Politik

Datenkorrektur bei Statistik: Ein Job-Wunder für das Wahljahr

Die Bundesregierung kann jubeln: Mit einer simplen Datenkorrektur konte die Zahl der sozialabgabenpflichtigen Jobs über Nacht um 400.000 gesteigert werden.
03.03.2017 01:34
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Holger Hansen von Reuters berichtet von einem wirklich bemerkenswerten Wunder bei der BA:

Es sieht aus wie ein Beschäftigungswunder, das die Bundesagentur für Arbeit (BA) allein mit einer bloßen Datenkorrektur der Statistik vollbracht hat. Von einem Tag auf den anderen gibt es fast 400.000 Arbeitnehmer mehr, die einen sozialabgabenpflichtigen Job haben. Doch laut BA, die sich von Kritikern bisweilen der Schönfärberei beschuldigt sieht, ist das mitnichten eine wundersame Vermehrung nur auf dem Papier: Die Arbeitsplätze gebe es wirklich. Durch eine Datenpanne wurden demnach mehrere hunderttausend Beschäftigte zu Unrecht aus der Statistik gestrichen. Die BA machte die Lage in den vergangenen Monaten demnach schlechter als sie tatsächlich war.

Was war passiert? Am Rande der Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen für Februar teilten die Statistiker am Mittwoch mit, dass sie ihre Beschäftigtendaten revidiert hätten. Diese Daten werden von der BA für aktuelle Monate ohnehin nur hochgerechnet, bis endgültige Zahlen vorliegen. Die Korrektur fiel aber weitaus drastischer aus als üblich: Für November geht die BA nun von 32,1 Millionen sozialabgabenpflichtigen Jobs aus. Das sind 384.900 mehr als vor der Datenkorrektur.

Die neuen Zahlen führten zu einer ganz neuen Einschätzung der Lage am Arbeitsmarkt. Bisher hatte die BA erklärt, der Zuwachs der Beschäftigtenzahlen habe sich seit Mitte 2016 verlangsamt. Ihr Fazit nun: „Der Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr hält praktisch unverändert an.“ Im November gab es demnach etwa 717.000 mehr als ein Jahr davor. Das ist eine ähnliche Größenordnung wie im Januar 2016, als das Plus gegenüber dem Vorjahresmonat laut BA rund 691.000 betrug.

Die Beschäftigungsdynamik hat sich somit mitnichten abgeschwächt. Stefan Kipar, Arbeitsmarkt-Analyst bei der BayernLB, überrascht der Befund nicht. „Man hat sich schon gewundert, warum Unternehmensumfragen recht gut sind wie auch das Ifo-Beschäftigungsbarometer, das Wachstum der Beschäftigung aber nicht mithält“, sagte Kipar am Donnerstag. „Es wäre schön gewesen, wenn der Fehler schneller identifiziert worden wäre.“ Das Vertrauen in die Statistik sei nicht getrübt: „Grundsätzlich würde ich die Datenqualität recht hoch ansiedeln.“

Die BA begründete die Panne mit einem Fehler, der im Februar 2016 aufgetreten sei. Ob es sich um einen Maschinenfehler oder einen Bedienungsfehler von Mitarbeitern handelte, ließ die Behörde offen. Durch Meldungen und Abmeldungen der Arbeitgeber erfasst sie die Beschäftigtenzahl. Diese werden ergänzt durch Jahresmeldungen, praktisch eine Inventurmeldung zum Bestand der Beschäftigten des Vorjahres. Etwa 90 Millionen Meldungen über Arbeitsverhältnisse würden auf diese Weise jedes Jahr erfasst.

Laut BA wurde vor einem Jahr ein ganzes Datenpaket mit solchen Jahresmeldungen nicht verarbeitet. Die Folge war, dass Beschäftigungsverhältnisse, für die seit mehr als 18 Monaten keine Bestätigungsmeldung vorlag, schrittweise aus der Statistik fielen. Erst im Februar 2017 sei der Fehler durch die Jahresmeldungen für 2016 aufgefallen. Irrtümlich für beendet erklärte Arbeitsverhältnisse würden damit „rückwirkend wieder aufleben“, heißt es in einer BA-Mitteilung.

Die Datenpanne mahnt auch zur Vorsicht, aus Statistiken Rückschlüsse zu ziehen. Die BA musste eine Vermutung zurücknehmen, die sie im Januar aufgestellt hatte: Dort hatte es geheißen, die Abschwächung der Jobdynamik könnte damit zusammenhängen, dass das inländische Arbeitskräfteangebot durch die zunehmende Alterung der Deutschen zurückgehe. Die damaligen (falschen) Daten hatten gezeigt, dass der Beschäftigungsaufbau vor allem für deutsche Arbeitnehmer ins Stocken geraten war. Davon ist nun nicht mehr die Rede – die neuen Daten zeigen für sie ein Beschäftigungsplus von 419.000 im Vergleich zum Vorjahr.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.