Anleger investieren offenbar verstärkt in Anleihen solider Unternehmen aus Europa, um sich vor einer möglichen Finanzkrise zu schützen. Wie Bloomberg berichtet, hat die Europäische Zentralbank seit dem Start ihres Kaufprogramms im Juni Firmenanleihen im Gesamtumfang von 32 Milliarden Euro aufgekauft. Die Renditen in diesem Marktsegment sind daraufhin deutlich gesunken, weil die EZB einen Käufer mit potentiell unbegrenzter Kaufkraft darstellt und der Preiswettbewerb zwischen den Investoren dadurch verzerrt wird.
Trotzdem kaufen Investoren Anleihen von Unternehmen, die teilweise eine Verlustspanne von mehr als minus 0,4 Prozent aufweisen. Ab dieser Schwelle, die auch gleichzeitig den negativen Einlagensatz der Notenbank darstellt, darf die EZB keine Anleihen im Rahmen ihres Programms mehr kaufen. „Die Verlustspannen der Anleihen der Pariser Transportgesellschaft RATP sind bereits unter die Marke von minus 0,4 Prozent gerutscht, während jene von Siemens – Europas größtem Technologiekonzern – sowie von der französischen Eisenbahn SNCF und der Ölgesellschaft Sagess auf den Wendepunkt zusteuern“, schreibt Bloomberg.
„Alles ist relativ. Wenn ich mein Geld auf einem Konto liegen lasse oder eine Staatsanleihe kaufe, die unter Umständen noch größere Verluste für mich bewirkt, dann schmerzt das mehr als in eine negative Unternehmensanleihe zu investieren“, zitiert Bloomberg einen Anleihen-Manager.
Die durchschnittliche Rendite europäischer Unternehmensanleihen ist seit Juni deutlich gesunken. Im September lag der Wert bei 0,59 Prozent, derzeit steht er bei etwa 0,7 Prozent. Die Papiere der RATP liegen derzeit bei minus 0,42 Prozent, zweijährige Anleihen der SNCF stehen bei minus 0,38 Prozent – vor einem Jahr konnten Investoren damit noch eine kleine Rendite von 0,05 Prozent erwirtschaften. Bonds von Sagess rentieren etwa minus 0,29 Prozent während zweijährige Siemens-Papiere bei minus 0,24 Prozent liegen.
„Dies ist ein Zeichen dafür, wie groß der Einfluss des EZB-Programms auf den Markt für Unternehmensanleihen gewesen ist. Wenn die Renditen weiter auf breiter Front fallen, könnte es die Kauf-Fähigkeit der EZB erheblich einschränken. Es ist erstaunlich, wie schnell diese Situation erreicht worden ist“, wird ein Kreditanalyst der Bank of America zitiert.