Politik

Köln: Christmette im Ausnahmezustand

Vor der Christmette im Kölner Dom gab es erstmals Taschenkontrollen durch die Polizei. Die Gläubigen reagierten gelassen auf den Ausnahmezustand.
25.12.2016 02:52
Lesezeit: 2 min

Christoph Driessen von der dpa berichtet:

Dumpf und feierlich läutet der «Dicke Pitter», die größte frei schwingende Glocke der Welt im Südturm des Kölner Doms. Sie läutet zur Christmette. Doch in dieser Heiligen Nacht ist manches anders. Mehrere Polizeiautos parken auf der Domplatte, und Polizisten mit Maschinenpistolen bewachen das Hauptportal. Die anderen Eingänge sind geschlossen. Terrorangst.

Zum ersten Mal werden die Taschen der Gottesdienstbesucher kontrolliert. Wieviele es sind? «Mehrere tausend», sagt Dompropst Gerd Bachner, der Hausherr des Doms. Genau weiß er es auch nicht. Aber bei einer Sache ist er ganz sicher: Taschenkontrollen gab es noch nie. «An das Bild muss man sich erst gewöhnen», gesteht er.

Mit Taschenlampen leuchten die Polizisten in Tüten und Rucksäcke. «Da sind Weihnachtsgeschenke drin», erklärt eine Frau. «Ist da auch was für mich dabei?», scherzt der Polizist. Eine Frau trägt einen Klappstuhl unterm Arm. «Ich hab 'n Stuhl dabei, ist das in Ordnung?», fragt sie. «Ich denke schon, damit können Sie ja nichts anstellen», erwidert der Beamte. «Die Finger klemmen!», kommt zurück.

«Sollen wir die Jacken auch ausziehen?», erkundigt sich eine junge Frau beflissen. Eine andere kämpft mit dem Reißverschluss ihrer Handtasche. Ein Mann kommt mit einem ganzen Rollkoffer, der auch noch abgeschlossen ist. Ein anderer will mit Hund in das Gotteshaus, aber das verbieten die Domschweizer, die Ordnungshüter der Kathedrale in langen roten Roben.

«Toi-toi-toi», sagt ein Mann in heller Jacke und klopft einem der Polizisten auf die Schulter. Von ihm gehe keine Gefahr aus, versichert er: «Ich war Messdiener unter Meisner.» Joachim Meisner war früher hier Erzbischof.

Immer wieder wird den Polizisten «Frohe Weihnachten» gewünscht. Martina aus Köln sagt: «Das finde ich gut, dass die hier stehen, das gibt einem ein Gefühl von Sicherheit.» Stefanie und Richard aus Gütersloh haben erst noch gezögert, nach dem Anschlag von Berlin haben sie ein mulmiges Gefühl. «Aber jetzt gehen wir einfach rein, und dann ist gut», sagt Stefanie.

Viele Gottesdienstbesucher kommen aus dem Ausland, sie werden von den Polizisten auf Englisch gebeten, ihre Taschen zu öffnen. «Wenn man sieht, wer hier so alles reingeht, das ist Multikulti pur», sinniert Dompropst Bachner. Inzwischen glaubt er, dass er das Richtige getan hat. «Das zeigen mir die freundlichen Reaktionen.» Polizeipräsident Jürgen Mathies und er hätten sich die Entscheidung nicht einfach gemacht, schließlich dürfe ein Gotteshaus keine Festung werden. Aber den Leuten sei offenbar bewusst, dass sie in anderen Zeiten lebten. Was früher vielleicht zu Irritationen geführt hätte, stoße jetzt auf Verständnis.

So sieht es auch die Polizei. «Die Grundstimmung ist positiv», bestätigt eine Beamtin. «Sehr viele Leute kommen schon mit geöffneten Handtaschen hierhin.» Die Maßnahmen, die zum Teil vorher in der Presse angekündigt worden waren, scheinen auch keine abschreckende Wirkung zu haben: Um 23.00 Uhr, eine Stunde vor Beginn der Christmette, ist schon kein Sitzplatz mehr frei.

Ein Polizist hält im Inneren Wache - ein ungewöhnliches Bild. Aber um Mitternacht gelten alle Blicke den Geistlichen, die mit einem großen Gefolge an Messdienern und umhüllt von einer Weihrauchwolke einziehen. Dann legt die Orgel los und füllt den riesigen Raum mit Musik. «Stille Nacht, Heilige Nacht», singt der Chor, und die Gläubigen stimmen ein. Nun ist es doch fast wie immer.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...