Das Bundesverfassungsgericht wird Ende Juli darüber verhandeln, ob die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind. Das teilte das Karlsruher Gericht am Dienstag mit. Die für den 30. und 31. Juli angesetzte Verhandlung steht demnach unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle. Das Urteil wird erst einige Monate später erwartet.
Es ist bereits das zweite Mal, dass sich das Karlsruher Gericht mit den Anleihekäufen der EZB befasst. Vor knapp zwei Jahren formulierte der Zweite Senat Bedenken, weil die EZB mit dem sogenannten Public Sector Asset Purchase Programme (PSPP) auch Wirtschaftspolitik betreibe und damit möglicherweise in die Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten eingreife. Dies wäre eine Kompetenzüberschreitung und nach den Europäischen Verträgen nicht erlaubt. Das Karlsruher Gericht legte die entsprechenden Fragen dem Europäischen Gerichtshof EuGH zur Vorentscheidung vor. Die Luxemburger Richter billigten die Anleihekäufe der EZB durch ein Urteil vom 11. Dezember 2018 jedoch als zulässig und vertragskonform.
Es wird mit Spannung erwartet, wie der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Vorgaben des EuGH mit seinen eigenen Zweifeln zum Ausgleich bringt. Im Extremfall könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden, dass Deutschland beziehungsweise die Deutsche Bundesbank sich nicht an den Anleihekäufen beteiligen darf. Die EZB begann im März 2015 mit dem groß angelegten Kauf europäischer Staatsanleihen. Seit Ende 2018 werden keine neuen Ankäufe mehr getätigt, jedoch auslaufende Anleihen durch neue ersetzt. In vier Jahren erwarb die EZB insgesamt Papiere im Wert von 2,6 Billionen Euro.
Peter Gauweiler und der Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek kritisieren die Anleihekäufe der EZB in einer Medienmitteilung scharf:
Wenn voraussichtlich im Herbst dieses Jahres das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die Verfassungsbeschwerde gegen das Staatsanleihenankaufprogramm der EZB – das PSPP – sprechen wird, werden vier Jahre seit Einreichung der Verfassungsbeschwerde vergangen sein, und die EZB hat die Staatsanleihenkäufe längst beendet (Ende 2018). Dennoch wird das Urteil keineswegs bedeutungslos sein. Denn erstens kann die EZB die Käufe im Rahmen ihres Ankaufprogramms jederzeit wieder aufnehmen. Und zweitens haben die Zentralbanken des Eurosystems die während der Ankaufphase gekauften Staatsanleihen noch in ihren Depots und ersetzen fällig gewordene Anleihen ständig durch neue Zukäufe.
In der mündlichen Verhandlung wird es vor allem um zwei Fragen gehen: 1. Hat die EZB mit ihren Staatsanleihenkäufen ihr Mandat überschritten? 2. Und ergeben sich aus den Staatsanleihenkäufen Risiken für den Bundeshaushalt, die demokratisch nicht legitimiert sind. Aus unserer Sicht sind beide Fragen zu bejahen. Frage 1 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH), dem das Bundesverfassungsgericht die Sache zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte, mit seinem Urteil vom 11.12.2018 – Rs. C-493/17 – Weiss u.a. – verneint. Dieses Urteil ist aus unserer Sicht evident falsch, weil es sich bei den Staatsanleihenkäufen völlig eindeutig um verbotene monetäre Staatsfinanzierung handelt. Das Bundesverfassungsgericht ist jetzt aufgerufen, von seiner Kompetenz zur „Ultra-vires-Kontrolle“ Gebrauch zu machen und festzustellen, dass die Bundesbank an der weiteren Durchführung des Ankaufprogramms nicht mitwirken darf.
Über die zweite Frage wird das Bundesverfassungsgericht ohne Vorgaben des EuGH entscheiden müssen. Denn der EuGH hat es abgelehnt, die Frage zu beantworten, ob die im Staatsanleihenankaufprogramm angelegte Haftungsvergemeinschaftung mit dem EU-Recht vereinbar ist. Nach unserer Auffassung sind die immensen Haushaltsrisiken, die das Anleihenankaufprogramm für den Bundeshaushalt mit sich bringt, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.