Finanzen

Milliarden-Verlust bei der Deutschen Bank: Es wird kritisch für die Steuerzahler

Die Deutsche Bank hat einen unerwartet hohen Quartalsverlust gemeldet. Offiziell wird das Desaster mit „Rechtskosten“ begründet. Tatsächlich tickt bei der DB die Derivaten-Bombe. Wenn sie hochgeht, könnte das für den deutschen Steuerzahler sehr unangenehm werden.
31.01.2013 10:39
Lesezeit: 3 min

Die Deutsche Bank hat im vierten Quartal 2012 einen gigantischen Verlust gemacht: 2,2 Milliarden Euro sind selbst für DB-Skeptiker eine böse Überraschung. In dieser Höhe hat den Verlust keiner erwartet. Viele Analysten waren sogar von einem Gewinn ausgegangen. Nun scheint jedoch die weltweit gefürchtete Derivaten-Bombe hochzugehen.

Die Führung der Deutschen Bank versuchte am Donnerstag, die schweren Verluste als „Altlasten“ zu qualifizieren. Rechtskosten in Höhe von einer Milliarde Euro sind für den Libor-Skandal (hier), die Schlappe gegen Leo Kirch (hier) und andere „signifikante Rechtsstreitigkeiten“ zu verbuchen. Dies kann man ärgerlich finden, sicher ist es dem Image der Bank nicht förderlich, wenn deutlich wird, dass die Gesetzeslage der Wahrnehmung der Bank doch deutlich zuwiderläuft. Entscheidend ist das nicht.

Was wirklich Anlass zur Sorge gibt, ist eine Position von 1,9 Milliarden Euro Abschreibung für „Wertminderungen auf Geschäfts- oder Firmenwerte sowie andere immaterielle Vermögenswerte“.

Hier wird möglicherweise die Spitze des Eisbergs sichtbar, nämlich die Derivatenbombe: Die Deutsche Bank ist die am meisten „gehebelte Bank“ der Welt. Sie fährt, auch unter den neuen Führung von Anshu Jain und Jürgen Fitschen, immer noch die Strategie, dass sie die Eigenkapital-Rendite (Return on Equity) als wichtigste Messgröße angibt. Das klingt immer gut – ist aber in Wahrheit völlig bedeutungslos.

Denn die wahre Bedrohung für die Deutsche Bank kommt nicht aus der Eigenkapitalquote, sondern aus den Derivatengeschäften. Dies scheinen nicht in der Bilanz auf. Ihre Bewertung erfolgt nach der sogenannten „Risiko-Gewichtung“. Die Deutsche Bank ist deshalb von Whistle-Blowern unter Beschuss geraten. Ehemalige Mitarbeiter werfen dem Institut vor, dass die Deutsche Bank ihre Zahlen in der Krise manipuliert haben soll, um einem staatlichen Bailout zu entgehen (mehr zu diesem Krimi - hier): Finanzchef Stefan Krause bestreitet, dass die Bank irgendetwas falsch gemacht hat. Seine Erklärung ist dennoch erhellend: Die Bank verwende „ein maßgeschneidertes, proprietäres Modell zur Wertermittlung“ bestimmter Werte.

Im Klartext: Die Deutsche Bank ist mit ihrem umstrittenen, sogenannten „Fünf-Punkte-Modell“ in der Lage, selbst festzulegen, wie risikoreich ein Papier ist.

Genau darin sieht der ehemalige Chefökonom des IWF, Simo Johnson, die größte Gefahr: Johnson vertritt bei Bloomberg die Auffassung, dass die Deutsche Bank längst hätte gezwungen werden müssen, mehr Eigenkapital aufzubringen. Der ROE ist, so schreibt die Stanford-Wissenschaftlerin Anat Admati seit Jahren, eine völlig irrelevante Größe: Denn abseits der offiziellen Bilanz der Deutschen Bank lauern gewaltige Risiken aus den Derivate-Geschäften. Und diese Risiken werden mit der Jain/Ackermann-Berechnung eher verschleiert denn klargelegt.

In Italien kann man gerade verfolgen, wie das ist, wenn eine solche Bombe hochgeht: Die Banca Monte dei Paschi di Siena braucht wegen riskanter Derivate-Geschäfte erneut Milliarden vom italienischen Steuerzahler (mitten im Getümmel ist EZB-Chef Mario Draghi, der bei der Aufsicht der MPS versagt haben soll – hier). Ironischerweise ist die MPS unter Druck geraten, weil die Deutsche Bank sie mit einem Derivate-Geschäft abgezockt hat (hier).

Beobachter glauben, dass der nunmehr öffentliche, dramatische Verlust auch mit den Derivaten zu haben könnte. Es ist Praxis bei den Banken, dass sie die wahren Gründe für Verluste gerne verbergen: So ist die Lesart für die aktuelle Hiobs-Botschaft, „Rechtsstreitigkeiten“ seien der Grund für die Verluste, aus PR-Sicht taktisch klug gewählt: Man gibt im Grund etwas zu, was ohnehin schon jeder weiß – und verhindert so, dass di Shareholder auf die Idee kommen könnten, genau hinzusehen.

Es ist auch für die deutschen Steuerzahler wichtig, jetzt sehr genau hinzusehen. Ex-IWF Ökonom Johnson: „Der deutsche Steuerzahler sollte sehr besorgt sein.“ Denn die Deutsche Bank ist unzweifelhaft „too big to fail“. Sie ist systemrelevant – und deshalb werden im Zweifel die deutschen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.

Simon Johnson hält es für möglich, dass die Deutsche Bank die deutschen Steuerzahler um einen Bailout wird bitten müssen. Die Bank sei zu extrem „gehebelt“. Das Risiko-Management sei nicht ausreichend. Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass ein Bailout unter keinen Umständen ein Thema für die Deutsche Bank sei. Er verwies auf die Solidität der hauseigenen Rechenmodelle und darauf, dass die Deutsche Bank kerngesund sei.

In der Bekanntgabe des Milliarden-Verlusts schreibt die Deutsche Bank, dass eine der zentralen Aufgaben die „Implementierung eines klaren Regelwerks für einen tiefgehenden, langfristigen Kulturwandel“ sei.

Johnson schreibt: „Deutschland hat tiefe Taschen, und eine Menge Leute haben sich aufgereiht, um den Deutschen in die Taschen zu greifen. Aber der Reichtum und die Geduld des deutschen Volks haben auch ihre Grenzen.“ Die Deutsche Bank testet mit ihrem Milliarden-Desaster, wie viel die Deutschen zu schlucken bereit sind. Noch ist kein Hilfsantrag gestellt, noch sagt die Bank, es sei alles unter Kontrolle, noch wird das Debakel als kleiner Betriebsunfall abgetan.

In Kombination mit dem MPS-Skandal in Italien dürfte jedoch der Blick der Öffentlichkeit und der Regulatoren verschärft auf die Derivate-Bomben fallen. Simon Johnson sagt jetzt schon: „Man muss Mitleid mit dem deutschen Steuerzahler haben.“ Aus dem Betriebs-Unfall könnte der Super-GAU für die europäischen Banken-Szene werden.

Anmerkung: Der isländische Präsident hat neulich in einfachen Worten erklärt, dass das Dogma des Too-big-to-fail auf den Müllhaufen der Geschichte gehört (hier der eindrucksvolle Auftritt des Wikingers).

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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