Politik

US-Regierung könnte Syrien-Krieg nutzen, um mehr Schulden zu machen

Lesezeit: 6 min
09.04.2017 23:48
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US-Regierung könnte Syrien-Krieg nutzen, um mehr Schulden zu machen

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Die Obergrenze für die Staatsverschuldung muss möglichst rasch heraufgesetzt werden. In der Kasse beim Finanzamt (Treasury) herrscht gähnende Leere und ab Ende April müssten Zahlungen durch die Bundesregierung eingeschränkt werden. Ob die Stimmen für eine erhöhte Obergrenze der Verschuldung zusammenkommen, ist ungewiss. Denn die Hardliner im Kongress wittern Morgenluft. Der ‚Freedom Caucus‘ hat die Trump-Administration dazu gebracht, einer ‚Gesundheitsreform‘ zuzustimmen, welche Millionen und Abermillionen von Amerikanern die Medizin entziehen würde. Diese Leute können es sich komfortabel leisten, wieder Bedingungen zu stellen. Wenn überhaupt, dann dürfte dies nur für eine erhöhte Obergrenze reichen, welche zeitlich eng befristet Luft zum Verhandeln gewährt.

Allerdings könnte der Syrien-Krieg eine Wende bringen: Möglicherweise hilft nämlich der Kanonendonner, der in Zeiten der innenpolitischen Blockade mehr Einigkeit verspricht, das gelähmte Klima zu lockern. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine innenpolitisch gelähmte Regierung ihr Heil in militärischer Aktivität im Ausland sucht. Goldman Sachs-Analyst Alec Phillips schreibt jedenfalls in einer Analyse für seine Klienten, dass der überraschende Luftschlag gegen einen syrischen Flughafen den Spielraum von Trump erhöhen könnte. Auch das Verteidigungsministerium und die Geheimdienste wären von einer wegen der der Schulden erzwungenen Arbeitsunfähigkeit der Regierung betroffen. Im Zustand des Krieges ist es sehr wahrscheinlich, dass Trump alle Republikaner und wohl auch Teile der Demokraten hinter sich scharen könnte. Er könnte darauf bestehen, dass im Krieg eben noch höhere Schulden gemacht werden müssen.

Wie teuer der Krieg ist, zeigte sich an den Tomahawk-Einsätzen vom Freitag: Eine Rakete kostet etwa eine Million Dollar, angeblich würden 59 Stück abgefeuert.

Was bedeutet dies für die Konjunktur und für die Finanzmärkte? Seit dem Wahlabend vom 9. November hatten Finanzmärkte, Unternehmen und Öffentlichkeit angenommen, dass eine nachhaltige Konjunkturbeschleunigung einsetzen wird. Steuersenkungen, Ausgaben-Programme für die Infrastruktur und eine Welle der Kapital-Repatriierung würden höhere Gewinne und zusätzliche Aktien-Rückkäufe ermöglichen. Während die Konjunkturdaten bis anhin noch schwach ausfielen, zeigen alle vorlaufenden Indikatoren eine Hochstimmung und enormen Optimismus an. Dies gilt sowohl für das Unternehmer- als auch für das Konsumentenvertrauen. Mit dem politischen Stillstand in Washington werden die Unternehmen alle geplanten Maßnahmen zunächst einmal temporär aufschieben. Man wird abwarten, was effektiv kommen wird. Investitionen werden erst im größeren Stil getroffen, wenn klar ist, was die Steuersätze, die Zölle, die Staatsausgaben und die Handelspolitik sein werden. Auch Personal-Einstellungen werden zunächst einfach aufgeschoben.

Im Ergebnis wird die Konjunkturbeschleunigung zunächst vertagt. Der Optimismus an den Märkten dürfte nicht sofort verschwinden. Vielleicht wird die Obergrenze ja angehoben. Vielleicht können sich die zerstrittenen Parteien nochmals zusammenraufen. Sie werden alles versuchen, einen minimalen Konsens zu erzielen.

Tatsächlich löst die Anhebung der Obergrenze kein Problem: Denn die US-Wirtschaftspolitik ist nur wenige Wochen nach Trumps Amtsantritt in eine Phase der Stagnation eingetreten, weil sich die verschiedenen Player in Washington gegenseitig blockieren.

Die gescheiterte Gesundheitsreform der Republikaner wirkt als Konjunkturbremse. Ohne rasche Erhöhung der Schulden-Obergrenze und ohne Budget-Vereinbarung könnte die Konjunktur kippen.

