Politik

„Wenn das Gericht über die Anleihekäufe der EZB entscheidet, sind diese längst getätigt“

Lesezeit: 2 min
25.06.2019 17:27
Es ist nicht das erste Mal, dass die EZB vor Gericht steht. Die Frage, die es hier jedoch gilt zu beantworten, lautet: Hat die EZB ihr Mandat überschritten?
„Wenn das Gericht über die Anleihekäufe der EZB entscheidet, sind diese längst getätigt“
Am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das Bundesverfassungsgericht wird Ende Juli darüber verhandeln, ob die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind. Das teilte das Karlsruher Gericht am Dienstag mit. Die für den 30. und 31. Juli angesetzte Verhandlung steht demnach unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle. Das Urteil wird erst einige Monate später erwartet.

Es ist bereits das zweite Mal, dass sich das Karlsruher Gericht mit den Anleihekäufen der EZB befasst. Vor knapp zwei Jahren formulierte der Zweite Senat Bedenken, weil die EZB mit dem sogenannten Public Sector Asset Purchase Programme (PSPP) auch Wirtschaftspolitik betreibe und damit möglicherweise in die Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten eingreife. Dies wäre eine Kompetenzüberschreitung und nach den Europäischen Verträgen nicht erlaubt. Das Karlsruher Gericht legte die entsprechenden Fragen dem Europäischen Gerichtshof EuGH zur Vorentscheidung vor. Die Luxemburger Richter billigten die Anleihekäufe der EZB durch ein Urteil vom 11. Dezember 2018 jedoch als zulässig und vertragskonform.

Es wird mit Spannung erwartet, wie der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Vorgaben des EuGH mit seinen eigenen Zweifeln zum Ausgleich bringt. Im Extremfall könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden, dass Deutschland beziehungsweise die Deutsche Bundesbank sich nicht an den Anleihekäufen beteiligen darf. Die EZB begann im März 2015 mit dem groß angelegten Kauf europäischer Staatsanleihen. Seit Ende 2018 werden keine neuen Ankäufe mehr getätigt, jedoch auslaufende Anleihen durch neue ersetzt. In vier Jahren erwarb die EZB insgesamt Papiere im Wert von 2,6 Billionen Euro.

Peter Gauweiler und der Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek kritisieren die Anleihekäufe der EZB in einer Medienmitteilung scharf:

Wenn voraussichtlich im Herbst dieses Jahres das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die Verfassungsbeschwerde gegen das Staatsanleihenankaufprogramm der EZB – das PSPP – sprechen wird, werden vier Jahre seit Einreichung der Verfassungsbeschwerde vergangen sein, und die EZB hat die Staatsanleihenkäufe längst beendet (Ende 2018). Dennoch wird das Urteil keineswegs bedeutungslos sein. Denn erstens kann die EZB die Käufe im Rahmen ihres Ankaufprogramms jederzeit wieder aufnehmen. Und zweitens haben die Zentralbanken des Eurosystems die während der Ankaufphase gekauften Staatsanleihen noch in ihren Depots und ersetzen fällig gewordene Anleihen ständig durch neue Zukäufe.

In der mündlichen Verhandlung wird es vor allem um zwei Fragen gehen: 1. Hat die EZB mit ihren Staatsanleihenkäufen ihr Mandat überschritten? 2. Und ergeben sich aus den Staatsanleihenkäufen Risiken für den Bundeshaushalt, die demokratisch nicht legitimiert sind. Aus unserer Sicht sind beide Fragen zu bejahen. Frage 1 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH), dem das Bundesverfassungsgericht die Sache zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte, mit seinem Urteil vom 11.12.2018 – Rs. C-493/17 – Weiss u.a. – verneint. Dieses Urteil ist aus unserer Sicht evident falsch, weil es sich bei den Staatsanleihenkäufen völlig eindeutig um verbotene monetäre Staatsfinanzierung handelt. Das Bundesverfassungsgericht ist jetzt aufgerufen, von seiner Kompetenz zur „Ultra-vires-Kontrolle“ Gebrauch zu machen und festzustellen, dass die Bundesbank an der weiteren Durchführung des Ankaufprogramms nicht mitwirken darf.

Über die zweite Frage wird das Bundesverfassungsgericht ohne Vorgaben des EuGH entscheiden müssen. Denn der EuGH hat es abgelehnt, die Frage zu beantworten, ob die im Staatsanleihenankaufprogramm angelegte Haftungsvergemeinschaftung mit dem EU-Recht vereinbar ist. Nach unserer Auffassung sind die immensen Haushaltsrisiken, die das Anleihenankaufprogramm für den Bundeshaushalt mit sich bringt, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...