Nach ihren Ermittlungen zu einem fehlgeschlagenen Umsturzversuch im vergangenen Oktober wirft die Staatsanwaltschaft von Montenegro Russland eine Beteiligung an den Vorbereitungen vor, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Sonderermittler Milivoje Katnic spricht von der Beteiligung „russischer, staatlicher Organe“. Russland wollte, so die Staatsanwaltschaft, damit versuchen, den angestrebten NATO-Beitritt Montenegros zu verhindern. Moskau weist den Vorwurf zurück. Am Montag sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, dass der Vorwurf „verantwortungslos“ und „absurd“ sei. „Wir registrieren Tag für Tag irgendwelche absurde Anschuldigungen gegen Russland und weisen sie Tag für Tag zurück. Und wir können mit vollem Verantwortungsbewusstsein sagen, dass von einer Beteiligung Moskaus bzw. der offiziellen russischen Seite an irgendwelchen internen Ereignissen in Montenegro keine Rede sein kann“, zitiert die russische staatliche Nachrichtenagentur Sputnik Peskow.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte ebenfalls am Montag, dass „diese Nachrichten in einer Reihe mit anderen haltlosen Anschuldigungen gegen Russland“ stehe. Das habe sich bereits in den Vorwürfen zum Hackerangriff auf die US-Präsidentschaftswahl gezeigt. „Zu keiner dieser Anschuldigungen wurde auch nur ein einziger Beleg präsentiert“, so Lawrow.
Im Zentrum der Parlamentswahl in Montenegro stand Mitte Oktober die Frage, ob sich der Balkanstaat enger an den Westen oder an Russland binden soll. Die prorussische Demokratische Front (DF), die gegen einen EU-und NATO-Beitritt ist, erhielt nur etwa ein Fünftel der Stimmen. Schon unmittelbar nach der Wahl war von einem angeblichen Komplott einer Gruppe aus Serben, der eine Nähe zum Kreml vorgeworfen wurde, zum Umsturzversuch der Regierung die Rede, den die Polizei nach eigenen Angaben verhindern konnte. Die Polizei hatte demnach zunächst 20 Serben festgenommen. Diese sollen bewaffnete „Angriffe“ auf die die Menge geplant haben, die vor dem Parlament die Verkündung der Wahlergebnisse erwartete. Zudem hätten sie den Ministerpräsidenten gefangen nehmen, die Kontrolle über das Parlament ergreifen und den „Sieg gewisser Parteien“ verkünden wollen.
In der vergangenen Woche wurde drei Serben wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zwecke eines Umsturzes zu jeweils fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Unter den Verdächtigen sind auch zwei DF-Abgeordnete, deren parlamentarische Immunität aufgehoben wurde. Die Staatsanwaltschaft ordnete an, dass sie auf freiem Fuß bleiben.
Das Carnegie Moscow Center berichtet im Zusammenhang mit einem möglichen NATO-Beitritt von Montenegro: „Die NATO ist an und dabei, ein Überraschungsmitglied aufzunehmen – ein Land, das über eine lange Zeit hinweg als ein russischer Verbündeter auf dem Balkan galt. Der bevorstehende Beitritt von Montenegro in die NATO, nach einer langen Pause ohne die Aufnahme von Neumitgliedern, macht Moskau wütend.“
Nach einer Analyse der Heritage Foundation ist Montenegro eine wichtige Balkan-Nation, die sich in einer Region befindet, in der US-Truppen einst im Kampfeinsatz gewesen sind. Montenegros Beitritt zur NATO sei deshalb wichtig, weil sich das Land in der Nähe zu diversen US-Stützpunkten befindet. Dazu gehören der Luftwaffenstützpunkt im italienischen Sigonella, wo sich Seefernaufklärungsflugzeuge der Klasse P-8 befinden und das Mittelmeer kontrollieren, und der US-Marinestützpunkt in Griechenland/Souda Bay. Dort befinden sich ein Raketenschießplatz und eine Raketeninstallation der NATO. Es ist der einzige Ort in Europa, wo die NATO Raketen testen kann.
Montenegro hat einen direkten Zugang zur Adria, die an der Straße von Otranto endet. Seit Ende des Jugoslawienkriegs hat Serbien den Zugang zur Adria über den Landweg – also über Kroatien – verloren. Dem Bündnispartner Russlands bleibt somit nur noch der Weg über Montenegro. Sollte Montenegro tatsächlich der NATO beitreten, würde Serbien, und damit indirekt Russland, den Zugang zur Adria auch über Montenegro verlieren und isoliert werden, was einen enormen seehandelspolitischen und militärisch-strategischen Verlust nach sich ziehen würde. George V. Strong schreibt in seinem Buch Seedtime for Fascism: Disintegration of Austrian Political Culture, 1867 – 1918, dass Serbien im Jahr 1913 Montenegro besetzt habe, um einen Zugang zur Adria zu bekommen, und die österreichische Marine, die damals die Adria dominierte, herauszufordern.