Politik

Merkel und Gabriel wollen CETA im EU-Parlament durchpeitschen

Die großen Parteien im EU-Parlament - Konservative und Sozialdemokraten - peitschen das CETA im Eilverfahren durch das EU-Parlament. Wichtige Debatten wurde abgewürgt.
22.11.2016 15:16
Lesezeit: 2 min

Nach der Unterzeichnung des CETA-Vertrags durch den Europäischen Rat und die kanadische Regierung steht die Ratifizierung durch das Europaparlament an. Diese beginnt jedoch unter denkbar schlechten Voraussetzungen, wie der Grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold mitteilt: Am Montag blockierte die EVP-Fraktion eine Debatte darüber, ob das EU-Parlament vom Europäischen Gerichtshof eine Beurteilung zur Kompatibilität des CETA-Vertrags mit den EU-Verträgen einholen sollte. Bereits am letzten Donnerstag hat die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament abgelehnt, dass der Umwelt- sowie der Sozialausschuss Stellungnahmen zu CETA abgeben dürfen.

Damit, so Giegold, seien auch weitere Stellungnahmen von Tisch, etwa des Wirtschaftsausschusses zu den Finanzmarktregeln in CETA. Demnach wird nur der Handelsausschuss einen Bericht zu CETA vorlegen und nur der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten eine Stellungnahme abgeben dürfen. Im CETA-Beschluss des SPD-Konvents, den Sigmar Gabriel und Martin Schulz in Wolfsburg vorgestellt hatten, hieß es unterdessen noch, dass nun die "Stunde der Parlamente" schlägt und im EU-Parlament eine "sorgfältige Prüfung" sichergestellt werden soll. Die anstehenden Beratungen zu CETA im Europaparlament kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament:

"Die Beratungen zu CETA im EU-Parlament sind einer europäischen Demokratie unwürdig. Es ist unfassbar, dass die Christdemokraten nicht darüber debattieren wollten, ob wir ein Gutachten vom EuGH zu CETA einholen. CETA ist ein extrem komplexes Vertragswerk samt einer Paralleljustiz für Investoren und sollte daher vom EuGH auf seine Europarechtsmäßigkeit überprüft werden. Wir erleben bei CETA gleich an mehreren Stellen eine besorgniserregende Einschränkung des EU-Parlaments: Martin Schulz würgt die Rechte seines eigenen Parlaments ab. Aus der "Stunde der Parlamente" soll ein kurzes Abnicken von CETA der EU-Abgeordneten werden. CETA soll im Eilverfahren durch das Europaparlament gedrückt werden. Normalerweise hätten wir sechs Monate Zeit für die Beratungen, aber über CETA soll nun schon im Januar oder gar im Dezember abgestimmt werden. Von einer sorgfältigen Prüfung von 2200 Seiten CETA kann bei diesem Eiltempo keine Rede sein. Es ist eine untragbare Einschränkung der Rechte der EU-Abgeordneten, wenn nicht mal der Wirtschaftssausschuss eine Stellungnahme beschließen darf.

Das Schnellverfahren wurde vor allem von Christdemokraten und Sozialdemokraten durchgesetzt. Es ist beschämend, wie Sozialdemokraten und Christdemokraten ihre eigenen Rechte als Abgeordnete beschneiden.

Viele Bürger setzen nach der Hängepartie zwischen den Regierungen darauf, dass das EU-Parlament den Vertrag sorgfältig untersucht. Eile darf nicht vor demokratischer Sorgfalt gehen. Dazu gehört eben auch ein Rechtsgutachten des EuGH: In den Zusatzerklärungen zu CETA wurden zwar viele Kritikpunkte aufgenommen, aber sie ändern am eigentlichen CETA- Vertrag nichts. Der Deutsche Richterbund hält die Schiedsgerichte für unvereinbar mit europäischem Recht. Eine Einschätzung des EuGH zu den Schiedsgerichten und dem Vertrag insgesamt würde für alle Seiten rechtliche Klarheit schaffen."

Das CETA war zuletzt vor allem umstritten, weil die nationalen Parlamente mitreden wollten. Die EU-Kommission war eigentlich der Meinung, dass das CETA in die Kompetenz der EU falle und daher keine nationale Zustimmung nötig sei. Doch wegen des großen Widerstands wurde schließlich die Zustimmung der nationalen Parlamente im Umlaufverfahren eingeholt. Wallonien legte sich quer und brachte das CETA fast noch zum Scheitern.

Einer der Hauptpunkte der CETA-Kritiker ist die Intransparenz. Außerdem wird das demokratische Mitwirkungsverfahren als mangelhaft angesehen. Theoretisch müsste das EU-Parlament eine offene Debatte führen, weil das Parlament beim Freihandel ausdrücklich das entscheidende demokratische Gremium ist.

Dass das Parlament nun ausgehebelt wird, dürfte die Akzeptanz für EU-Abkommen in der Zukunft nicht stärken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...