Politik

Türkei plant umfassende Einführung der Todesstrafe

Die Türkei plant die Einführung der Todesstrafe für Terroristen, Putschisten und Pädophile. Die weitreichenden Terror-Gesetze bilden die Grundlage.
03.11.2016 02:55
Lesezeit: 2 min

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Der türkische Premier Binali Yildirim hat am Mittwoch auf einer Sitzung der AKP-Fraktion gesagt, dass seine Regierungspartei den anderen Parteien eine Gesetzesänderung vorlegen werde, wonach die Todesstrafe ausschließlich für Terroristen, Putschisten und Pädophile gelten soll, berichtet aHaber. Die Todesstrafe wurde in der Türkei im Verlauf der EU-Beitrittsgespräche im Jahr 2002 abgeschafft. Die letzte Todesstrafe wurde im Jahr 1984 vollstreckt. Jede Todesstrafe bis zum Jahr 1984 musste vom türkischen Parlament abgesegnet werden, bevor sie vollstreckt werden durfte. Es zeichnet sich ein ernster Konflikt. Mehrere EU-Politiker haben deutlich gemacht, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe ein Ende der Beitrittsgespräche mit der Türkei bedeuten würde.

Als besonders problematisch werden die Anti-Terror-Gesetze in der Türkei eingestuft. Die EU fordert, vor allem die Definition von Terrorismus enger zu fassen und angemessener anzuwenden. Premier Yildirim hatte im Juni deutlich gemacht, dass die Änderung der Anti-Terror-Gesetze „nie und nimmer in Frage“ komme.

Die Türkei hat seit dem Jahr 1991 ein Anti-Terror-Gesetz. Mitglied einer terroristischen Vereinigung wird eingestuft, wer die Einheit der Türkischen Republik zerstören will, vorsätzlich militärische Einrichtungen beschädigen will und Vereinbarungen mit feindlichen Militärs trifft, die Verfassung vorsätzlich bricht, einen bewaffneten Aufstand gegen die Türkische Republik durchführt und versucht, die Regierung zu stürzen, eine bewaffnete Organisation gründet, eine Terrororganisation mit Waffen versorgt, sich als Soldat für ausländische Staaten betätigt. Zudem verabschiedete das türkische Parlament im Jahr 2013 ein Anti-Terror-Finanzierungsgesetz.

Das Anti-Terrorismus-Gesetz wurde nicht in der Erdogan-Ära eingeführt. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren insbesondere im Rahmen der Putschisten-Prozesse (Ergenekon-Verfahren und Balyoz-Verfahren) eine sehr weite Auslegung, was zur Verurteilung von Offizieren und Generälen und Offizieren geführt hat, deren Unschuld sich im Nachhinein erwiesen hat. Die Staatsanwälte mit besonderen Befugnissen hatten Beweise gefälscht und zahlreiche Militärs zu Unrecht beschuldigt. Mittlerweile wurde bekannt, dass die Staatsanwälte allesamt der Gülen-Bewegung angehörten, der eine enge Kooperation mit der CIA nachgesagt wird.

Das Problem: Hätte es in der Vergangenheit während der Terror-Prozesse die Todesstrafe gegeben, wären zahlreiche Menschen zu Unrecht hingerichtet worden. Eine Widergutmachung im Nachhinein wäre dann nicht möglich gewesen.

Anti-Terror-Gesetze sind auch in europäischen Staaten hochumstritten. Im Juni hat der Bundestag ein Anti-Terror-Gesetz verabschiedet, das Ähnlichkeiten mit dem türkischen Anti-Terror-Gesetz aufweist. Verurteilte Unterstützer einer terroristischen Vereinigung sollen künftig schon bei Haftstrafen von mindestens sechs Monaten unter eine Führungsaufsicht gestellt werden, wenn die Gefahr besteht, dass die Person weitere Straftaten begehen wird. Zudem soll künftig „jegliche Unterstützung“ einer verbotenen kriminellen Vereinigung unter Strafe stehen. Dieser Passus ist bemerkenswert, weil er auch in den von der EU als grundrechtswidrig abgelehnten Terror-Gesetzen der Türkei verwendet wird. Dort hat die Regierung „jegliche Unterstützung“ der PKK unter Strafe gestellt und geht seither gegen Oppositionspolitiker, Journalisten und Regierungskritiker aus der Wissenschaft vor.

Die Sicherheitsbehörden in Deutschland dürfen auch gegen Jugendliche ab 14 Jahren vorgehen, von denen eine terroristische Bedrohung ausgehe. Am Oberlandesgericht in Celle läuft derzeit ein Gerichtsverfahren gegen ein 16-jähriges Mädchen. Sie soll am 26. Februar 2016 bei einer Polizeikontrolle am Hauptbahnhof Hannover plötzlich ein Messer gezückt haben, um damit auf die Polizeibeamten einzustechen. Ein Beamter wurde am Hals verletzt, berichtet der NDR. Es bleibt unklar, was genau bei der Kontrolle vorfiel. Doch die Bundesanwaltschaft ist überzeugt davon, dass die Angeklagte, die zum Zeitpunkt der Tat 15 Jahre alt war, im Auftrag der Terror-Miliz ISIS handelte.

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