Der gescheiterte Anlauf der Republikaner im Repräsentantenhaus zu einer Gesundheitsreform wirkt wie ein Eisberg, auf welchen die wirtschaftspolitischen Pläne von Präsident Trump aufgefahren sind. Es wird keine Ersparnis gegenüber der Projektion des Congressional Budget Office (CBO) zur Entwicklung der Staatsverschuldung geben. Dadurch steht kein Geld für Steuersenkungen oder für ein Infrastruktur-Programm zur Verfügung.

Nun ist ein neuer Anlauf geplant, der jedoch zeitlich nicht mehr terminiert ist. Präsident Trump hatte den Republikanern bis 24. März Zeit eingeräumt und nachher die Abschaffung und den Ersatz von Obamacare für beendet erklärt. Dieser neuerliche Anlauf kommt deshalb einigermaßen überraschend. Er wird auch ganz anders vorgenommen – politisch wie inhaltlich. Paul Ryan, der Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, ist nicht mehr federführend. Der Plan wird direkt zwischen der Trump-Administration unter Vizepräsident Mike Pence und den Führungsmitgliedern des republikanischen ‚Freedom Caucus‘ ausgehandelt. Kernpunkt ist der zusätzliche Verzicht auf die Versicherungspflicht für bestehende Risiken. Der Plan ist deshalb noch viel extremer als der Ryan-Plan. Nach dem Ryan-Plan könnten rund 24 Millionen Versicherte die Prämien nicht mehr bezahlen, weil sie die staatlichen Subventionen verlieren. Mit dem neuen Entwurf würden zusätzliche Millionen von Chronisch-Kranken den Versicherungsschutz verlieren, obwohl sie normale Versicherungsprämien zahlen könnten. Als vorbelastete Chronisch-Kranke würden sie aber keine Versicherung mehr finden. Der Plan ist rein finanzpolitisch getrieben und soll Platz für Steuersenkungen machen. Politisch wäre das verheerend für Trump und die Republikanern im Kongress. Denn gerade die Generation der Baby-Boomer, die viele Chronisch-Kranke enthält, wäre davon betroffen. Sie stellen die Kernwählerschaft der Republikaner dar. Der Plan wurde von moderaten Republikanern im Repräsentantenhaus deshalb verworfen. Trump hatte eine universelle Versicherung und die Versicherung bestehender Risiken im Wahlkampf noch bis vor wenigen Wochen versprochen und in Aussicht gestellt. Inhaltlich würde der neue Plan also das genaue Gegenteil des Versprochenen bedeuten.

Doch Trumps Niederlage geht weit über inhaltliche Elemente hinaus. Bis zum 23. März hatte er proklamiert, dass die Reform in der von Paul Ryan vorgeschlagenen Form komme, oder das Thema erledigt sei. Kaum geschehen, organisierte Trump direkte Gespräche mit dem ‚Freedom Caucus‘, welche die Ryan-Version zu Fall gebracht hatte. Trumps Kehrtwende in Bezug auf die Verhandlungstaktik signalisiert auch politische Haltlosigkeit und den Verlust von Einfluss und Macht in der Innenpolitik. Was ist die Folge? Alle Interessengruppen versteifen sich maximal und verhandeln dann direkt mit der Administration. Die republikanische Führung im Repräsentantenhaus existiert so nicht mehr. Es gibt keine vom Präsidenten unabhängige Konsensfindung im Kongress mehr, sondern die direkte Erpressung des Präsidenten.

Nach dem ‚Freedom Caucus‘ organisieren sich deshalb auch andere Interessengruppen, um möglichst große Durchschlagskraft zu erlangen. Vor allem die Abgeordneten, die von Super-Pac’s finanziert werden, werden so mit schlagkräftigen Argumenten unterstützt. Heritage-Foundation, verschiedene Stiftungen der Koch-Brothers, und andere mehr erlangen so hohe Durchschlagkraft. Das betrifft vor allem die ‚Border Adjustment Tax‘ (BAT). Sie sieht eine Steuerbefreiung für Exporterlöse und eine Besteuerung aller Importe vor. Im Kern ist sie eine Konsumsteuer für Haushalte auf importierte Güter und eine Steuer für importierte Vorleistungen von inländischen Produzenten. Ferner subventioniert sie Exporte, da auf diese auch keine Gewinnsteuer zu entrichten ist. Sie ist die einzige Möglichkeit, zusätzlich beträchtliche Mittel zu beschaffen, um Steuersenkungen zu finanzieren. Doch die Lobbyisten der Supermarkt-Ketten und vieler Industrien haben ihre Messer so gewetzt, dass diese Steuer unmöglich in einem Schnellverfahren durchgepaukt oder überhaupt realisiert werden kann.

Angesichts dieser politisch verfahrenen Situation sind auch die Perspektiven für Steuersenkungen oder ein großes Infrastruktur-Programm in weite Ferne gerückt. Es bedeutet nicht, dass es unmöglich ist, ein reduziertes Programm zu finden, welches verabschiedet werden könnte. Aber es ist sehr schwierig und auf jeden Fall zeitraubend.

