Deutschland

Deutschland ist bester Kunde von Pipeline-Gas

Das Flüssiggas LNG spielt mittlerweile auch in Deutschland eine wichtige Rolle. Die starke Konzentration auf Pipeline-Gas dürfte aber unangefochten bleiben.
04.07.2019 09:14
Lesezeit: 4 min

Die Bundesregierung hat im März 2019 Subventionen für den Bau von LNG-Terminals (Flüssiggas-Terminals) beschlossen. Geplant ist, in Stade, Brunsbüttel und Wilhelmshafen LNG-Terminals einzurichten, um das Flüssiggas aus den USA importieren zu können. Dadurch soll die einseitige Abhängigkeit von russischen Pipelinegas-Lieferungen abgeschwächt werden. Die RWE AG hatte im September 2018 einen Vertrag zum Kauf von US-LNG unterzeichnet.

Wood MacKenzie hatte im Februar 2019 berichtet: „Obwohl Deutschland Europas größter Gasmarkt ist, bleibt es im LNG-Bereich ein Außenseiter, da es keinen direkten Zugang zum schnell wachsenden globalen LNG-Markt hat (...). Die politische Unterstützung hat ausgereicht, um drei Vorschläge für LNG-Importterminals anzuregen. Zwei der drei Terminals haben bereits Vereinbarungen für Kapazitätsbuchungen getroffen (...). Die Möglichkeit, dass Deutschland mehr als ein Terminal entwickelt, wurde nicht ausgeschlossen, und das Marktinteresse legt nahe, dass dies möglich ist. Wir erwarten eine finale Investitionsentscheidung für mindestens eines der vorgeschlagenen Projekte bis Ende 2019.”

Deutschland war 2017 der weltweit größte Importeur von Pipeline-Gas und bezog über 90 Prozent seines Verbrauchs aus dem Ausland, berichtet die US-Energieagentur EIA. Etwa ein Viertel des deutschen Energiebedarfs wurde 2018 mit Erdgas gedeckt, dem zweitwichtigsten Energieträger nach Mineralöl. Erdgas ist der wichtigste Heizstoff für deutsche Haushalte. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geht davon aus, dass Erdgas im Verkehrssektor eine zunehmende Rolle spielen wird. Russland, Norwegen und die Niederlande sind laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die wichtigsten Lieferanten Deutschlands.

Das BMWi argumentiert, dass der Import von LNG auf dem Seeweg aus einer Reihe von Ländern eine sinnvolle Alternative zum Import von Gas über Pipelines darstellt. Dies wird als ein Weg gesehen, um Bedenken hinsichtlich Sicherheit, Vielfalt, Zuverlässigkeit und Erschwinglichkeit abzubauen – zumal die Niederlande, einer der wichtigsten deutschen Lieferanten, angekündigt haben, die Erdgasförderung in den nächsten zehn Jahren weitgehend einzustellen.

Nach Angaben der Bundesregierung können LNG-Importe zu einer sicheren Versorgung mit Erdgas, „zu wettbewerbsfähigen Preisen” und zur Erreichung der Klimaziele gemäß dem Pariser Abkommen beitragen.

Der größte Teil der europäischen Gasversorgung bis 2030 ist an langfristige Verträge gebunden, sodass der Markt für neue LNG-Lieferanten wie die USA zwar vergleichsweise klein, aber immer noch Milliarden von Euro wert ist. „Klein“ ist damit relativ.

Jahrelang schien es keinen wirtschaftlichen Grund für LNG-Importe nach Deutschland zu geben, da Deutschland über Pipelines aus Nachbarländern gut an die Erdgasversorgung angebunden ist. Kritiker haben auch argumentiert, dass LNG-Importe teurer sind als Gas, das über eine Pipeline geliefert wird. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht führte die Internationale Energieagentur (IEA) jedoch Daten an, aus denen hervorgeht, dass LNG-Importe nach Europa im Vergleich zu Pipeline-Importen kostenmäßig wettbewerbsfähig sein sollen.

Allerdings hat der russische Erdgas-Riese Gazprom aufgrund der vergleichsweise niedrigen Produktionskosten und der jüngsten Investitionen immer noch genügend Spielraum bei der Preispolitik, wenn es um die Lieferung von Pipeline-Gas nach Europa geht. Während Deutschland über keine eigenen Rückvergasungsterminals für LNG verfügt, erfolgt der Import über Terminals, die sich in den Nachbarländern befinden, insbesondere in Belgien und den Niederlanden. Deutschland erhält auch LNG über den Straßengüterverkehr.

Auch wenn es keinen unmittelbaren finanziellen Anreiz gibt, Pipeline-Importe durch LNG zu ersetzen, gibt es eine Reihe von politischen und energiestrategischen Bedenken, die eine größere Autonomie im Gassektor für Deutschland attraktiv machen könnten. Schifffahrtsunternehmen werden wahrscheinlich LNG als Alternative zu dem CO2-intensiven Kraftstoff benötigen, den sie derzeit verwenden.

LNG soll auch eine wachsende Rolle bei den Bemühungen der Bundesregierung zur Reduzierung der Emissionen in der Frachtindustrie spielen. Bisher existieren europaweit nur wenige LNG-Tankstellen.

Shell eröffnet LNG-Tankstelle in Hamburg

Ein Konsortium aus Unternehmen der Auto-, Mineralöl- und Finanzindustrie will ein europaweites Netz mit 39 Flüssiggas-Tankstellen bauen. Zudem sollen 2000 weitere LKWs auf die Straßen kommen, die mit verflüssigtem Erdgas (LNG) angetrieben sind, teilte die deutsche Shell-Organisation in Hamburg mit. Die Tankstellen werden in Belgien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Polen und Spanien gebaut. Etwa alle 400 Kilometer entlang der Hauptverkehrsachsen von Spanien nach Ostpolen solle eine Station stehen. Auf Deutschland entfallen zehn neue LNG-Tankstellen.

Zudem plant das Konsortium mit dem Namen BioLNG EuroNet den Bau einer BioLNG-Anlage mit einer Produktionskapazität von 3000 Tonnen jährlich in den Niederlanden. Dabei wird Biogas aus organischen Abfällen erzeugt, zu LNG heruntergekühlt und an den Endverbraucher verkauft. Während fossiles LNG den CO2-Ausstoß um 20 Prozent senke, seien es bei BioLNG 90 Prozent.

Shell hatte erst im September die erste deutsche LNG-Tankstelle in Hamburg eröffnet. Bereits heute sind in Europa rund 5000 LKWs der Hersteller Iveco, Scania und Volvo unterwegs, die mit LNG betrieben werden. Das sind, gemessen an der Zahl der Fahrzeuge, noch nicht viele. Allein in Deutschland fahren drei Millionen Lastwagen. In den nächsten Jahren wird mit einer deutlichen Zunahme gerechnet. In den USA und in Asien fahren schon jetzt viele LKWs mit LNG. Ziel des Konsortiums, das mit EU-Mitteln unterstützt wird, sei es, LNG als zukünftige Energiequelle für den großen Verkehrssektor zu erschließen.

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