Politik

Deutschland verhandelt mit Großbritannien über Allianz nach EU-Austritt

Lesezeit: 2 min
20.02.2017 00:50
Deutschland und Großbritannien feilen in aller Stille an einer Militär-Allianz. Es dürfte auch um einen Deal im Warenverkehr gehen. Die Verhandlungen zeigen die Erosion der EU.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

[vzaar id="9310898" width="600" height="338"]

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass sie gemeinsam mit dem britischen Verteidigungsminister Michael Fallon an einem „bilateralen Projekt“ der beiden Nato-Staaten im Militär-Bereich arbeitet: „Wir wollen sehr enge Beziehungen haben. Wir wissen, dass wir einander brauchen und wir haben gemeinsame Interessen, um unserer Zusammenarbeit auszubauen.“ Von der Leyen spricht von einer „road map“ in der militärischen Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit soll Militär und Geheimdienste umfassen. Der britische Geheimdienst MI6 ist einer der führenden Geheimdienste der Welt, der faktisch an allen Krisen-Herden und Kriegs-Gebieten der Welt eine zentrale Rolle spielt. Fallon sagte Bloomberg etwas zurückhaltend, er wolle „nicht ausschließen“, dass es „Sicherheits-Anfragen“ aus der EU geben werde.

Von der Leyen will mit der Zusammenarbeit offenbar auch die Aufrüstung in Deutschland vorantreiben. Die Ministerin sagte laut Bloomberg, Deutschland wolle zwar das von den USA vorgegebene Ziel von zwei Prozent des BIP für Rüstung erreichen, „aber man kann eine Menge Geld verschwenden, wenn man das ineffizient macht.“ Um die Erhöhung nicht vollständig allein tragen zu müssen, könnte die Aufrüstung laut Bloomberg von „einer Reihe von Projekten absorbiert werden“.

Diese „Projekte“ könnten einen Art Handelsdeal umfassen, der auf einer Art Reziprozität beruht: Deutschland kauft britische Rüstungs- und Spionageprodukte, Großbritannien macht den deutschen Auto- und Maschinenbauern dafür keine übermäßigen Schwierigkeiten mit Zöllen nach dem EU-Austritt Großbritanniens. Solche „Gegengeschäfte“ sind bei Rüstungsdeals Standard, weil die Regierungen damit begründen können, dass eine massive Aufrüstung auch der zivilen Wirtschaft zugute kommt. Der BDI hat bereits unmissverständlich klargemacht, dass die deutsche Industrie einen Deal mit Großbritannien braucht, um nicht schweren Verwerfungen ausgesetzt zu sein.

Die Wahl des Militär-Themas ist durchaus geschickt: Denn aktuell hat die EU keinerlei Kompetenzen für Verteidigungsthemen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ist damit beschäftigt, ihr eigenes Standing in Washington zu sichern. Deutschland und Großbritannien können im Militär-Bereich eine Allianz außerhalb der EU schließen. Dies sieht das Regelwerk der EU ausdrücklich vor.

Von der Leyens Initiative, die mit Sicherheit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt ist, ist dennoch ein doppelter Affront gegen die EU: Zum einen haben die diversen EU-Präsidenten die Mitgliedsländer aufgefordert, keine separaten Verhandlungen mit London zu führen. Zum anderen hat die EU erst vor wenigen Monaten eine Initiative gestartet, um zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigung zu kommen, die am Ende in einer gemeinsamen Armee münden soll. Diese Initiative war von den Briten abgelehnt worden. Auch die USA und die Nato lehnen eine europäische Idee strikt ab. Die Briten drohten sogar mit einem Veto. Die Idee der gemeinsamen Verteidigung wäre vor allem eine größere Wirtschaftlichkeit bei der Beschaffung gewesen, wie der Brexit-Verhandlungsführer der EU, Michel Barnier, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten im Interview erklärte. Laut Barnier sollte das Ziel die Schaffung eines kontinentaleuropäischen Rüstungs-Clusters sein, der am Weltmarkt konkurrenzfähig ist.

Diese Initiative wird nun von Deutschland offen unterlaufen. Von der Leyen sagte Bloomberg, die road map sei „unabhängig von der EU“: „Sicherheit ist für den europäischen Kontinent und für Großbritannien wichtig. Wir haben gemeinsame Feinde.“ Damit dürfte allerdings Russland gemeint sein und nicht die EU-Kommission in Brüssel.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine kleine Beobachtung, die Bryan McManus von der AFP auf der Münchner Sicherheitskonferenz gemacht hat. Er schreibt über den Auftritt von Vizepräsident Mike Pence: "So sehr Pence die enge Bindung der USA an die Nato hervorhob, so konsequent ignorierte er die EU: Er erwähnte sie in seiner Rede mit keinem Wort. Trump hatte sich wiederholt abfällig über die EU geäußert, das Votum der Briten für den EU-Austritt begrüßt und das Ausscheiden weiterer Länder prophezeit. Die US-Vertreter in München unternahmen keinen Versuch, dies öffentlich zurechtzurücken."


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...