Politik

Francois Hollande gibt auf und kandidiert nicht erneut

Lesezeit: 2 min
01.12.2016 21:23
Frankreichs Staatschef François Hollande verzichtet auf eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr. Noch nie hat ein französischer Präsident so früh das Handtuch geworfen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der französische Präsident Francois Hollande zieht Konsequenzen aus dem Unmut der Bürger über seine Politik und tritt nicht zur Wiederwahl an. Das Risiko sei zu groß, dass ihm bei einer Kandidatur die notwendige Unterstützung verwehrt bleibe, sagte der Sozialist am Donnerstagabend in einer Fernseh-Ansprache. Damit verzichtet in Frankreich zum ersten Mal seit fast 60 Jahren ein amtierender Staatschef darauf, sich um eine zweite Amtszeit zu bemühen. Hollande ist Umfragen zufolge so unbeliebt wie keiner seiner Vorgänger. Viele seiner Landsleute werfen dem 62-Jährigen Zögerlichkeit und Inkonsequenz vor. Zudem machen sie ihn für die Wirtschaftsflaute und hohe Arbeitslosigkeit mit verantwortlich.

"Ich habe dem Land seit mehr als viereinhalb Jahren ehrlich und aufrichtig gedient", sagte Hollande mit versteinerter Miene und erläuterte die seit seiner Wahl 2012 durchgesetzten Reformen. Er sei sich jetzt aber der Gefahren bewusst, die mangelnder Rückhalt mit sich bringe. Deshalb habe er sich gegen eine Kandidatur entschieden. Mit diesen Worten gestand Hollande Beobachtern zufolge seine Niederlage in der Wählergunst stillschweigend ein. Er betonte, er werde sich jetzt darauf konzentrieren, das Land bis zur Wahl im Frühjahr zu regieren.

Hollandes Verzicht auf einen Kampf um den Verbleib im Elysee-Palast mischt die Karten in seinem linken Lager neu. So hat bereits Hollandes früherer Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg Interesse bekundet, bei der internen Kandidatenkür der Sozialisten im Januar seinen Hut in den Ring zu werfen. Auch andere ehemalige Kabinettsmitglieder haben sich ins Gespräch gebracht. Zuletzt deutete sogar Hollandes Ministerpräsident Manuel Valls an, er könne auch gegen seinen Chef antreten.

Allerdings hat die tief gespaltene Regierungspartei Befragungen zufolge kaum Chancen, über die erste Wahlrunde am 23. April hinauszukommen - egal mit welchem Kandidaten. Es wird vielmehr damit gerechnet, dass es in der zweiten Runde am 7. Mai auf eine Stichwahl zwischen dem Mitte-Rechts-Politiker Francois Fillon und Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National hinausläuft. Ähnlich wie zuletzt in den USA werden damit bei dem Votum - auch ohne Amtsinhaber Hollande - Vertreter der politischen Mitte vom populistischen Lager herausgefordert.

Der am Sonntag zum Kandidaten der Konservativen gewählte Fillon reagierte prompt auf Hollandes Absage und erklärte, der Präsident sei sich seines Scheiterns bewusst geworden. "Diese fünf Jahre (Regierung Hollande) enden in politischem Chaos und Ruin", erklärte der Ex-Ministerpräsident.

Hollande hatte sich 2012 gegen den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy mit einem klassisch sozialistischen Wahlprogramm durchgesetzt und wollte unter anderem Steuern für Großverdiener erhöhen. Doch mit einem anschließenden Zickzack-Kurs gerade bei der Steuerreform verprellte er viele Anhänger. Ein Schwenk zu einer wirtschaftsfreundlichen Politik im Jahr 2014 ließ seinen Rückhalt in den eigenen Reihen noch weiter bröckeln. Gegen seine Pläne für eine Arbeitsmarktreform gingen schließlich über Wochen Tausende Franzosen auf die Straße. Auch ein als unentschlossen interpretiertes Vorgehen in der Sicherheitspolitik kostete Hollande Ansehen bei den Franzosen, die durch eine Reihe von Anschlägen tief verunsichert sind.

Schließlich verspielte Hollande bei vielen seiner Landsleute Sympathien, als Details der Trennung von seiner Lebensgefährtin Valerie Trierweiler in die Öffentlichkeit gelangten und er bei vermeintlich heimlichen Fahrten mit einem Motorroller zu seiner neue Freundin fotografiert wurde. Selbst seine treuesten Anhänger reagierten schließlich irritiert, als Hollande im Oktober in einem Buch mit negativen Äußerungen über Verbündete sowie ganze Berufsgruppen wie Richter und Fußballer zitiert wurde.

Hollande ist der erste Präsident in der Geschichte von Frankreichs Fünfter Republik, der darauf verzichtet, für eine Wiederwahl anzutreten. Staatschef Georges Pompidou war 1974 im Amt verstorben.


Mehr zum Thema:  

DWN
Panorama
Panorama Tagebuch des Untergangs: Autor Glukhovsky rechnet mit seiner russischen Heimat und Putin ab
12.10.2024

Der russische Kultautor Dmitry Glukhovsky hat im Exil ein "Tagebuch des Untergangs" verfasst, das eine düstere Bilanz seiner Heimat zieht....

DWN
Politik
Politik US-Wahlkampf: Haben Expats in Deutschland entscheidenden Einfluss?
12.10.2024

Zehntausende wahlberechtigte US-Amerikaner leben in Deutschland. Weltweit gibt es Millionen von ihnen. Besonders die Demokraten glauben,...

DWN
Politik
Politik Aufrüstung oder Sozialstaat? Aufrüstung könnte den Sozialstaat bedrohen
12.10.2024

Die Welt rüstet auf. Deutschland, einer der größten Waffenexporteure und Hegemon Europas, hinkt beim Ausbau seiner...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kochroboter und KI: Gastronomie der Zukunft?
12.10.2024

Gastronomiebetriebe in Deutschland setzen zunehmend Roboter ein, um Personalengpässe zu kompensieren – von Küchenaufgaben bis zur...

DWN
Finanzen
Finanzen Schulfach Finanzen: „Bester Hebel, um das Finanzwissen der Deutschen zu verbessern“
12.10.2024

Die Deutschen erzielen mit ihren Geldanlagen kaum Rendite und haben deutliche Wissensdefizite bei der Vermögensanlage. Experten fordern...

DWN
Panorama
Panorama Körpereigener Alarm: Was bei einer Panikattacke passiert
12.10.2024

Panikattacken sind heftige körperliche Reaktionen auf Angst, die Betroffene oft überwältigen. Am Welttag für seelische Gesundheit zeigt...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview zu Argentinien: Javier Milei - was plant der Anarchokapitalist?
12.10.2024

Philipp Bagus, Autor des Buches „Die Ära Milei“, erklärt im Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, warum der libertäre...

DWN
Finanzen
Finanzen Wann kommt das Vermögensregister - und muss man wirklich davor Angst haben?
11.10.2024

Das EU-Vermögensregister ist eines der heißesten Themen des Jahres 2024 und verursacht bereits große Wellen – obwohl es noch gar nicht...