Bei dem Skandal um die italienische Monte dei Paschi di Siena (MPS) nicht allein um faule Kredite und den Bruch europäischer Regeln zur Bankensanierung. Es geht vor allem um den Erwerb der Bank Antonveneta, der die Bank an den Rand der Pleite gebracht hat. Der Kauf war der Auslöser, warum die MPS bis heute in der Krise steckt und immer wieder vom Steuerzahler gerettet werden muss. Durch die jüngsten Rettungspläne würden auch die deutschen Steuerzahler ins Risiko genommen.
Von besonderem Interesse ist die Rolle des damaligen Banken-Aufsehers Mario Draghi. Nun sind Dokumente aufgetaucht, die den Deutschen Wirtschafts Nachrichten vorliegen. Sie zeigen, dass Mario Draghi mindestens ein entscheidendes Dokument im Zusammenhang mit der Antonveneta-Übernahme unterschrieben hat. Die Genehmigung, aufgrund derer die MPS die Antonveneta übernehmen durfte, datiert vom 17. März 2008.
Der Seneser Rechtsanwalt Paolo Emilio Falaschi will, dass der Fall aufgeklärt wird. Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten beschreibt er die Faktenlage, wie sie sich anhand der Akten darstellt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: War der Erwerb der Banca Antonveneta im Jahr 2008 entscheidend für die Schwierigkeiten, in denen sich die Monte dei Paschi heute befindet?
Paolo Emilio Falaschi: Es war der Sündenfall! Damit nahm das Desaster um die Monte dei Paschi seinen Anfang.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Und warum hat man ein derart fragwürdiges Geschäft getätigt?
Paolo Emilio Falaschi: Da kann ich nur spekulieren, aber die beste Art und Weise, Unregelmäßigkeiten oder kriminelle Machenschaften einer kleineren Bank zu verschleiern, ist schon immer die gewesen, die kleinere Bank durch deren Übernahme mit einer größeren zu fusionieren.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hätte die Banca d'Italia, die italienische Notenbank, ein derartiges Geschäft nicht genau unter die Lupe nehmen müssen, bevor sie die Genehmigung dazu erteilte?
Paolo Emilio Falaschi: Das italienische Gesetz beauftragt und verpflichtet die Banca d'Italia und die Börsenaufsicht Consob zu überwachen, was im italienischen Bankensystem vor sich geht.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Banca d'Italia soll also die Situation der Antonveneta gekannt haben?
Paolo Emilio Falaschi: Das belegen verschiedene offizielle Dokumente und das schreibt auch die Guardia di Finanza, die Finanzpolizei. Das hat auch die Monte dei Paschi in einer Informationsbroschüre selbst geschrieben – und die war von der Consob genehmigt worden. Und dies bezeugt auch Anna Maria Tarantola, die in leitender Funktion bei der Bankitalia für die Bankenaufsicht tätig war.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Warum aber hat man auf keine Due Diligence, eine umfassende und sorgfältige Prüfung, bestanden?
Paolo Emilio Falaschi: Die Banca d'Italia hat sie normalerweise immer durchgesetzt, wie dies der damalige Generaldirektor der Notenbank, Fabrizio Saccomanni, in seiner Aussage vor dem Gericht in Siena bestätigt hat. Im Fall der Antonveneta aber wurde keine Due Diligence veranlasst. Denn dann wäre schnell klar gewesen, dass die tatsächlichen Kosten der Übernahme 17 Milliarden betragen haben. Und nicht nur 9 Milliarden, wie es in der Genehmigung durch die Banca d'Italia vom 27.03.2008 – fälschlicherweise – attestiert wird.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie wollen nun verhindern, dass das Strafverfahren Monte dei Paschi/Banca d'Italia und Consob zu den Akten gelegt wird?
Paolo Emilio Falaschi: Gegen den Antrag des Staatsanwaltes Cirielli, den Fall zu den Akten zu legen, habe ich in Rom Widerspruch eingelegt. Am 13. Oktober 2016 gab es eine Anhörung vor dem zuständigen Ermittlungsrichter. Noch hat der sich allerdings nicht entschieden, ob er meinem Einspruch stattgibt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welches wären die Konsequenzen, sollte der Fall nicht zu den Akten gelegt werden? Welche Personen wären betroffen?
