Politik

Putin reagiert auf Online-Petition gegen drakonische Terror-Gesetze

Das russische Unterhaus plant, die extrem strengen Anti-Terror-Gesetze abzumildern. Tatsächlich werden aktuell russische Bürger wegen minimaler Vergehen drakonisch bestraft.
15.01.2017 01:39
Lesezeit: 2 min

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Eine Arbeitsgruppe des russischen Unterhauses soll eine Reihe umstrittener Anti-Terror-Gesetze überdenken, die im vergangenen Sommer umgesetzt wurden, und die Definition des Terrorismus besonders weit auslegen und den Behörden erweiterte Überwachungsbefugnisse erteilen. Diese Gesetze, die in einem sogenannten „Frühlingspaket“ zusammengefast wurden, waren Gegenstand internationaler Kritik. In den vergangenen Wochen unterzeichneten hunderttausende Russen eine Online-Petition, wonach das „Frühlingspaket“ vom Unterhaus überdacht werden soll. Die Gesetze kategorisieren jede öffentliche Aufhetzung von Unruhen oder bewaffneten Rebellion als Terrorismus, berichtet der private US-Informationsdienst Stratfor. Auch Diskussionen über solche Aktivitäten in den Sozialen Medien können als Straftat angesehen werden. Auch die Nicht-Meldung derartiger Diskussionen steht unter Strafe. Um die Durchsetzung der Gesetze zu erleichtern, müssen russische Telekommunikationsunternehmen alle russischen Nutzerdaten - einschließlich Texte, Anrufe und Online-Aktivitäten - speichern und dem russischen Geheimdienst FSB mit Zugang zu allen verschlüsselten Daten gewähren. Seit Inkrafttreten des „Frühlingspakets“ haben die russischen Behörden eine Reihe von Verhaftungen wegen geringfügiger Verstöße durchgeführt.

Auch religiöse Gruppen sind im Visier der Ermittler. Zum Beispiel wurde ein Anti-Kreml-Aktivist, der mit einer Putin-Maske am Kreml spazieren gegangen ist, verhaftet. Ein Vertreter der ukrainisch-reformierten orthodoxen Kirche Christi wurde im September nach einer religiösen Diskussion mit der Messianischen Jüdischen Gemeinde St. Petersburg verhaftet. Er soll gegen das Missionierungsverbot verstoßen haben. Ein russischer Yoga-Lehrer wurde am 9. Januar verurteilt, nachdem die Behörden die Yoga-Praxis gegen die traditionellen russischen Werte einstuften. Am 12. Januar wurden vier Personen in Moskau festgenommen, weil sie die Verfassung lauthals auf der Straße verlesen hatten. Schlussendlich entschieden sich auch mehrere Regierungsmitglieder dazu, das „Frühlingspaket“ als übermäßig drakonisch einzustufen, berichtet Stratfor.

Zudem gaben Internet-, Mobilfunk- und Medienanbieter an, dass sie nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, die gesetzlich vorgeschriebenen Aktivitäten zu überwachen oder Informationen für drei Jahre nach Bedarf archivieren zu lassen. Einige Mediengruppen, darunter auch ausländische Twitter, Facebook und LinkedIn, kritisieren, dass sie dem FSB Daten zur Verfügung stellen müssen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zwar mehrmals versprochen, die Gesetze erneut zu überdenken, allerdings nicht gehandelt.

Doch die Online-Petition scheint die Aufmerksamkeit des Kremls auf sich gezogen zu haben, und nun wird die Duma beginnen, nach Kompromissen zu suchen, um das russische Volk zu beruhigen. Das ist eine beispiellose Entwicklung. In der Regel ignoriert der Kreml die öffentliche Meinung, wenn es um Kritik an restriktiven Vorgehensweisen gegen die Zivilgesellschaft geht. Lediglich in den Jahren 2011 bis 2012, als Hunderttausende von Russen auf die Straßen gingen, um gegen eine angebliche Manipulation der Parlamentswahlen zu protestieren, sah sich der Kreml unter Druck gesetzt und reagierte verhältnismäßig sanft. Diesmal haben sich die Russen dazu entschieden, eine Online-Petition auf den Weg zu bringen statt Straßenproteste durchzuführen. Dass der Kreml diese Online-Petition ernst nimmt, zeigt, dass großangelegte Straßenproteste stattfinden könnten, wenn der Kreml überreagiert, oder die Online-Petition ignoriert. Es ist unwahrscheinlich, dass das Frühjahrspaket vollständig aufgehoben wird, aber einige wichtige Klarstellungen und Umgestaltungen der Gesetze könnten stattfinden. Das Ausmaß, in dem die Unterzeichner der Online-Petition beschwichtigt werden, hängt vom Umfang der gesetzlichen Änderungen ab, so Stratfor.

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