Inhaltlich müsste eine gemeinsame Budget-Vereinbarung (Resolution) von Senat und Repräsentantenhaus für die nächsten 10 Jahre vorliegen, welche in einer Konferenz aufeinander abgestimmt würde (Reconciliation) und Annexe enthält, die die Annahmen detailliert auslegen. Diese geht von den Projektionen des Congressional Budget Office aus, die 10 Trillionen weitere Schulden über 10 Jahre bis 2027 vorsieht – ohne irgendwelchen Stimulus. Diese Annahmen in den Annexen wären für spätere Budgets wiederum bindend. Dann müssten allfällige Steuerkürzungen oder zusätzliche Ausgaben gegenfinanziert sein – nach dem gescheiterten Obamacare Repeal und ohne Border Adjustment Tax nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Schon in einem kooperativen politischen Klima würde diese Prozedur Monate oder wenigstens Quartale erfordern.

Mit der politischen Konstellation, wie sie sich herausgebildet hat, liegen die Hürden noch viel höher. Präsident Trump ist bei erster Gelegenheit gegenüber dem ‚Freedom Caucus’ eingeknickt. Seine Administration ist noch nicht etabliert und im Clinch über Kernthemen, was immer wieder rasche Kurs- und Personalwechsel nach sich zieht. Lobbies im Kongress bekriegen sich, die republikanische Kongressführung ist diskreditiert. Die Demokraten sind nach dem Ziehen der ‚nuklearen Option‘ für den neuen obersten Bundesrichter völlig entfremdet. Unter diesen Umständen wird es schwierig werden, überhaupt ein Budget für das am 1. Oktober 2017 beginnende Fiskaljahr 2018 auch ganz ohne Stimulus verabschieden zu können.

Auch einzelne Maßnahmen zur Deregulierung mögen Hoffnung verbreiten. Doch am Ende sind es die harten Fakten und Entscheidungen in der Gesundheits-, Budget-, Steuer- und Ausgabenpolitik sowie die Energiepreise, welche ausschlaggebend sein werden. Der Zeitraum für diese Agenda geht vom Ende des dritten Quartals bis Ende dieses Jahres. Wenn bis dann keine Anzeichen einer handlungsfähigen Regierung vorhanden sind oder im Gegenteil vorher definitive Anzeichen des Politikversagens, dann werden die Märkte plötzlich und brutal reagieren. Heillos überbewertet sind sie auf jeden Fall. Und Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung liegen in der Luft. Vor allem die Autoverkäufe zeigen Schwäche an – dies bei randvollen Lagern und einer ausgeprägten Risiko-Konstellation. Mehr als 40 Prozent der Autoverkäufe erfolgten in den letzten beiden Jahren an ‚subprime’, davon viele an ‚deep subprime’ Käufer. Es wurden in bester Manier wenig zahlungsfähigen Käufern Leasingverträge für viel zu teure Autos aufgeschwatzt oder bewilligt.

Die Autoverkäufe sind genau wie die Kreditvergabe die Frühindikatoren des Konjunkturzyklus in den USA. Beides hat sich abgeschwächt, ohne aber gleich auf eine Rezession hinzuweisen. Mit einer Blockade der Finanzpolitik könnte diese Tendenz zur Abschwächung aber heftig beschleunigt werden. Was den Märkten zusätzlich Hoffnung verleiht, ist die Aussicht auf eine veränderte Notenbankpolitik. Die Fed-Spitze hat Signale gegeben, dass sie die angekündigte Normalisierung der Geldpolitik weniger über höhere kurze Zinsen als über einen Abbau der Fed-Bilanz implementieren könnte. Auslaufende Papiere würden dann nicht reinvestiert, sondern zum Abbau der Bilanz verwendet werden. Im Effekt, interpretiert der Markt, wäre diese Vorgehensweise konjunktur-neutraler. Es würde dies vor allem die Nachfrage nach Papieren mit mittleren und längeren Laufzeiten dämpfen und könnte den Zinsen in diesen Bereichen Auftrieb verleihen. Eine steilere Zinskurve, so die Interpretation, würde die Kreditvergabe weniger einschränken als eine verflachte wegen höherer kurzer Zinsen. Die Effekte einer solchen geldpolitischen Vorgehensweise hängen allerdings auch davon ab, was in der Finanzpolitik geschieht. So sicher ist dies nicht, ob höhere lange Zinsen nicht eben die Binnennachfrage dämpfen könnten. Vor allem der Wohnungsbau könnte bei erhöhten langen Zinsen einen Dämpfer erfahren. Geschieht dies, so sind die Bedingungen reif für eine US-Rezession.

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