Unternehmen

„Rückkehr Deutschlands zur Atomkraft erfordert Gesetzesänderung“

„Rückkehr Deutschlands zur Atomkraft erfordert Gesetzesänderung“
01.05.2017 01:38
Lesezeit: 2 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die forcierte Elektromobilität wird zu einer  Herausforderung, weil bis 2022 der Atomausstieg in Deutschland vollzogen sein soll.  Nicolas Wendler, Sprecher des Deutschen Atomforums, im Gespräch mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Herr Wendler, zuletzt sind die Investitionen in Erneuerbare Energien gesunken, geplante Gas-Pipelines wie Nord Stream 2 stehen angesichts neuer Sanktionen gegenüber Russland in der Kritik. Wie schätzen Sie das aktuelle Klima bezüglich der Atomkraft in Deutschland und in der EU ein?

Nicolas Wendler: Hinsichtlich der Positionierung zur Kernenergie ist in Deutschland keine Veränderung im Vergleich zu den vergangen Jahren feststellbar. Die beschlossene Politik des Ausstiegs aus der Kernenergienutzung wird weder im politischen Raum, noch in der breiten Öffentlichkeit – soweit dies in Umfragen ermittelt wird – in Frage gestellt. Auch in jüngster Zeit ist keine Veränderung der Bewertung der Kernenergie in Deutschland erkennbar.

Bei Betrachtung auf EU-Ebene ergibt sich ein differenziertes Bild, da die Bestimmung des Stromerzeugungsmix‘ in nationaler Zuständigkeit liegt. In der EU ist das ganze Spektrum von energiepolitischen Positionen zur Kernenergie vertreten: Staaten, die Kernenergie schon immer abgelehnt haben, Staaten die aussteigen wollen bzw. ausgestiegen sind, Staaten, die Kernenergie als Übergangstechnologie nutzen, Staaten die Kernenergie langfristig nutzen wollen und ein Staat, der neu die Kernenergie nutzen will. Mit Ausnahme einer nun wieder positiveren Haltung zur Kernenergie seitens der schwedischen Regierung ist mir aus den vergangenen Monaten keine Veränderung in den Positionen bekannt. Auch die Einstellung der Bevölkerung zur Kernenergie variiert stark zwischen den Ländern, ohne dass ich dazu einen aktuellen Überblick benennen kann.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Deutsche Kernkraftwerke erzeugten im Jahr 2015 insgesamt 91,786 Milliarden kWh Strom (brutto). Bis 2030 sollen immer mehr Elektroautos statt Autos mit Verbrennungsmotoren fahren. Wird Ihrer Meinung nach ausreichend Strom aus Erneuerbaren Energien und Kohle erzeugbar sein, um diese neue Energielast zu tragen?

Nicolas Wendler: Die Kernenergie leistet in Deutschland aktuell nach wie vor ihren Beitrag zur Deckung des Strombedarfs und zur Versorgungssicherheit. Der Einfluss der Elektromobilität ist derzeit und für die kommenden Jahre absehbar eher gering im Vergleich zum gesamten Strombedarf. Ob und wann sich das ändert, hängt wohl in erster Linie von der technisch-industriellen Entwicklung der Elektromobilität ab und ist entsprechend schwer abzuschätzen. In jedem Fall muss nach den aktuellen Planungen die Versorgungsicherheit in Deutschland ab spätestens 2022 ohne Nutzung von Kernkraftwerken in Deutschland sichergestellt werden. Es ist letztlich Aufgabe der Energiepolitik, die Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten und dies bei Themen wie dem Ausbau der Elektromobilität oder einer diskutierten Politik des Ausstiegs aus der Kohleverstromung entsprechend zu berücksichtigen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, Deutschland wird trotz des stetig wachsenden Bedarfs an Energie und trotz neuer Atomkraftwerke im Ausland am Ausstieg festhalten?

Nicolas Wendler: Die Beendigung der Kernenergie-Nutzung zur Stromerzeugung beruht auf einer gesetzlichen Grundlage und soll bis 2022 abgeschlossen sein. Mir sind keine Anhaltspunkte dafür bekannt, dass von diesem Pfad abgewichen werden soll. Eine solche Abweichung würde in jedem Fall eine Gesetzesänderung erfordern.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was wird Ihrer Meinung nach geschehen, wenn Deutschland am Atomausstieg festhält, der Energiebedarf aber weiter steigt?

Nicolas Wendler: Dem Energiekonzept der Bundesregierung liegen verschiedene Energieszenarien zu Grunde, von denen die meisten von einem deutlichen Sinken des Strombedarfs ausgehen. Zugleich werden ein starker Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie ein Rückgang des Gesamtenergiebedarfs angenommen. Szenarien, in denen im Zuge einer klimapolitisch bedingten Dekarbonisierung zwar der Energiebedarf sinkt, aber der Strombedarf deutlich steigt, werden erst seit kurzem diskutiert und haben meiner Kenntnis nach bislang keinen konzeptionellen Niederschlag gefunden. Auch diese Fragestellung ist letztlich energiepolitischer Natur.

***

Nicolas Wendler ist Pressesprecher des Deutschen Atomforums (DatF). Das Deutsche Atomforum ist ein Verein, der Organisationen und Unternehmen aus den verschiedenen Anwendungsgebieten und Bereichen der Kernenergie vertritt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...

DWN
Politik
Politik USA frieren Waffenlieferungen an die Ukraine ein – Prioritäten verschieben sich
02.07.2025

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine. Hinter der Entscheidung steckt ein geopolitischer Kurswechsel, der Europa...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Kommt jetzt die Entlastung für alle?
02.07.2025

Die Stromsteuer spaltet das schwarz-rote Bündnis – und mit ihr die Frage, ob Bürger und Betriebe wirklich entlastet werden. Während...

DWN
Panorama
Panorama Hitzewelle in Deutschland: Temperaturen bis 40 Grad und drohende Unwetter
02.07.2025

Deutschland ächzt unter extremer Hitze, örtlich steigen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad. Experten warnen vor Unwettern, Waldbränden...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell stabil: Deutsche Goldinvestments erholen sich – wie Anleger jetzt reagieren sollten
02.07.2025

In den vergangenen Wochen war die Goldpreis-Entwicklung von Volatilität geprägt. Das ist auch zur Wochenmitte kaum anders: Obwohl sich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...

DWN
Politik
Politik Europa vor dem Zerfall? Ex-Premier Letta warnt vor fatalem Fehler der EU
02.07.2025

Europa droht, zum Museum zu verkommen – oder zum Spielball von Trump und China. Italiens Ex-Premier Letta rechnet ab und warnt vor dem...