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Russland profitiert von der Ölpreis-Panik der Golf-Staaten

Lesezeit: 3 min
22.04.2017 02:20
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Russland gehört zu den größten Profiteuren der seit Jahresbeginn geltenden Erdöl-Förderbegrenzung des Ölkartells OPEC und elf weiterer Staaten. Ziel des Abkommens ist es, das globalen Öl-Angebot zu verknappen und dadurch eine Erholung der Preise einzuleiten. Diese stehen im Zuge des seit Mitte 2014 andauernden Preisverfalls unter Druck. Kostete eine Barrel Rohöl (159 Liter) Anfang 2014 noch über 100 Dollar, so sind es aktuell etwa 52 Dollar.

Bloomberg berichtet, dass die Einnahmen aus dem Ölverkauf seit der Ankündigung der Förderbegrenzung im vergangenen November deutlich angestiegen sind. Im Februar lagen diese bei etwa 525 Milliarden Rubel (etwa 8,7 Milliarden Euro) und damit so hoch wie zuletzt im August 2015. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 lagen diese Werte im Februar, März und April noch um die Marke von 300 Milliarden Rubel (etwa 4,95 Milliarden Euro). Rund die Hälfte der Staatseinnahmen Russlands entspringen der Öl- und Gasbranche. Auch die gesamte Wirtschaftsleistung wächst nach Jahren der Rezession wieder, wie IWF-Chefin Christine Lagarde in dieser Woche bestätigte.

Russland sei es gelungen, einen „starken Preisanstieg für ein mäßiges Zurückfahren der Erdölförderung zu erhalten“, wird ein Analyst der Schweizer Großbank UBS von Bloomberg zitiert. „Russland ist einer der großen finanziellen Gewinner der im vergangenen Jahr beschlossenen Abmachung.“

Tatsächlich hat das Land seine Zusagen zu Förderkürzungen bis heute nicht ganz erfüllt. Derzeit fördern russische Produzenten etwa 1,5 Millionen Tonnen Rohöl am Tag, berichtete der stellvertretende Energieminister Kirill Molodsow in der vergangenen Woche. Das entspricht etwa 11 Millionen Barrel (159 Liter) Erdöl und damit etwas mehr als die im Zuge des Abkommens zugesagten 10,947 Millionen Barrel. Das Energieministerium rechnet für das gesamte laufende Jahr mit einer Förderung von 549 Millionen Tonnen, was einem Tagesdurchschnitt von 11,02 Millionen Barrel entspräche. „Eine hundertprozentige Befolgung der Bestimmungen der Fördergrenze durch Russland erscheinen unsicher“, sagte ein Analyst der niederländischen Bank ABN Amro zu Bloomberg.

Russland ist jedoch nicht das einzige Land, das die Vorgaben des Abkommens nicht zu 100 Prozent erfüllt. Auch andere Staaten – insbesondere jene, die nicht Mitglied der OPEC sind – haben in den vergangenen drei Monaten ihre Einspar-Ziele verfehlt, berichtet Bloomberg.

Im Januar erreichten die OPEC-Staaten immerhin 99 Prozent der vorgesehenen Kürzungsmenge von 1,164 Millionen Barrel täglich. Die Nicht-OPEC-Staaten kürzten hingegen nur 49 Prozent der vorgesehenen 558.000 Barrel täglich. Im Februar ergab sich ein ähnliches Bild. Die OPEC-Staaten kürzten 99 Prozent des vorgesehenen Volumens, die Nicht-OPEC-Länder nur 40 Prozent. Im März übererfüllten die OPEC-Staaten ihre Verpflichtungen sogar mit 104 Prozent, die Nicht-OPEC-Staaten kürzten nur 66 Prozent des vorgesehenen Volumens.

Russland baut seine Kapazitäten indessen weiter aus. Am Montag wurde bekannt, dass Russlands größter Ölförderer Rosneft erstmals auf dem Festlandsockel der polaren Laptewsee in Ostsibirien nach Öl bohrt. Es sei die nördlichste Bohrung in Russland, teilte der Konzern mit. In dem knapp 19.000 Quadratkilometer großen Feld in der Chatanga-Bucht lagern demnach schätzungsweise 308 Millionen Tonnen Öl und Gaskondensat sowie 228 Milliarden Kubikmeter Gas. Konzernchef Setschin schloss ein Engagement westlicher Ölkonzerne nicht aus. Die Gesamtreserven im Festlandsockel der Laptewsee werden von Experten auf 9,5 Milliarden Tonnen Öläquivalent geschätzt. Eine Tonne Öläquivalent ist eine Maßeinheit für die Energiemenge, die beim Verbrennen von einer Tonne Erdöl freigesetzt.

Derzeit steht die Frage im Raum, ob das Abkommen, welches im Juni planmäßig endet, darüber hinaus verlängert werden soll. Wichtige OPEC-Staaten wie Saudi-Arabien, Irak und Kuwait haben sich bereits wohlwollend gegenüber einer Verlängerung gezeigt. Die meisten Beobachter rechnen damit, dass sich auch die russische Regierung einer Verlängerung anschließen wird.

Dafür spricht in erster Linie, dass im März 2018 in Russland Wahlen angehalten werden, in denen Präsident Wladimir Putin aller Voraussicht nach eine weitere Amtszeit anstrebt. Eine Verlängerung der Fördergrenze würde dazu beitragen, dass der Ölpreis und damit auch die Einnahmen des Staates tendenziell gestärkt werden, was mehr politische Stabilität bedeutet. Der stellvertretende russische Premierminister Arkadi Dworkowitsch sagte, dass die Ölpreise nun auf einem „vorteilhafteren Niveau“ seien und dass „die getroffene Entscheidung im Ganzen betrachtet richtig war.“

Es gibt auch Nachteile einer Verlängerung. So ist es den US-amerikanischen Fracking-Produzenten schon während des ersten Abkommens aufgrund der steigenden Preise gelungen, wieder profitabel zu operieren und Marktanteile zurückzuerobern. Eine Verlängerung mit noch höheren Notierungen könnte ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Marktanteile auf Kosten der OPEC und Russlands weiter auszubauen. Brauchten die amerikanischen Schieferöl-Produzenten 2014 noch einen Ölpreis von 80 Dollar für eine kostendeckende Förderung, arbeiten viele von ihnen inzwischen schon bei 40 Dollar pro Barrel profitabel. „Hinzu kommt, dass die Schieferölfirmen ihre Produktion sehr schnell nach oben fahren können, wenn der Ölpreis ansteigt“, sagte der Analyst der Beratungsgesellschaft Roland Berger, Walter Pfeiffer der dpa. Und weil die USA sich inzwischen vom Öl-Importeur zum Exporteur entwickelt haben, wirkt sich diese Flexibilität auch auf den Ölmarkt in Europa und weltweit aus und beeinflusst so die Preise. „Aus unserer Sicht ist daher ein längerfristiges Szenario mit Ölpreisen um 50 Dollar wahrscheinlich“, erklärt Pfeiffer.

„Das OPEC-Treffen Ende Mai wird mit Sicherheit das Schlüsselereignis für die weitere Entwicklung der Rohölpreise im laufenden Jahr sein. Öl könnte bis auf 60 Dollar pro Barrel steigen, wenn es zu einer Verlängerung kommt, oder auf bis zu 40 Dollar fallen, wenn es keine Fortsetzung gibt“, schreibt der Energiespezialist Nick Cunningham.


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