Weber kämpft weiter um das Amt des Kommissionspräsidenten, doch seine Chancen sind mehr als ungewiss, nachdem der französische Präsident Emanuel Macron sich öffentlich gegen ihn ausgesprochen hatte. Insbesondere Paris und Berlin haben Differenzen.

“Es gibt unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Interessen, aber auch einen gemeinsamen Willen, diesen Prozess vor der ersten Sitzung des Europäischen Parlaments abzuschließen”, zitiert euronews Tusk. 

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich am Donnerstag nicht auf einen neuen EU-Kommissionschef und die Besetzung vierer weiterer Spitzenämter einigen können. Weber erhebt Anspruch auf die Kommissionsspitze, weil seine Europäische Volkspartei bei der Europawahl wieder stärkste Fraktion wurde. Daneben bewerben sich der Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager. Doch keiner von ihnen fand beim Gipfel eine Mehrheit, so die dpa.

Die neue spanische Fraktionschefin der Sozialdemokraten, Iratxe Garcia Perez, twitterte nach ihrem Gespräch mit Tusk, ihre Fraktion stehe zum Prinzip, dass nur einer der Spitzenkandidaten Kommissionschef werden solle. Man sei überzeugt, dass Timmermans die nötige Mehrheit im Europaparlament finden könne. Das gilt jedoch als sehr fraglich, wenn die EVP auf Weber beharrt. Auch gibt es Zweifel, ob Timmermans Rückhalt bei den Staats- und Regierungschefs hätte. Diese haben das Recht zur Nominierung, das EU-Parlament muss zustimmen.

In Deutschland setzte sich CSU-Parteichef Markus Söder für das Prinzip der Spitzenkandidaten ein. Eine Abkehr würde jeden Demokratisierungsschub in Europa ausbremsen, meinte der bayrische Ministerpräsident. Weber sei der Richtige als Kommissionspräsident und es gebe nach der Europawahl einen legitimen demokratischen Anspruch.

Frankreich und andere EU-Staaten sind gegen das Prinzip der Spitzenkandidaten, denn es gibt den Parteien und dem Parlament mehr Macht. Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, übte scharfe Kritik an Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Er sehe einen "revisionistischen Herrn Macron, der alles tut, die europäische Demokratie zu zerstören", sagte der CDU-Politiker in Berlin. Macron scheine "leider auch antideutsch unterwegs zu sein".

Ein Mitarbeiter des französischen Präsidenten sagte euronews: “Ohne ein deutsch-französisches Abkommen geht nichts. Wir müssen die Namen derer streichen können, die keinen (...) Konsens erzielen.” Damit machte er deutlich, dass Weber in keinster Weise als EU-Kommissionspräsident in Frage komme. 

Ein deutscher Regierungsbeamter teilte euronews unter der Bedingung der Anonymität mit, dass Berlin eine Einigung über die EU-Spitzenjobs bis zum 2. Juli anstrebe. Dazu gehört nicht nur der Posten des EU-Kommissionspräsidenten, sondern auch die Posten des EZB-Chefs (derzeit Mario Draghi), des EU-Außenamts-Chefs (derzeit Federica Mogherini) und des Präsidenten des Europarats (derzeit Donald Tusk).

Sollte sich eine Einigung in der aktuellen Woche als schwer umsetzbar erweisen, könnten nach Angaben von Brüsseler Insidern am 30. Juni oder 1. Juli Gipfeltreffen anderer Staats- und Regierungschefs stattfinden.

Die Sozialdemokraten unterstützen Timmermans, aber er wäre für osteuropäische Staaten wie Ungarn und Polen unangenehm, weil er eine Rolle bei den rechtsstaatlichen Ermittlungen des Blocks gegen ihre nationalistischen Regierungen spielt.

Merkels Bedingung für den endgültigen Sturz Webers könnte darin bestehen, dass weder ein anderer vom Europäischen Parlament vorgeschlagener Kandidat noch eine andere französische Person die Kommission anführen darf. Dies würde auch den Brexit-Unterhändler und rechtsliberalen Franzosen Michel Barnier ausschließen, der seit langem eine inoffizielle Kampagne führt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...