Die Entscheidung ist gefallen: Annegret Kramp-Karrenbauer folgt Ursula von der Leyen auf dem Posten der Verteidigungsministerin. Nach von der Leyens Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin musste Angela Merkel den freigewordenen Posten im Bendlerblock rasch neu vergeben. Als Favorit galt Gesundheitsminister Jens Spahn. Doch die Kanzlerin entschied sich gegen den 39-jährigen Westfalen.
Eins weiß man von Merkel: Die promovierte Physikerin ist eine kühle Strategin - das Spiel auf dem Schachbrett der Postenvergabe und Ämterverteilung beherrscht sie wie kaum ein anderer. Und so traf die überzeugte Machtpolitikerin mit der Ernennung Kramp-Karrenbauers statt Spahns einmal mehr die - im Sinne der Durchsetzung ihrer Interessen - genau richtige Entscheidung.
Rückblick:
Merkel will, dass Kramp-Karrenbauer ihre Nachfolgerin wird - bereits 2014 hatte sie das verkündet. Anschließend förderte die Kanzlerin ihre Favoritin nach Kräften. Und zunächst schien auch alles nach Plan zu laufen. Die studierte Politikwissenschaftlerin setzte sich im Dezember letzten Jahres nach heftigem innerparteilichem Schlagabtausch gegen ihren Rivalen Friedrich Merz im Kampf um den Bundesvorsitz der CDU durch. Anschließend ritt sie auf einer Erfolgswelle. Nationale und internationale Medien sprachen von einer „neuen Merkel“, einem „neuen Star“ am Polithimmel. Es schien keinen Zweifel zu geben: Kramp-Karrenbauer würde Kanzler-Kandidatin der CDU. Und damit - aller Voraussicht nach - die nächste Regierungs-Chefin.
Doch dann kam Sand ins Getriebe. Die Saarländerin agierte als Partei-Chefin - gelinde gesagt - glücklos. Höhepunkt der Pannenserie: Ihr Vorschlag, als Reaktion auf das CDU-kritische Video des Youtubers Rezo die Meinungsfreiheit im Internet einzuschränken. Kramp-Karrenbauers Stern sank, so schnell wie er gestiegen war. Zwei Jahre noch bis zu den Bundestagswahlen - viel Zeit für neue Fauxpas´. Zumal die Basis der Union nur auf Fehler der ungeliebten Chefin lauert - ihre Wahl zur Vorsitzenden hatten die Parteigranden durchgedrückt, gegen heftigen Widerstand eines teilweise empörten Fußvolkes, das Merz favorisierte. Dass Kramp-Karrenbauer 2021 tatsächlich als Spitzenkandidatin antreten würde, schien - nach den Ereignissen der letzten Monate - noch vor wenigen Tagen unwahrscheinlich. Zumal Merz seinen Ambitionen niemals entsagt hat.
Und so lässt sich Merkels Entscheidung ganz einfach verstehen: Die Kanzlerin setzt alles auf eine Karte. Sie schickt ihre designierte Nachfolgerin ins Stahlbad. Wo, wenn nicht auf dem Schleudersitz im Verteidigungsministerium, kann Kramp-Karrenbauer beweisen, dass sie für höhere Aufgaben geeignet ist?
Ob sie die Richtige ist für die neue Aufgabe? Nun, viel kaputt machen kann sie nicht mehr. Ihre Vorgängerin hat einen Scherbenhaufen zu verantworten, wie kaum einer der 16 Amtsinhaber vor ihr. Nicht funktionierende Waffensysteme, demotivierte Soldaten, den Vetternwirtschaftsskandal um Berater mit Millionen-Verträgen: Frühere Verteidigungsminister wurden für viel geringere Missstände und Demonstrationen fehlender Kompetenz in die politische Rente geschickt (während von der Leyen als Belohnung für fast sechs Jahre Missmanagement die Geschicke eines Kontinents entscheidend mitbestimmen darf).
Das heißt, die neue Chefin im Bendlerblock hat alle Chancen, sich zu profilieren. Sie hat sogar die Möglichkeit, Bedeutendes zu leisten: Und zwar der Gesellschaft klarzumachen, wofür die Bundeswehr da ist. Nämlich nicht, um als herausgeputzte Epauletten-Garde zu dienen, wie es von der Leyen wollte (die im Zusammenhang mit der Truppe unter anderem „gesundes Arbeiten“ propagierte, „Potentiale mobilisierte“ und die erste Bundeswehr-Kita einrichtete). Nein, Aufgabe der Soldaten ist es, Deutschland und seine Bürger zu schützen. Das heißt im Extremfall, für dieses Land zu töten. Und auch, für dieses Land zu sterben.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass in Zeiten, als die gegenseitige atomare Abschreckung von Ost und West einen Einsatz der Bundeswehr auf europäischem Boden so gut wie ausschloss und an Einsätze im fernen Ausland noch überhaupt nicht zu denken war, die Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt auf der Hardthöhe ehemalige Frontkämpfer waren (man denke nur an Franz-Josef Strauß und Helmut Schmidt). Und dass heute, wo deutsche Soldaten immer wieder Einsätze - auch Kampfeinsätze - bestreiten, Menschen an der Spitze der Truppe stehen, denen alles Militärische fremd ist. In vielerlei Hinsicht ist die bundesrepublikanische Verteidigungspolitik ein kurioses Schauspiel. Eins ist sicher: Es wird spannend bleiben.