Finanzen

Großbritannien: Kontrolle über Einwanderung ist Grund für EU-Austritt

Die britische Premierministerin May signalisiert den Weg in Richtung eines harten Brexit. Der Verbleib im gemeinsamen Markt mit der EU ist der Regierung in London weniger wichtig als die Kontrolle über die Zuwanderung.
10.01.2017 01:13
Lesezeit: 2 min

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Die Kontrolle über die Einwanderung nach Großbritannien und das Abschütteln der Befugnisse des Europäischen Gerichtshofes in britische Angelegenheiten sind für die Regierung unter Premierministerin Theresa May nicht verhandelbar. London ist entschlossen, den Zugang zum Einheitlichen Markt der Europäischen Union aufzugeben, um die vollständige Autonomie in den genannten beiden Bereichen zurückzuerhalten, sagte May in einem Interview mit Sky News.

Man sei nicht an verbliebenen Teilen einer EU-Mitgliedschaft interessiert, sondern arbeite an einem maßgeschneiderten Vertragswerk mit der EU, welcher britischen Unternehmen nach dem Brexit des Landes den „bestmöglichen Handel“ erlaube, sagte May. Offenbar ist damit gemeint, dass Großbritannien nach dem Austritt aus der EU eine Reihe bilateraler Wirtschaftsabkommen mit wichtigen Handelspartnern schließen wird. Dies wiederum könnte die Fliehkräfte zwischen den verbliebenen EU-Staaten verstärken. „Oft reden die Leute so, als ob wir die EU verlassen, aber immer noch Teile der Mitgliedschaft behalten wollen. Wir gehen ganz, wir kommen heraus.“ Die Kontrolle über die Immigration und die Rechtsprechung seien rote Linien – diesen Zielen habe sich alles andere unterzuordnen.

Der Zugang zum Einheitlichen Markt der EU bietet den Mitgliedsstatten nicht nur die Möglichkeit, Güter, Kapital und Dienstleistungen ohne Zölle frei zu handeln, sondern ist auch mit der Verpflichtung verbunden, die Freizügigkeit von Personen aus der EU zu gewährleisten. Dagegen regt sich in Großbritannien seit Jahren Widerstand, welcher durch die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 und die Immigrationspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel noch verstärkt wurde.

Mays kompromisslose Linie wird nicht von allen Mitgliedern ihrer Regierung geteilt. Kanzler Philip Hammond favorisiert weiterhin eine Lösung, welche es Großbritannien erlauben würde, zumindest teilweise Mitglied der Zollunion zu bleiben, damit Güter ohne Zölle und Grenzkontrollen transportiert werden können.

Vorige Woche trat der britische Botschafter bei der EU, Ivan Rogers, überraschend zurück. Er riet den britischen Diplomaten in Brüssel, ihre Unabhängigkeit gegenüber der Regierung in London zu bewahren und warf dieser indirekt „schlecht begründete Argumente und ein verwirrtes Denken“ vor. Er warnte May davor, dass sich die EU in den anstehenden Verhandlungen nicht auf Kompromisse bei der Frage des Marktzugangs einlassen werde und dass Großbritannien ein chaotisch verlaufender Austritt ohne eine Lösung bevorstehen könnte.  May konterte die Angriffe Rogers: „Unser Ansatz ist überhaupt nicht verwirrt. Ja, wir haben Zeit gebraucht. Es war uns wichtig, uns Zeit zu nehmen und die Problemstellung genau anzuschauen.“

Der Kurs der Landeswährung Pfund Sterling gab nach Bekanntwerden der Aussagen Mays zu allen wichtigen Währungen deutlich nach, berichtet Bloomberg. Ein Euro kostet derzeit über 0,86 Pfund – zur Zeit des Austrittsvotums Ende Juni 2016 kostete ein Euro nur etwa 0,76 Pfund. Eine von Bloomberg zitierte Analystin der Commerzbank geht davon aus, dass die Devisenhändler solange misstrauisch sein würden und der Pfundkurs volatil bleibe, solange die Regierung keine konkrete und überzeugende Strategie für die wirtschaftliche Entflechtung mit Europa präsentieren könne.

Derweil deutet sich eine stärkere Hinwendung Großbritanniens an die USA unter Präsident Donald Trump an. May will Trump im Frühjahr in Washington besuchen. Sie habe „zwei sehr gute, positive Gespräche“ mit ihm geführt. Außenminister Boris Johnson hatte sich in den vergangenen Tagen zudem mit Trumps Beratern, Senatoren und dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, getroffen, um die weiteren Schritten in Zusammenarbeit mit der neuen US-Administration abzustimmen, berichtet Bloomberg. Bereits im Dezember hatte May zwei hochrangige Emissäre zu Trump geschickt.

„Unsere spezielle Beziehung zu den USA ist eine wichtige Beziehung, was die weltweite Sicherheit und Stabilität betrifft. Aufbauend auf den Gesprächen, die ich geführt habe, werden wir diese Beziehung zum Wohle der USA und des Vereinigten Königreichs weiter ausbauen und ich denke, dass das gut für die Zukunft Großbritanniens sein wird“, sagte May.

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