Paolo Emilio Falaschi: Ich kann nicht vorhersehen, was der Staatsanwalt machen wird. Fest steht allerdings, dass es Mario Draghi war, der die Genehmigung unterschrieben hat. Tarantola hat der Staatsanwaltschaft in Siena gegenüber eingeräumt, dass sie wusste, dass die Übernahme 17 Milliarden – und nicht neun – kosten würde. Und es war Saccomanni, der eine vorangehende Due Diligence hätte veranlassen müssen. Und genau dies hat er nicht getan.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sollte die Monte dei Paschi jetzt pleite gehen, würde dieses Vorgehen jetzt wieder aufgerollt werden?
Paolo Emilio Falaschi: Sicherlich jagt vielen der Beteiligten genau diese Aussicht Angst ein. Delikte beginnen ja ab dem Zeitpunkt zu verjähren, zu dem sie begangen wurden. Allerdings würde hier bei einer Insolvenz ein betrügerischer Bankrott vorliegen und damit würde eine Verjährungsfrist von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der Insolvenzerklärung erneut in Lauf gesetzt. Das hieße ab heute.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche strafrechtlichen Konsequenzen müssten die verantwortlichen Personen denn fürchten?
Paolo Emilio Falaschi: Die Strafen, die das italienische Strafgesetzbuch für betrügerischen Bankrott vorsieht, sind recht heftig: Zwischen drei und zehn Jahren Freiheitsentzug. Darüber aber müsste und muss das Gericht entscheiden – unter Berücksichtigung eventueller strafmildernder Umstände.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Könnte denn auch der Erwerb der Antonveneta rückgängig gemacht werden?
Paolo Emilio Falaschi: In Italien können Banken nur übernommen werden, wenn hierfür eine Genehmigung der Notenbank vorliegt. Sollte sich diese Genehmigung als ungültig erweisen – die tatsächlichen Kosten betrugen ja 17 und nicht 9 Milliarden Euro – wäre sie rechtlich gesehen nicht existent und somit ungültig. Ebenso wie der Kaufvertrag, den die Monte dei Paschi diesbezüglich mit dem Banco Santander abgeschlossen hatte.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sehen Sie denn eine Lösung für die Monte dei Paschi? Und wie beurteilen Sie die neuen europäischen Regularien bezüglich eines möglichen Bail-in?
Paolo Emilio Falaschi: Wir wollen in Siena keine gut gemeinten staatlichen Rettungsprogramme, seien sie nun von der EZB abgesegnet oder nicht. Wir wollen, das der italienische Staat, der per Gesetz für die Affäre und die Delikte seiner Organe und seines Führungspersonals verantwortlich ist, die schweren Verluste ausgleicht, die aufgrund einer Genehmigung der Banca d'Italia und der Consob entstanden sind. Diese Genehmigung hätte nie erteilt werden dürfen – oder sie hätte zumindest widerrufen und zurückgezogen werden müssen. Und auch, was all dies für die Position des Banco Santander bedeutet, sollte hier noch einmal genauer untersucht werden.
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Paolo Emilio Falaschi ist Rechtsanwalt. Seit Jahren kämpft er um die Rechte der Kleinaktionäre der Monte dei Paschi und scheut auch einen Konflikt mit der Banca d'Italia, der italienischen Zentralbank, nicht. Um zu verhindern, dass die Untersuchungen zu den Hintergründen des Erwerbs der Bank Antonveneta durch die MPS eingestellt und der Fall zu den Akten gelegt wird, hat Falaschi nun die Generalstaatsanwälte des Kassationsgerichtes in Rom sowie der Berufungsgerichte von Rom, Mailand und Florenz direkt angeschrieben. Es gehe nicht zuletzt auch um die Verteidigung des Rechtstaates und damit der Demokratie.